Zweizylinder generiert Strom für E-Autos

Fahren mit E-Motor, tanken wie beim Verbrenner

26. Juli 2024, 7:30 Uhr | Heinz Arnold
Der »Zero Vibration«-Generator von Obrist, auch »Champagner Motor« genannt, läuft so vibrationsfrei, dass ein gefülltes Champagner-Glas darauf völlig ruhig steht.
© Obrist Group

Der neue Zweizylindermotor von Obrist läuft vibrationsfreier als ein Zwölfzylinder. Er wird aber nicht mit dem Antriebsstrang des Wagens verbunden, sondern generiert Strom, der über eine Pufferbatterie den Elektromotor versorgt.

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»Er verbindet die Vorteile der Elektromobilität mit der Einfachheit des gewohnten Tankvorgangs und löst damit die mit E-Autos zwangsläufig verbundene Frage nach der Reichweite«, erklärt Frank Obrist, der das HyperHybrid-Konzept gemeinsam mit seinem Team seit 2011 entwickelt hat. »HyperHybrid« nennt er das Konzept, das er gemeinsam mit seinem Team seit 2011 entwickelt hat.

Das Unternehmen demonstriert den »Zero Vibration Generator« (ZVG) genannten Minimotor gerne mit einem darauf stehenden gefüllten Champagner-Glas, weil die edle Flüssigkeit auch dann völlig ruhig und ungestört weiter perlt, wenn der Zweizylinder läuft. 

»Derzeit fahren bereits zehn HyperHybrid - Prototypenfahrzeuge, auch LKW, Busse und Boote können mit diesem Antriebssystem ausgestattet werden. Das Interesse der Automobilindustrie an dem HyperHybrid -Konzept ist sehr stark. Der Zero-Vibration-Generator läuft mit Benzin, Mixed Fuel (Methanol, Ethanol & Benzin) sowie reinem Methanol (CO2 neutral sowie CO2 negativ).  Sollten E-Fuels / Methanol in der EU nicht erlaubt werden, entfällt dieser Markt zwar, aber vier Fünftel der Autos weltweit fahren nicht in der EU, die Nachfrage für unser System dürfte dennoch beachtlich sein.«

Thorsten Rixmann, Global Director Marketing & Communication

 

»HyperHybrid« - keine Ladeinfrastruktur erforderlich

Der Trick dabei: Der Minimotor dient ausschließlich der Stromerzeugung und speist über eine kompakte Pufferbatterie einen Elektromotor, der das Fahrzeug antreibt. Der Wagen fährt mit herkömmlichem Benzin oder E-Fuels von jeder Tankstelle. Der Verbrauch liegt mit rund 1,5 l auf 100 km sehr niedrig, die Reichweite (ohne Nachtanken oder Laden) beträgt über 1.000 km. Es wird also bei dieser hybriden im Unterschied zur bloßen Elektromobilität keine neue Ladeinfrastruktur benötigt. Zudem entfallen die bei E-Autos ansonsten notwendigen großen und schweren Batterieblöcke – und damit auch die hohe Umweltbelastung, die mit der Produktion dieser Blöcke zwangsläufig verbunden ist. 

Der »Zero Vibration«-Generator 

Weil der 45 kW starke und nur 110 kg leichte »Champagner-Motor« lediglich dazu dient, die Pufferbatterie des Wagens bei Bedarf zu laden und, wenn nötig, die Klimaanlage mit Strom zu versorgen, muss er nicht hochdrehen wie ein konventioneller Automotor, sondern läuft, sofern überhaupt, stets im optimalen Drehzahlbereich. Das Konstruktionsprinzip des Motors ist bewusst einfach: Technisch handelt es sich um einen Saugmotor mit Mehrkanaleinspritzung mit 1 l Hubraum. Die bei Antriebsmotoren übliche variable Ventilsteuerung entfällt. 

Die beiden Kurbelwellen arbeiten gegenläufig, so dass sich jedwede Vibration eliminiert. Ein gummigedämpftes Getriebe auf der zweiten Kurbelwelle minimiert die vom Getriebe erzeugten Geräusche. Ein integriertes Schwungrad kompensiert alle Trägheiten der rotierenden Teile, und zwar auch der externen Kräfte außerhalb des Motors einschließlich des Ölsystems mit der Ölpumpe. Dadurch und durch eine vollständige Kapselung in einer Schalldämmungsbox etwa von der Größe eines Schuhkartons arbeitet der Motor praktisch geräuschlos und vibrationsfrei. 

Die Pufferbatterie – klein und relativ leicht

Neben dem »Champagner-Motor« stellt die Pufferbatterie ein zweites Herzstück des Hyperhybrid-Konzepts dar. Das kompakte Batteriepaket besteht aus zwei Schichten übereinander angeordneter Rundzellen in einem Vakuum, das mit einer in der Batterie integrierten Pumpe aufrechterhalten wird. Eine 2 cm dicke Isolierschicht sorgt für stets günstige Temperaturverhältnisse. Die gesamte Minibatterie wiegt lediglich 98 kg, rund 85 Prozent weniger als der Batterieblock etwa in einem Tesla Model Y. Dennoch verschafft sie dem »HyperHybrid« mit 17,3 kWh eine rein elektrische Reichweite von über 80 km, genug für 90 Prozent aller Fahrten im Alltag.

Alternative zur batterieelektrischen E-Mobilität

Die Obrist Group bezeichnet ihr Konzept als serienreif und stuft es als eine Alternative zur rein batterieelektrischen E-Mobilität ein. Der im Wagen verbaute »Champagner-Motor« erzeugt zwar, wenn er mit Benzin betrieben wird, Kohlendioxid (CO2) – aber angesichts des geringen Verbrauchs sehr wenig. 

CO2-negativ und klimapostiv

Im Gegenzug entfällt der sogenannte »CO2-Rucksack« herkömmlicher E-Autos durch die CO2-Belastung der Atmosphäre bei der Herstellung der großen Batterieblöcke beim »HyperHybrid« beinahe vollständig. Wird der »Champagner-Motor« mit nachhaltig erzeugten E-Fuels betrieben, kehrt sich die CO2-Bilanz sogar um: Bei der Produktion des synthetischen Kraftstoffs kann der Atmosphäre mehr Kohlendioxid entzogen werden als bei der späteren Verbrennung im Minimotor freigesetzt wird. Die Obrist Group spricht von einem »CO2-negativen« bzw. »klima-positiven« Ansatz. 

Das »HyperHybrid«-Konzept hat nach Ansicht der Entwicklungsschmiede gute Aussichten auf einen Einsatz in Europa, sofern das für 2035 geplante Zulassungsverbot für Kraftfahrzeuge mit Verbrennungsmotor eine Ausnahme vorsieht für Wagen, die mit E- Fuels fahren. 

In Deutschland ist der Anteil der an E-Autos Interessierten in den letzten zwei Jahren von 34 auf 29 Prozent zurückgegangen, hat eine aktuelle Umfrage von McKinsey ergeben. Demnach bereut knapp ein Viertel aller E-Auto-Fahrer den Umstieg auf Elektromobilität. 

Ein kritischer Faktor ist offenbar die E-Infrastruktur: Nur sieben Prozent halten das bestehende Ladenetz für ausreichend – ein Hemmnis, das mit dem »HyperHybrid« auf einen Schlag keine Rolle mehr spielen würde. Losgelöst davon bleibt das Obrist-Konzept für den Rest der Welt interessant: Nur ein gutes Fünftel aller Fahrzeuge rund um den Globus fährt auf europäischen Straßen.


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