Kommentar

Durch die rosarote Brille

30. August 2018, 12:08 Uhr |
Ingo Kuss, Chefredakteur Markt&Technik.
© Markt & Technik

Alles im grünen Bereich bei Energiewende und Elektromobilität – so optimistisch bringt die KfW-Bankengruppe die Ergbenisse einer großen Umfrage auf den Punkt. Ein genauerer Blick auf das Energiewendebarometer 2018 sorgt jedoch für Ernüchterung.

Diesen Artikel anhören

“Der Rückhalt der Bevölkerung für die Energiewende ist unvermindert hoch.“ So fasst Günther Bräuning, Vorstandsvorsitzender der KfW-Bankengruppe, das wichtigste Ergebnis des „Energiewendebarometer 2018“ zusammen. Bei dieser repräsentativen Umfrage wurden rund 4000 Haushalte zum Thema Energiewende befragt – mit aufschlussreichen Erkenntnissen. Dass etwa satte 90 Prozent der Deutschen hinter der Energiewende stehen, sie also für wichtig oder sehr wichtig halten, hätte ich, ehrlich gesagt, nicht erwartet. Auch eine Steigerungsrate von 800 Prozent bei der Anschaffung von Elektroautos klingt erst mal beeindruckend. Für die KfW waren diese Zahlen jedenfalls Anlass genug, die Umfrage euphorisch mit der Schlagzeile „Energiewende kommt in der Breite an – Dynamik im Bereich Elektromobilität“ vorzustellen.

Bei einem genaueren Blick auf die einzelnen Ergebnisse des Energiewendebarometers stellt sich jedoch schnell Ernüchterung ein. Die KfW fragte nämlich nicht nur nach der grundsätzlichen Bewertung der Energiewende, sondern auch, wer dafür den größten Beitrag leisten solle. Und da schnurrt der angeblich so große Rückhalt in der Bevölkerung doch deutlich zusammen: Gerade einmal rund ein Drittel der Befragten sieht sich selbst in der Verantwortung. Die große Mehrheit verweist dagegen auf Politik und Industrie. Heißt im Klartext: Die Energiewende ist toll – solange sich andere darum kümmern. 

Auch die herausgestellte Dynamik bei der relativen Entwicklung der Elektromobilität verliert schnell ihren Zauber, wenn man die absoluten Zahlen heranzieht. Gerade einmal knapp zwei Prozent der befragten Haushalte besitzen bereits ein Elektroauto, 16 Prozent planen eine Anschaffung. Das ergibt zwar eine satte Steigerungsrate, heißt aber immer noch, dass für über 80 Prozent der Bevölkerung Elektromobilität aktuell kein Thema ist. 

Angesicht der enormen technischen und strukturellen Umwälzungen, die sowohl die Energiewende als auch der Umstieg zur Elektromobilität notwendig machen, ist eine solche abwartende Haltung der meisten Befragten sehr verständlich. Wer mehr Euphorie erwartet, muss in beiden Fällen konkrete und bezahlbare Lösungen anbieten. Bei der Auswertung einer Studie einfach die rosarote Brille aufzusetzen und den Eindruck zu erwecken, der große Durchbruch sei bereits gelungen, ist da eher kontraproduktiv.


Lesen Sie mehr zum Thema


Jetzt kostenfreie Newsletter bestellen!

Weitere Artikel zu Componeers GmbH

Weitere Artikel zu E-Mobility und Infrastruktur