In Turin, der italienischen Autostadt, wird an (auto)mobilen Innovationen getüftelt. Ein Beispiel ist die Kooperation der ortsansässigen Unternehmen Teoresi und XEV. Deren ambitioniertes Ziel: aus dem Elektro-Gefährt Yoyo von XEV ein selbstfahrendes Stadtauto zu machen.
Der 2018 gegründete Turiner Automobilhersteller XEV hat den vollelektrischen Yoyo speziell für die Stadt entwickelt. Der kompakte Kleinstwagen erreicht eine Geschwindigkeit von 80 km/h und eine Reichweite von bis zu 150 km. Zudem zeichnet sich der 2021 auch in Deutschland vorgestellte Zweisitzer durch eine technische Innovation aus: Mit seinem Batteriewechselsystem, dem sogenannten Battery-Swapping, lässt sich ein leerer Akku innerhalb weniger Minuten durch einen geladenen ersetzen. Nicht zuletzt deshalb ist der Yoyo auch Teil der Flotte des Carsharing-Anbieters Wheego.
Für Teoresi – eine internationale Dienstleistungsgruppe, tätig im Bereich Engineering – stellt der Yoyo die ideale Basis dar, um einen Vorreiter zukunftsfähiger urbaner Mobilität zu entwickeln. Zum einen hat sich der kleine Flitzer bislang im städtischen Umfeld bewährt, denn er ist bereits in mehreren Ländern unterwegs – rund um den Globus wurden schon mehr als 10.000 Exemplare des Yoyo verkauft.
Zum anderen ist es das städtische Element, aus dem sich für die Entwickler eine besonders interessante Aufgabe ergibt, wie Marco Bazzani, Innovationsmanager der Teoresi-Gruppe, erläutert: »Das urbane Umfeld stellt für autonome Fahrzeuge eine umfassende Herausforderung dar. Eine Stadt ist immer in Bewegung, überall stößt man auf Hindernisse oder unvorhergesehene Situationen, die bislang von Autofahrern und -fahrerinnen gemeistert wurden. Um ein Auto zu schaffen, das sich hier ohne menschliches Zutun sicher bewegt, bedarf es des optimalen Zusammenspiels von kreativem Engineering und innovativer Technologien.«
Ins Leben gerufen wurde das Projekt im Frühjahr 2019. Damals kam bei Teoresi die Idee auf, die jahrzehntelange Automotive-Expertise für Anwendungen beim autonomen Fahren zu nutzen. Dazu wurde ein Team gebildet, das verschiedene Kompetenzen sowie bestehende technologische Ansätze zusammenführte – mit dem Ziel, ein neues, ganzheitliches Mobilitätssystem für den urbanen Raum entstehen zu lassen.
Was zu diesem Zeitpunkt noch fehlte, war der passende Partner. Nachdem dieser mit dem Yoyo-Produzenten XEV gefunden war, konnte der Startschuss für das Projekt gegeben werden.
Der entsprechende Projektplan baute auf drei großen Etappen auf: Auf die Simulator-Phase folgte in einem zweiten Schritt die Set-up-Phase des Prototyps, in der dieser mit der entsprechenden Technik ausgestattet wurde. Am Ende stand die Use-Case-Phase, in der der autonome XEV getestet wurde.
Dabei ging man während des Gesamtzeitraums von fast drei Jahren behutsam und sukzessive vor. So wurde in der Simulator-Phase zunächst einmal die Tool-Chain entwickelt. Dieser Schritt beinhaltete die Entwicklung des Perzeptions- beziehungsweise des Navigationssystems, die beide der Simulation städtischer Szenarien dienen. Ebenfalls in die Entwicklung des Simulators mit ein flossen 3D-Scans des für den Prototyp verwendeten XEV Yoyo sowie zahlreiche Erkenntnisse aus der aktuellen Fachliteratur. Zu Letzterem gehörten beispielsweise Studien zu verfügbaren Frameworks für autonomes Fahren. Hier fiel die Wahl auf »Apollo« von Baidu. Diese wurde zusammen mit der SVL Simulator Platform verwendet, um so 3D-Szenarien umzusetzen.
Als Nächstes arbeiteten die Teoresi-Ingenieure eine durchgehende Methodologie für den weiteren Entwicklungsprozess aus. Hierbei entschieden sie sich unter anderem für die Nutzung von Open Street Maps, Google Maps sowie von Fotos, die in 3D reproduziert wurden.
Ebenfalls im Kontext der Simulation hat Teoresi an seinem Standort im süditalienischen Neapel eine virtuelle Umgebung zur realistischen Nachbildung von Fahrzeugdynamik und Kontrollstrategien des digitalen Zwillings des Yoyo eingerichtet. Dieser Schritt bildete den Übergang von der Simulator-Phase hin zur Set-up-Phase, die wiederum am Hauptsitz von Teoresi in Turin eingeleitet wurde.
Der Yoyo wurde damit von der virtuellen Entwicklungsumgebung in die reale Welt gehoben, aus dem simulierten Projekt wurde nun ein Prototyp. Ein zentrales Augenmerk lag dabei auf der Ausstattung mit den entsprechenden Sensorikkomponenten. Hierzu definierten die Ingenieure einen ausgewogenen Mix aus Lidar-Sensoren, Kameras, Ultraschall und Radar, mit dem die Straßensicherheit des autonomen Stadtwagens gewährleistet wird.
Sicherheit und alle anderen Eigenschaften des autonomen Yoyo wurden dann ab Ende 2021 getestet – mit dem Härtetest als Höhepunkt der Use-Case-Phase im Frühjahr 2022. Dieser erfolgte auf dem Firmengelände von Teoresi in Turin und verlief, inklusive Fußgängererkennung, erfolgreich. Im Herbst 2022 schließlich wurde der autonome Yoyo auf dem Pariser Autosalon vorgestellt.
Aus Sicht von Marco Bazzani ist der Prototyp des XEV Yoyo in seiner jetzigen Form ein erster Schritt hin zu einem nachhaltigen urbanen Mobilitätskonzept, auf den zeitnah weitere folgen sollen: »Wir wollen mit unseren Lösungen zu einem ganzheitlichen Ökosystem verantwortungsvoller intelligenter Mobilität beitragen. Das autonome Fahren ist dabei nur ein Element; in einem nächsten Schritt wird Konnektivität ein Schwerpunkt sein. Hier arbeiten wir daran, dass E-City-Autos autonom zur nächsten Batteriewechselstation fahren und dann – ebenfalls autonom – ihre Fahrgäste abholen können. Übergeordnetes Ziel unserer Kooperation mit XEV ist es, eine sichere und umweltfreundliche ›Connected & Shared Mobility‹ in Städten zu inspirieren.«