M2M-Kommunikation - unter diesem Begriff wird inzwischen alles Mögliche subsummiert. Joachim Dressler, Vice President – EMEA Sales M2M Embedded Solutions bei Sierra Wireless, schafft begriffliche Klarheit und skizziert die Bedeutung der M2M-Kommunikation für das Internet of Things und Industrie 4.0.
Markt&Technik: Was verstehen Sie unter M2M-Kommunikation?
Joachim Dressler: Der Begriff M2M-Kommunikation steht für alle Fälle, in denen Maschinen mit Maschinen kommunizieren. »Maschine« ist hier tatsächlich im Sinne des englischen Wortes »machine« gemeint, umfasst also viel mehr als Maschinen in der industriellen Produktion. Ob eine Druckmaschine, ein Kaffeeautomat oder ein Smart Meter beteiligt ist, spielt letztlich keine Rolle. M2M-Kommunikation ist somit nicht unbedingt industrielle Kommunikation, auch wenn viele nicht-industrielle Anwendungen industrietaugliche Kommunikationstechnik erfordern.
M2M-Kommunikation bedarf oft einer Kombination verschiedener Kommunikationswege, wobei es unerheblich ist, ob drahtgebunden oder drahtlos. ISDN und ADSL gehören somit genauso dazu wie Mobilfunk oder – auf lokaler Ebene – Bluetooth, ZigBee, WLAN oder DECT. Auch Powerline-Kommunikation in der Stromerzeugung und -verteilung ist M2M-Kommunikation. Als Schlüsseltechnologie ist aber schon der Mobilfunk zu sehen.
Unterschieden wird bei der M2M-Kommunikation also weniger zwischen drahtgebunden und drahtlos oder zwischen industriell und nicht-industriell, sondern vielmehr zwischen stationär und mobil. Allerdings besteht in der Fachdiskussion mittlerweile eine eindeutige Assoziation von M2M-Kommunikation mit Wireless. Ob dies immer sinnvoll ist, sei dahingestellt.
Wie viel Prozent der Anwendungen, die Sie unter dem Begriff M2M-Kommunikation zusammenfassen, sind industrielle Anwendungen?
Insgesamt umfasst der Weltmarkt für M2M-Kommunikationstechnik laut der Marktforschungsgesellschaft Gartner derzeit etwa 50 Milliarden US-Dollar pro Jahr. Hiervon betreffen schätzungsweise 70 bis 80 Prozent industrielle oder quasi-industrielle Anwendungen: Wenn man die Kategorien Automotive, Mobile Consumer und Sales & Payment aus der Statistik herausnimmt, kommt man etwa auf diesen Wert. »Industrielle Applikationen« ist dabei eher von den Anforderungen an die Kommunikationstechnik her zu denken als von deren Einsatzort her. In Automobilen oder Lastwagen herrschen noch höhere Anforderungen als in der Industrie. Die Bereiche E-Health, Stromerzeugung und -verteilung sowie Smart Meters sind gemessen an den Anforderungen quasi Industrie. Sie sehen also: Die meisten Anwendungen, die heutzutage üblich sind, lassen sich im weitesten Sinne der Industrie zuschlagen, obwohl es sich dabei nicht immer um »echte« Industrie-Applikationen handelt.
Generell ist das Thema M2M-Kommunikation ein Selbstläufer: Die Marktforscher erwarten für die kommenden Jahre hohe Wachstumsraten. Auffällig ist, dass die Einzelprojekte immer größer werden - bei Ausschreibungen in der Autoindustrie oder im Energiesektor geht es inzwischen um Millionenstückzahlen.
Gehören die Industrial-Ethernet- und die klassische Feldbus-Kommunikation nicht auch zur M2M-Kommunikation?
Man könnte sie durchaus dazu zählen, aber in der Praxis tut dies niemand. Der M2M-Begriff, wie er allgemein verstanden wird, umfasst die Feldbus- und Industrial-Ethernet-Kommunikation nicht. Das Problem liegt hier darin, dass die Umsetzung der Protokolle wegen der herrschenden Protokollvielfalt ein komplexes Unterfangen ist und somit als Hemmschuh wirkt, wenn es darum geht, die so definierte M2M-Kommunikation auf die Feldebene zu bringen.
Worin liegen in der Industrie die Unterschiede zwischen M2M-Kommunikation einerseits und Fernwartung/Fernwirken andererseits?
In der Industrie ist die Übertragung von Daten und Steuerbefehlen in Echtzeit gefordert. Klassische echtzeitfähige Techniken für Fernwartung und Fernwirken ermöglichen aber nur ein sehr beschränktes Datenvolumen. Mit neuen M2M-Techniken wie etwa 4G-Mobilfunk lassen sich Videodaten und Grafikdaten für die Visualisierung schneller und in höherer Qualität übertragen. Sie erreichen eine höhere Bandbreite und Übertragungsqualität, verursachen kürzere Latenzzeiten und erlauben eine bessere Steuerung. M2M-Kommunikation in der Industrie ist also mehr als Fernwirken und Fernwartung; man könnte sie auch als »Remote Management« bezeichnen.
Welche Rolle spielt die M2M-Kommunikation in der Industrie 4.0?
Im Zuge der Entwicklung hin zur Industrie 4.0 wird sich die drahtlose M2M-Kommunikation zwangsläufig stärker in der Industrie etablieren. Sich selbst organisierende Produktionssysteme, wie sie ja im Zentrum der Industrie-4.0-Diskussion stehen, beruhen an verschiedenen Stellen auf Wireless-Kommunikation. Wenn beispielsweise ein Produkt der Maschine mitteilt, wie sie es weiterverarbeiten soll, wird dies vorzugsweise drahtlos geschehen.
In welchem Verhältnis steht die M2M-Kommunikation zum Internet of Things?
Ein Internet of Things besteht aus mehreren unterschiedlichen Teilnehmern, die zielgerichtet miteinander kommunizieren. Während M2M-Kommunikation für die Basistechnologie zur Erfassung und Übertragung der Daten steht, geht es beim Begriff Internet of Things eher um die Verarbeitung und Systematisierung der Daten. Die M2M-Module unserer Serie »AirPrime Smart« bieten sich dafür an: Sie holen die Daten ab und verarbeiten sie, verpassen ihnen also Intelligenz und übergeben sie dann an unseren »AirVantage«-Cloud-Service.
Welche Rolle spielt die Cloud bei der M2M-Kommunikation?
Wer in Richtung Internet of Things geht, braucht die Cloud. Je mehr M2M-Kommunikation stattfindet, sprich: je feiner die Daten erfasst werden und je mehr Erfassungsstellen vorhanden sind, desto mehr Daten sind zu verarbeiten und zu systematisieren. Genau dafür eignet sich die Cloud. Der Kunde kann die Daten dann in ERP-Systemen bereitgestellt bekommen und daraus Business-Analysen generieren. Via Cloud lassen sich auch beliebig viele Geschäftspartner verbinden, wobei die Daten dann über die Cloud geroutet werden.
In der Industrie 4.0 wird man wohl nicht umhin können, die Intelligenz teilweise in die Cloud zu legen. Alle Kommunikationswege-Verbindungen zu unterhalten, wird in der Industrie 4.0 nicht wirtschaftlich sein.
Wie lässt sich dann angesichts von Stuxnet und Duqu sowie Prism und Tempora die Datensicherheit, also die Security, gewährleisten?
Für viele Anwendungen reicht eine Private Cloud aus, so dass der Betreiber die Datensicherheit selbst unter Kontrolle behalten kann. Auch in der Cloud ist ja VPN-Tunneling oder Verschlüsselung möglich. Unsere M2M-Module stellen übrigens Verschlüsselungs-Algorithmen bereit.
Entscheidend ist es, Security-Technik auf dem aktuellen Stand zu implementieren und stets aktuell zu halten. Darum muss sich der Systembetreiber kümmern. Dies kostet zwar Zeit, Geld und Energie, aber es lohnt sich und ist ein Muss.