Das Verbändepapier »P2X: Ein Marktdesign für Wasserstoff schaffen« im Detail
Die unterzeichnenden Verbände teilen das Zukunftsbild einer international wettbewerbsfähigen und industrialisierten Power-to-X-Produktion, mittels derer Wasserstoff und andere chemische Energieträger hergestellt werden können. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) hätte mit seinem Referentenentwurf zu einer Nationalen Wasserstoff-Strategie (NWS) einen großen Schritt in die richtige Richtung gemacht, urteilen die Verbände. Der Aufbau von 3 bis 5 GW Elektrolyseleistung sollte jedoch nicht erst bis 2030, sondern deutlich früher erfolgen, um tatsächlich Impulse für eine Wasserstoff-Wirtschaft in Deutschland zu setzen. So befinden sich Projekte in der Größenordnung von 1 GW bereits jetzt in der Vorbereitung. Aus technischer Perspektive können die Anlagenbauer schon heute Elektrolyse-Kapazitäten in Höhe von mehr als 1 GW pro Jahr bereitstellen. Bei richtig gesetzten Rahmenbedingungen mit dem Ziel, einen Markt für grünen Wasserstoff zu kreieren, kann damit das in der NWS gesetzte Ziel von 3 bis 5 GW zur Mitte des Jahrzehnts grundsätzlich ohne staatliche Subventionen erreicht werden. Die NWS sollte zudem berücksichtigen, dass sich der Bedarf an Wasserstoff in den Sektoren in der nächsten Dekade deutlich erhöht. Die Verbände halten daher auch die Verwendung von blauem und türkisem Wasserstoff zum Erreichen der Klimaziele für sinnvoll. Blauer Wasserstoff wird aus fossilem Erdgas gewonnen, die CO2-Emissionen werden entweder weitergenutzt (CCU) oder sicher gespeichert (CCS). Türkiser Wasserstoff wird aus der Methanpyrolyse gewonnen. Beide Arten von Wasserstoff sind klimaneutral. Um bis zum Ende des Jahrzehnts die weltweite Technologieführerschaft verteidigt und den Einstieg in eine Wasserstoffwirtschaft geschafft zu haben, sind die kommenden Jahre entscheidend, und noch in diesem Jahr sind erste konkrete Maßnahmen gesetzlich festzuhalten, postulieren die Verbände. Die Bundesregierung ist aufgefordert, sich schnell auf eine gemeinsame Linie in der NWS zu einigen. Folgende vier Maßnahmen halten sie für zwingend notwendig:
1) P2X – Export- und Heimatmärkte für P2X-Anlagen gleichermaßen entwickeln, Ausbaupfade für Erneuerbare Energien (EE) anpassen.
Die Herausforderungen insbesondere in den schwer ohne fossile Brennstoffe auskommenden Sektoren sind hoch. Wasserstoff ist zur Erreichung der Treibhausgasneutralität ein zentraler Schlüssel und wird in großen Mengen gebraucht. Deutschland wird dauerhaft Energieimporteur bleiben.
Die deutsche Industrie kann einen wesentlichen globalen Beitrag zum Klimaschutz durch den Export der P2X-Technologien leisten. Daher sind frühzeitig Wasserstoff-Energiepartnerschaften, die die Voraussetzungen für Investitionssicherheiten von deutschen Unternehmen in den potenziellen Lieferländern schaffen, zu vereinbaren.
Ohne einen starken Heimatmarkt wird Deutschland die heutige Technologieführerschaft nicht verteidigen können. Die Bundesregierung muss aus diesem Grund wirtschaftliche Rahmenbedingungen für einen Heimatmarkt in der ersten Hälfte der 20er Jahre schaffen. Durch die Sektorkopplung wird zudem die Bruttostromnachfrage in den kommenden Jahren deutlich ansteigen. Im Vergleich dazu geht der Ausbau Erneuerbarer Energien (EE) sowie dezentraler, flexibler Ergänzungen zu den EE, wie etwa der KWK, deutlich zu langsam voran. Eine Anpassung der EE-Ausbaupfade ist daher dringend geboten. Für Windenergie an Land ist schnellstmöglich eine höhere Flächenverfügbarkeit und schnelle Rechtssicherheit bei Genehmigungsverfahren zu gewährleisten. Gekoppelte Ausschreibungen für Offshore-Windkraftwerke und Elektrolyseure unterstützen den Markthochlauf.
Zum Aufbau widerstandfähiger Energiesysteme muss eine Perspektive für die Nutzung von Wasserstoff und anderen erneuerbaren Gasen in der Energiewirtschaft sowie der Infrastruktur aufgezeigt werden. Dabei sind sowohl großtechnische als auch dezentrale P2X-Systeme notwendig. Insbesondere auch die Potenziale für P2X auf Verteilnetzebene müssen schnell gehoben werden.
2) P2X – Ambitionierte und zeitnahe Umsetzung der REDII
Der Aufbau von P2X-Kapazitäten lässt sich unter marktgetriebenen Prinzipien bereits mit der REDII-Umsetzung verwirklichen. Wir unterstützen die Bestrebungen, den EE-Anteil im Verkehr auf 20 Prozent zu erhöhen.
Barrieren im Netzstrombezug müssen abgebaut werden. Die Bundesregierung muss sich auf EU-Ebene für die höchstmögliche Flexibilität bei der Auslegung der Kriterien im Rahmen der delegierten Rechtsakte einsetzen.
Hierzu gehört die rechtssichere Verwendung von handelbaren Herkunftsgarantien, die zum Nachweis der Erfüllung von Erneuerbaren-Energien-Quoten oder Emissionsgrenzwerten genutzt werden können. Die Herkunftsgarantien sollen innerhalb der EU und perspektivisch international den Handel mit P2X-Produkten ermöglichen.
Um Investitionen nicht länger zu verzögern, muss bis zum Ende des Jahres Rechtssicherheit auf deutscher und europäischer Ebene geschaffen werden.
Die Verbände unterstützen die vollständige bilanzielle Anrechnung des im Produktionsprozess für Kraftstoffe eingesetzten erneuerbaren Wasserstoffs und die Beimischung von erneuerbaren strombasierten Kraftstoffen auf die Verpflichtung zur Treibhausgas-Minderung, eine EU-weite Methodik ist zeitnah zu etablieren.
3) P2X – Technologieoffenheit bei der Nutzung – Keinen Sektor ausschließen
Der Marktrahmen sollte keine Sektoren von der P2X-Nutzung ausschließen. Die Leitfrage sollte sein, wie mit möglichst wenig subventionierten Maßnahmen möglichst viel Wirkung erzielt werden kann.
Der Gebäudesektor benötigt effiziente Technologien, aber vor allem auch flexible, THG-neutrale Energieträger. Wasserstoff und P2X-Folgeprodukte bieten dies in besonderer Weise auch für den Bestand.
Der Verkehrssektor erbringt bisher nicht die erhoffte Treibhausgasreduktion. Eine konsequente Befreiung von fossilen Kraftstoffen für den weltweiten Fahrzeugbestand kann ohne Technologieoffenheit nicht gelingen. Auf Wasserstoff basierende »eFuels« tragen zur Reduktion der Treibhausgasemissionen bei, da sie direkt in der Bestandsflotte genutzt werden können. Der Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft wird zudem der Brennstoffzellen-Technologie zugutekommen.
Gleichzeitig kann die vergleichsweise hohe Zahlungsbereitschaft im Straßenverkehr genutzt werden, um einen marktwirtschaftlichen Hochlauf der P2X-Technologien zu initiieren. Die Bundesregierung sollte sich daher im anstehenden Review-Prozess für eine Anerkennung von eFuels in der PKW- und LKW-CO2-Flottenregulierung einsetzen.
4) P2X – CO2-Bepreisung als Hebel
Eine umfassende Energiewende kann nur mit einer übergreifenden CO2-Bepreisung gelingen. Es ist ein tragfähiges und in sich schlüssiges Konzept zu entwickeln, in dem die Steuer-, Umlage- und Abgabesysteme bei der Umwandlung von Energieformen keine zusätzliche Belastung darstellen.
Auf EU-Ebene sollte sich die Bundesregierung für eine Reform der Energiesteuer einsetzen. Künftig sollte sich die Steuerlast an der CO2-Intensität der Energieträger messen.
Sofern regulatorisch in dieser Legislaturperiode kein schneller und umfassender Hemmnisabbau für chemische Energiespeicher erfolgt, sollte für die Übergangszeit mit einem Markteinführungsprogramm die bestehende regulatorische Diskriminierung ausgeglichen werden. Dieses Markteinführungsprogramm sollte EU-Beihilfekonform, zeitlich (bis Mitte der 2020er Jahre) und mengenmäßig (maximal 5 GW) begrenzt sowie degressiv ausgestaltet sein, Mitnahmeeffekte vermeiden und regelmäßig überprüft werden. Die öffentliche Hand darf dabei finanziell nicht überlastet werden, sollte kosteneffizient vorgehen und erhebliche private Investitionen ergänzen.