In großen Kreuzfahrtschiffen arbeiten heute mehrere Dieselgeneratoren, die elektrische Energie erzeugen. Diese Energie treibt die Schiffsmotoren an. Die dieselelektrischen Antriebe haben sich allerdings auf breiter Front noch nicht durchgesetzt – die Schiffsbranche ist konservativ. Heute fahren die meisten großen Schiffe – vor allem Containerschiffe – mit Dieselmotoren, die die Wellen direkt antreiben, an deren Enden die Schiffspropeller am Heck sich drehen. Nur 2 Prozent der weltweiten Schiffsflotte ist derzeit mit einem elektrischen Antrieb ausgestattet. Allerdings wächst die Zahl der Schiffe mit elektrischem Antrieb schnell, laut Clarkson’s Research legte sie über die vergangene Dekade mit 12 Prozent pro Jahr zu. »Rund 11 Prozent der eingehenden Aufträge sind Aufträge für elektrische Antriebe«, sagt Heikki Soljama, Managing Director der Geschäftseinheit Marine and Ports von ABB. Analysten gehen davon aus, dass bis 2020 zwischen 7 und 11 Prozent der weltweiten Flotte mit elektrischen Antrieben ausgestattet sein werden, bis 2030 sollen es rund 30 Prozent sein. »Das sind riesige Wachstumsraten«, freut sich Heikki Soljama.
Der Grund dafür: Die elektrischen Antriebe öffnen große Freiheitsgrade. In einem Kreuzfahrtschiff wie etwa der Costa Luminosa, die auf 2.800 Passagiere plus eine Crew von über 1.200 Mitarbeitern ausgelegt ist, arbeiten sechs Dieselgeneratoren, drei große und drei kleinere. Liegt das Schiff im Hafen, und die Passagiere sind größtenteils auf Landgang, dann reicht es aus, wenn nur einer der kleinen Generatoren läuft. Wenn das Schiff unter ungünstigen Wetterverhältnissen unterwegs ist, müssen auch mal alle sechs Turbinen arbeiten. Welche Kombination die jeweils günstigste ist, das ermittelt EMMA, ein Energie-Management-System, das ABB speziell für den Einsatz in Schiffen entwickelt hat. »Allein damit lassen sich die Betriebskosten schon deutlich senken«, so Mikko Lepistö, Vice President Vessel Information and Control von ABB Marine and Ports.
EMMA berechnet beispielsweise aus den Daten der vielen Sensoren auf dem Schiff, auf welcher Route das Schiff bei stürmischem Wetter mit hohen Wellen am wenigsten Treibstoff verbraucht. Außerdem visualisiert EMMA den Energiefluss durch das gesamte Schiff – vom Dieselgenerator bis zur einzelnen Kabine. Auf einen Blick und auf einem Bildschirm. Die Zeiten, zu denen jedes Subsystem getrennt betrachtet wurde und es kaum möglich war, ihre Interaktionen einzubeziehen, sind damit vorbei. Außerdem können auch die Zentralen an Land auf die Ergebnisse von EMMA zugreifen, so dass die Reeder ihre Flotten insgesamt energieeffizient steuern können und ständig über den aktuellen Stand informiert sind.
OCTOPUS, eine weitere Optimierungssoftware, ergänzt EMMA. Entwickelt hat das System die Firma Amarcon, die ABB 2012 übernommen hat. Octopus erkennt die aktuelle Lage des Schiffes im Wasser, verfolgt die Bewegungen des Schiffes und gibt Vorschläge, wie das Schiff getrimmt werden muss und mit welcher Geschwindigkeit es fahren muss, um zu den gegebenen Wetterbedingungen mit einem möglichst niedrigem Treibstoffverbrauch pünktlich am Zielort anzukommen.
Der Kapitän kann das über eine einfach zu interpretierende visuelle Darstellung sofort erkennen und entsprechend reagieren. Auf dem Top-Level zeigt die Software von ABB neun KPIs (Key Performance Indicators), die auf dem Bildschirm auf der Brücke des Schiffes ähnlich aussehen wie das Armaturenbrett im Auto. So lässt sich auf einen Blick beispielsweise der gesamte Energiefluss erfassen. Farblich codiert ist zu erkennen, wo alles im grünen Bereich liegt und wo Handlungsbedarf besteht. Bordtechniker, die tiefer in die Details hinabsteigen wollen, können das einfach tun und bekommen dann die für sie relevanten Werte angezeigt. Auch Reeder und ABB selber können – je nach Vereinbarung mit den Kunden – die Daten zu eigenen Analysen verwenden.