Die Tücken des GPS

Trägheitsnavigation optimiert GNSS-Ortungssysteme

26. Mai 2023, 11:59 Uhr | Autoren: Chris Goodall und Ronald Ramsaran, Redaktion: Irina Hübner
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Ortungstechnologie hält in immer mehr Anwendungen Einzug, darunter IoT und autonome Plattformen. Doch globale Navigationssatellitensysteme reichen nicht aus. Sie erreichen nicht die Echtzeitanforderung und auch nicht die Positionsgenauigkeit, die für Telematik und autonomes Fahren nötig sind.

Beim reinen GNSS-Ortungssystem (Global Navigation Satellite System) gibt es eine Vielzahl an Fallstricken:

  • Ein GNSS-Empfänger kann die Position des Nutzers/Geräts in Bereichen, in denen es keine direkte Sichtverbindung zu vier oder mehr Satelliten gibt, nicht genau bestimmen.
  • In überdachten Bereichen wie Tunneln und Parkhäusern ist GNSS nicht verfügbar.
  • In dichten städtischen Umgebungen werden GNSS-Signale von Gebäuden reflektiert und verdecken so die Position des Nutzers.
  • Im Baugewerbe, in der Landwirtschaft und im Bergbau ist das Satellitensignal oft unzureichend.
  • Es fehlt die Präzision und Genauigkeit, die für mobile Roboter und Zustellungssysteme auf dem letzten Kilometer erforderlich ist.

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Unnötige Unfälle wegen ungenauer Positionsbestimmung

Die National Highway Traffic Safety Administration (NHTSA), die zivile US-Bundesbehörde für Straßen- und Fahrzeug­sicherheit, schätzt, dass GNSS-Systeme jedes Jahr für mehr als 200.000 Verkehrsunfälle verantwortlich sind. Häufige Ursachen für Unfälle sind unter anderem fehlerhafte Navigationskarten, falsche Standorte, ungenaue Richtungsangaben und abgelenktes Fahren. Auch bei der Notfallrettung muss der Ort stimmen.

Bei der Koordination von Einsatzfahrzeugen können ungenaue Standortangaben für Krankenwagen, Feuerwehr oder Polizei lebensgefährlich sein. Die exakte Positionsbestimmung im Baugewerbe rettet zwar in erster Linie keine Leben, ist aber dennoch von großer Bedeutung: In dieser Branche können ungenaue Richtungsangaben beispielweise dazu führen, dass Maschinen von der Route abkommen. Frustrierende Nacharbeiten sind die Folge.

Inertialgestützte Positionsbestimmungmit GNSS und MEMS

Ein reines GNSS-Ortungssystem reicht also nicht aus. Die Lösung für eine verbesserte Fahrzeugpositionierung liegt im zusätzlichen Einsatz von MEMS-Inertialsensoren. Mikroelektromechanische Systeme (MEMS) haben eine geringe Baugröße und sind günstig in der Herstellung. Dem Namen entsprechend handelt es sich bei einem MEMS um eine Kombination von Mechanik und Elektronik auf engstem Raum. Darüber hinaus bieten MEMS höchste Zuverlässigkeit und finden so vermehrt Anwendung in der Automobilindustrie. So werden MEMS-Inertialsensoren für aktive und passive Sicherheitssysteme wie Fahrdynamik­regelung, aber auch Navigationssysteme eingesetzt.

Am einfachsten lässt sich die Funktion eines MEMS-Sensors am Beispiel eines Beschleunigungsmessers aufzeigen. Ein Beschleunigungsmesser besitzt eine kammähnliche Mikrostruktur-Oberfläche, die mit den in der Halbleiterei gängigen Verfahren auf einer Siliziumstruktur hergestellt werden.

In der Mitte befindet sich eine beweglich gelagerte Masse, die mit federnden Elementen in der Mittelstellung gehalten wird. Das obere und das untere Element sind dabei fest mit dem Sensorgehäuse verbunden. Die ineinandergreifenden Zähne dieser Kämme bilden Kondensatoren, die aufgrund ihrer Größe und dem momentanen Abstand eine bestimmte messbare Kapazität aufweisen.

Je nach Beschleunigung oder Verzögerung wirkt eine Kraft auf den Beschleunigungsmesser, der die bewegliche Kammstruktur im Inneren seitlich auslenkt. Dadurch verändert sich die relative Position der Kammzähne zueinander. Das hat zu Folge, dass sich auch der Abstand der Kondensator­flächen und somit der Kapazitätswert ändert. Über die Änderung der Kapazitäten kann dann Rückschluss auf die Kraft und damit auf die Beschleunigung gezogen werden.

Da MEMS-Sensoren kostengünstig in der Herstellung sind und eine besonders genaue Positionsbestimmung ermöglichen, werden sie bevorzugt für Navigationssysteme eingesetzt. Sie ermöglichen eine genaue Standortbestimmung und das in den schwierigsten Umgebungen, beispielsweise bei schlechtem Satellitenempfang, überdachten Gebäuden oder im Großstadtdschungel. Physikalische Größen richtig messen und sie in elektronischer Form weiterleiten – das war schon immer eine besondere Herausforderung. Die MEMS-Technik ermöglicht präzise, robuste und langlebige Aktoren und Sensoren. Ein weiterer Vorteil ist die Bauteilgröße, die dank Nanostrukturen und industrieller Massenfertigung immer kleiner, leistungsfähiger und kostengünstiger wird. Die MEMS-Sparte ist nicht ohne Grund weiterhin auf Wachstumskurs.

Mit TRACK kann die Systemhardware einschließlich Architektur, Prozessor, Betriebssystem, GNSS und sensoren individuell gewählt werden.
Bild 1. Mit TRACK kann die Systemhardware einschließlich Architektur, Prozessor, Betriebssystem, GNSS und sensoren individuell gewählt werden.
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Trägheitsnavigationslösungen aus Kanada

TDK hat in Zusammenarbeit mit Trusted Positioning, einem Unternehmen der TDK-Gruppe mit Sitz in Kanada, das sich auf die Entwicklung und den Vertrieb von Positionsbestimmungssoftware spezialisiert hat, ein auf diesem Prinzip beruhendes Navigationssystem entwickelt (Bild 1). Das System mit Namen TRACK besteht aus einem Inertial-Core mit Beschleunigungsmessern und Gyroskopen. Es verfolgt kontinuierlich die relative Bewegung des Fahrzeugs und nutzt GNSS-Informationen als absolute Updates, wenn sie verfügbar sind.

In Tunneln, Parkhäusern oder anderen Bereichen, in denen das Satellitensignal unzuverlässig ist, oder zum Beispiel in Innenstädten, filtert der Inertial-Core fehlerhafte Daten heraus und liefert zuverlässige Positionsangaben – auch ohne GNSS. Die Kalibrierung und Fehlausrichtung des Fahrzeugs erfolgt automatisch durch typische Fahrbewegungen, ohne dass Werkskalibrierungen erforderlich sind.

Die TRACK-Positionsbestimmungssoftware liefert genaue Fahrzeugpositionen – auch unter sehr schwierigen Bedingungen.
Bild 2. Die TRACK-Positionsbestimmungssoftware liefert genaue Fahrzeugpositionen – auch unter sehr schwierigen Bedingungen.
© Trusted Positioning

GNSS- und Bewegungssensoren (Inertial Measurement Unit, IMU) liefern die erforder­lichen Eingaben, damit TRACK funktioniert. Optionale Eingaben, beispielsweise Fahrzeuggeschwindigkeit, Drucksensoren und Karten, können die Ge­nauigkeit der Lösung ver­bessern. TRACK liefert stets kontinuierliche 3D-Positionen, 3D-Ge­schwindigkeiten, Neigung/Kurs und Fahrdy­namik (Bild 2). Zu den Haupteinsatzgebieten dieser Technologie gehört die Automobilindus­trie. Flottenverfolgung, Navigations­geräte, Telematik, Fahrzeug-AR/VR sind nur einige zu nennende Anwendungsbeispiele.

Trusted Positioning entwickelt seit Jahrzehnten inte­grierte Positionsbestimmungslösungen, die bereits in mehr als 50 Millionen Systemen weltweit eingesetzt werden. Das Innovations­team des Unternehmens setzt sich aus Experten für Trägheitsnavigation, dynamische Bewegungsmechanik, geoma­gnetische Positionsbestimmung, GNSS, BLE, WLAN und andere drahtlose Positionsbestimmungstechniken zusammen. Die Trägheitsnavigationslösungen von Trusted Positioning erlauben eine hochpräzise Positionsbestimmung für Märkte wie autonomen Fahrzeuge, Automobil-Infotainment/Tele­matik, Robotik, zweirädrige Mikromobilität und Indoor-Positionierung.

 

 

 

Die Autoren

Chris Goodall, Trusted Positioning
Chris Goodall, Trusted Positioning
© Trusted Positioning

Chris Goodall
ist Präsident und Direktor bei Trusted Positioning, einem Unternehmen der TDK Group.  Er ist einer der Mitgründer von Trusted Positioning. Goodall studierte Geomatic Engineering an der University of Calgary und Systems Design Engineering an der University of Waterloo.

 

 

Ronald Ramsaran, Trusted Positioning
Ronald Ramsaran, Trusted Positioning
© Trusted Positioning

Ronald Ramsaran
ist seit 2022 Director of Field Applications bei Trusted Positio­ning. Zuvor war er unter anderem für CHC Navigation und Hemisphere GPS tätig. Ramsaran ist bereits seit vielen Jahren auf das Thema GNSS spezialisiert.


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