Interview zu Industrie 4.0

»Durchgängigkeit ist der entscheidende Faktor«

6. Dezember 2013, 11:58 Uhr | Andreas Knoll

Industrie 4.0 hat sich zu dem Trendthema schlechthin entwickelt - aber noch gibt es viele Fragen und nur wenige eindeutige Antworten. Stefan Schönegger, Marketing Manager von B&R, versucht, etwas Klarheit zu schaffen, und skizziert die Bedeutung des Themas aus Sicht der Automatisierungstechnik.

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Stefan Schönegger, B&R
Stefan Schönegger, B&R: »Industrie 4.0 ist ein Innovationsprozess, der kundenspezifische Produktion in Losgröße 1 auch bei hohen Stückzahlen ermöglichen wird.«
© B&R

Markt&Technik: Was verstehen Sie unter dem Begriff Industrie 4.0?

Stefan Schönegger: Das Thema Industrie 4.0 wurde von Vertretern der deutschen IT-Branche ins Gespräch gebracht und von der Bundesregierung aufgegriffen. Es handelt sich dabei um einen Innovationsprozess, der kundenspezifische Produktion in Losgröße 1 auch bei hohen Stückzahlen ermöglicht. Das Ziel ist also, die Kunden genau dort abzuholen, wo sie stehen, und ihnen möglichst viele Chancen zur Unterscheidung von ihren Wettbewerbern zu eröffnen. Nahtlose Durchgängigkeit auf der Hard- und Software-Seite ist eine entscheidende Voraussetzung für Industrie 4.0. Die Produkte müssen so weit wie möglich skalierbar und modular sein; Losgröße 1 ist das Ziel. Disziplinen wie Engineering, Simulation, E-CAD und Qualitätssicherung sind zu integrieren; das Engineering ist zu standardisieren. Einmal entwickelte Software-Anwendungen müssen wiederverwendbar sein. Letztlich verschwinden die Grenzen zwischen den einzelnen Ebenen der Automatisierungs-Pyramide.

Welche Techniken sind für Produktion nach Industrie-4.0-Kriterien schon vorhanden, welche fehlen noch?

Was die technischen Grundlagen angeht, ist alles da, und Durchgängigkeit ist ebenfalls kein Fremdwort mehr. In modernen Anwendungen gibt es allerdings zahlreiche komplexe Schnittstellen, etwa zu Simulations-Tools, Matlab oder Eplan - hier muss sich die Komplexität noch mehr als bisher in den Tools verstecken, anstatt auf den Anwender abgewälzt zu werden. Die große Herausforderung bei Industrie 4.0 besteht also darin, bekannte Technologien anwenderfreundlich zu verbinden und in Kombination nutzbar zu machen.

Was verstehen Sie unter einem Cyber-Physical System (CPS)?

Der Begriff CPS stammt ursprünglich aus den USA und ist älter als der in Deutschland erfundene Terminus Industrie 4.0. CPS sind Embedded-Systeme mit zusätzlicher Mechanik bzw. Mechatronik. Während Embedded-Systeme Elektronik, Software und gegebenenfalls Webtechnik umfassen, integrieren CPS zusätzlich auch die Mechanik. Es handelt sich bei ihnen also um mechatronische Einheiten. Unsere Steuerungs- und I/O-Systeme aus der X20-Reihe stehen stellvertretend für zahlreiche weitere Beispiele eines CPS. Als klassische Steuerungen jedoch mit Webfunktionalität, Matlab- und Eplan-Integration sowie Motion und Robotik ausgestattet, bieten sie unzählige High-Tech-Funktionen.

Welche Rolle wird der Software-Schnittstellen-Standard OPC UA in der Industrie 4.0 spielen?

OPC UA wird sicherlich eine bedeutende Rolle spielen, besonders in der Kommunikation zwischen Steuerungen verschiedener Hersteller. Wir sehen hier eine Technologie, die ergänzt um Echtzeitsysteme wie Powerlink und openSafety das Potenzial hat, die Automatisierungsarchitektur deutlich zu vereinfachen.

Welche Bedeutung wird die Cloud in der Industrie 4.0 haben?

In der Industrie 4.0 wird das Thema Cloud Computing eine zentrale Rolle einnehmen. Cloud bedeutet Virtualisierung von Rechenleistung und Speicherplätzen, egal an welchem Ort - sei es im Web oder auch im lokalen Netzwerk. Wer die Cloud auf das Firmennetzwerk beschränkt, hat von vornherein das Security-Thema im Griff.

Gibt es schon Produktionswerke, die man als Industrie 4.0 bezeichnen könnte?

Viele neuere Automobil-Werke sind aus meiner Sicht bereits heute sehr nahe an der Industrie-4.0-Idee. Auch die B&R-Fertigung am Stammsitz in Eggelsberg (Österreich) zeigt sehr viele Facetten der Vision von Industrie 4.0.

B&R hat sich also dem Trend zur Industrie 4.0 verschrieben?

Wir sehen die Diskussion rund um Industrie 4.0 sehr positiv, zumal sie den Einsatz modernster Automatisierungskonzepte in der breiten Produktionslandschaft forciert. Je dynamischer, variabler und flexibler die Maschinen und damit die Produktionsstätten sind, desto näher rückt die Idealvorstellung von Industrie 4.0.


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