Oft wird diese Zukunft des Ladens mit dem Laden eines Smartphones verglichen und das zu Recht. Sind beide Protokolle implementiert – und zwar in allen drei Prozesselementen E-Auto, Ladesäule und Backend – ist der Ladevorgang tatsächlich ein Kinderspiel. Jeder notwendige Informationsaustausch findet ohne manuellen Eingriff statt: Authentifizierung, Information, Abrechnung, Dokumentation sowie Last- und Energiemanagement. All diese Prozesse laufen im Hintergrund, abgesichert dank TLS-Verschlüsselung.
Nach dem Einstöpseln kann der Benutzer gehen, den Rest erledigt die Technik. Die ISO15118-2- und OCPP-2.0.1-kompatible Ladesäule verbindet sich mit dem Auto, identifiziert das Fahrzeug mittels eines im Fahrzeug digital hinterlegten zertifizierten Vertrags des jeweiligen Mobilitätsanbieters und startet den Ladevorgang automatisch. Die Vertragsdaten im Auto enthalten Halter- und Tarifinformationen. Unabhängig davon teilt das E-Auto technische Parameter wie Ladezustand mit. In einer Unternehmensflotte sind das beispielsweise Informationen dazu, welcher Mitarbeiter der Fahrzeughalter ist, zu welchem Tarif abgerechnet werden soll, wie der Zustand der Batterie und wie hoch die Ladeleistung für einen optimalen Ladevorgang ist.
Das angeschlossene Energiemanagementsystem organisiert die optimale Energiezufuhr unter Betrachtung des aktuellen Ist-Zustandes des Stromnetzes. So lässt sich auch Strom aus einer angegliederten PV-Anlage nutzen. Die Funktion »Smart Charging« optimiert die Ladestrategie in Verbindung mit dem Energiemanagement zusätzlich. Die Verbindung zwischen Ladesäule und Backend garantiert zudem die sichere Datenübermittlung zur Abrechnung und umfassende Dokumentation des Ladevorgangs sowie vereinfachte Fehlerbehebung.
Interessant sind die neuen AC-Ladelösungen mit dem Controller der dritten Generation im ersten Schritt für Flottenkunden und den professionellen Einsatz in Ladeparks. Vor allem im Logistikbereich verändern sich die unternehmerischen Anforderungen und verlangen nach weiteren Prozessoptimierungen im Ladealltag – Optimierungen, die teils über die neuen Funktionen erzielt werden.
Neben dem gestiegenen Ladekomfort des Fahrzeughalters profitiert auch das Unternehmen beziehungsweise der Ladeparkbetreiber. Es werden mehr und detailliertere Informationen zum gesamten Ladeprozess generiert, während der Administrationsaufwand sinkt. Denn sicheres Laden ohne RFID-Karte reduziert die Verwaltungsarbeit enorm. Ein physikalischer Verifizierungsschlüssel wie der RFID-Chip birgt Kosten und Risiken. Zum einen muss er erstmalig bestellt, digital zugeordnet, ausgegeben und dokumentiert werden. Zum anderen kann jede zusätzliche Hardware vergessen werden, verloren oder kaputt gehen oder sogar an andere Nutzer verliehen werden. Unberechenbare Faktoren, die beim Ladesäulenanbieter immer wieder zu hohen Kosten für die (Neu-)Beschaffung, Verteilung, Administration und Synchronisierung führen.
Jedes Mal, wenn ein Mitarbeiter ohne RFID-Chip laden will, muss ein Verwaltungsmitarbeiter oder ein Servicedienstleister des Herstellers die eindeutige Identifizierung des Fahrzeuges manuell organisieren. Ähnlich aufwändig ist die Korrektur von Abrechnungen aufgrund falscher Kartennutzung. Die Konsequenz: unplanbarer Mehraufwand an Zeit und Geld. Probleme, die dank der neuen Protokolle gelöst werden. Auch wenn die Verwaltung dieser Chips während der Planungsphase von Ladeinfrastruktur oft stiefmütterlich behandelt wird, bindet der Aufwand langfristig Personal. Entfällt dieser gesamte Prozess, führt das zu finanziellen und zeitlichen Entlastungen und mehr Ruhe in der Verwaltung.
Das Ziel der neuen Protokolle ist es, E-Autos in die Energiestruktur eines Ladeparks oder Unternehmens zu integrieren. Kurz gesagt: Bidirektionales Laden oder Vehicle-to-Grid (V2G) soll flächendeckend möglich werden, E-Autos als dezentraler Zwischenspeicher fungieren. Ein Beispiel: Ein Mitarbeiter steckt sein E-Fahrzeug an der Ladesäule an, es identifiziert sich automatisch und bietet zwei Optionen: Entweder wird die leere Batterie mit Strom geladen oder die Energie der vollen Batterie wird entladen. Das Unternehmen kauft die Energie der Batterie, bis auf eine vorher definierte Mindestmenge, ab und nutzt sie bei Bedarf selbst. Andersherum funktioniert dieser Ansatz ebenso: Das Unternehmen speichert selbst erzeugte Energie, die gerade im Überschuss vorhanden ist, in der Autobatterie für kurze Zeit zwischen.
Durch diese Funktionen können E-Fahrzeug zur Lastspitzenreduktion oder Netzstabilisierung beitragen. Ein Szenario, das bereits in Pilotprojekten erfolgreich umgesetzt wurde. V2G gilt als wesentlicher Baustein, um zukünftig einen größeren Anteil erneuerbarer Energien in das Stromnetz zu integrieren. »Ich halte es für realistisch, dass wir in weniger als fünf Jahren zumindest in einigen Bereichen bidirektionales Laden erleben. Manche Hersteller wie Kia, Hyundai oder Nissan stellen bereits bidirektionales Laden zur Verfügung. Unternehmen steht in Form ihrer Mitarbeiterfahrzeuge ein riesiger Energiespeicher zur Verfügung, den gilt es in Zukunft sinnvoll zu nutzen«, erläutert Stefan Böken.
Über die Sinnhaftigkeit dieses Energiemanagements entscheidet letztlich das Nutzerverhalten. Jede Flotte und jedes Unternehmen hat unterschiedliche Nutzerprofile. Diese müssen, wie bei einer guten Ladeinfrastrukturplanung, im Detail betrachtet werden. Das ist wiederrum die Aufgabe des Anbieters.
Um all diese Vorteile jetzt und in Zukunft nutzen zu können, müssen Unternehmer, Fuhrparkleiter und Mobilitätsmanager auf Ladelösungen setzen, die bereits für den internationalen Standard ISO15118-2 gerüstet sind und mit einem implementierten Ladepunkt-Protokoll OCPP 2.0.1 aufwarten. Auch wenn bisher nur wenige Fahrzeughersteller ein Update zum neuen Kommunikationsprotokoll für ihre Fahrzeuge anbieten, wird dieser Standard doch in wenigen Jahren überall zu finden sein. Wer jetzt einen Ladepark plant oder neue AC-Ladesäulen im gewerblichen oder halb-öffentlichen Raum ohne ISO15118-2- und OCPP-2.0.1-kompatible Software installiert, der hat eine neue und gleichzeitig veraltete Infrastruktur geschaffen.
Eine zukunftsfähige, intelligente Ladelösung ist gleichbedeutend mit Plug&Charge, Vehicle-to-Grid & Co. Egal, ob es um erhöhte Nutzerfreundlichkeit, verringerten Verwaltungsaufwand oder effizienteres Energiemanagement geht, Ladesäulen mit ISO15118-2- und OCPP-2.0.1-Backend-Anbindung sichern eine komfortable, langfristige Nutzung. »Die neuen Protokolle sind die konsequente Weiterentwicklung von E-Mobilität in Kombination mit einem intelligenten Energiemanagement. Unsere Hard- und Software deckt damit die Gegenwart und Zukunft ab«, erklärt Stefan Böken.
Nurhan Rizqy Averous
ist Head of Product Development & Engineering bei Elexon.