Die Fertigungsindustrie steht vor vielerlei Herausforderungen – von der Bewältigung des Fachkräftemangels bis hin zur Notwendigkeit, Produktionsprozesse effizienter und flexibler zu gestalten. Kollaborierende Roboter (Cobots) spielen hier eine zunehmende Rolle, etwa bei der CNC-Maschinenbeschickung.
Auch im Jahr 2024 setzt sich in vielen Unternehmen der Trend zur Automatisierung ihrer Produktions- und anderen Prozesse fort. Die dadurch erzielte höhere Effizienz und geringere Fehleranfälligkeit wird in Zeiten des globalen Wettbewerbs immer wichtiger. Ein entscheidendes Puzzleteil in dieser Entwicklung spielen Cobots. Denn im Vergleich zu herkömmlichen Industrierobotern sind sie nicht nur kleiner und leichter, sondern auch intuitiver zu programmieren und einfacher zu installieren. Verhältnismäßig niedrige Investitionskosten führen zudem dazu, dass sie sich schnell amortisieren. Im Gegensatz zu großen Industrierobotern besteht außerdem die Möglichkeit, dass Mensch und Maschine nach einer erfolgreichen Risikobeurteilung direkt zusammenarbeiten können. Diese Faktoren eröffnen völlig neue Perspektiven für eine flexible und effiziente Gestaltung der Arbeitsprozesse in der Fertigungsindustrie.
Bis zu 8 Prozent aller in Unternehmen anfallenden Kosten betreffen Qualität und Gewährleistung. Die Qualitätssicherung innerhalb des Fertigungsprozesses ist daher ein entscheidender Faktor für die Wettbewerbsfähigkeit. Dabei geht es primär nicht um Geschwindigkeit, sondern um Präzision auf einem gleichbleibend hohen Niveau. Die präzise und konsistente Handhabung von Werkstücken durch Cobots wirkt sich deshalb unmittelbar auf die Qualität der gefertigten Teile aus. Mit der Fähigkeit zur konstanten Wiederholung tragen die Leichtbauroboter dazu bei, Fehler zu minimieren. Eingebaute Sensorsysteme, die Echtzeitdaten während des Bearbeitungsprozesses erfassen, machen zudem eine Reaktion auf mögliche Qualitätsprobleme frühzeitig möglich. Die kontinuierliche Arbeitsweise und die Fähigkeit, rund um die Uhr zu arbeiten, kann die Produktivität erheblich steigern, besonders in Betrieben mit Mehrschichtsystem und hohen Produktionsanforderungen.
Darüber hinaus ermöglichen Cobots, die Produktion zu flexibilisieren, weil sie sich leicht umprogrammieren und für verschiedene Aufgaben einsetzen lassen. Dies ist besonders in der CNC-Maschinenbeschickung von Vorteil, wo schnelle Umrüstungen und Anpassungen an verschiedene Fertigungsanforderungen notwendig sein können. Während früher gerade die Inbetriebnahme zeitaufwendig war, lassen sich etwa die Cobots des dänischen Herstellers Universal Robots (UR) heute innerhalb weniger Stunden im laufenden Betrieb integrieren. Programmierkenntnisse sind dank intuitiv zu bedienender Software mittlerweile nicht mehr erforderlich. Mit seinem Partnernetzwerk und gezielten Schulungen an verschiedenen Standorten stellt UR zudem sicher, dass Unternehmen jeder Größe und unabhängig von ihren Vorkenntnissen der Einsatz von Cobots gelingt.
Von den genannten Vorteilen profitiert seit einiger Zeit auch der österreichische Aluminiumbearbeiter Jenny | Waltle. Das Vorarlberger Unternehmen mit Sitz in Frastanz entwickelt und produziert seit 35 Jahren hochwertige Aluminium- und Kunststoffteile. Neben der grundsätzlichen Schwierigkeit, angesichts des Arbeitskräftemangels qualifiziertes Personal zu finden, bestand die Herausforderung vor allem darin, dass herkömmliche Industrieroboter für die CNC-Maschinenbestückung bei kleinen Losgrößen nicht flexibel genug waren. »Sobald es um kleine Losgrößen geht, ist die einfache Bedienung das, was wirklich zählt«, erläutert Sebastian Schuler, Konstrukteur bei Jenny | Waltle. »Nur so können wir ein System bei neuen Aufträgen schnell umrüsten.«
Im hauseigenen CNC-Maschinenpark fertigt der Zulieferer Losgrößen zwischen 500 und maximal 5000 Stück. Gemeinsam mit dem UR-Partner STB Steuerungstechnik Beck entwickelte Jenny | Waltle eine Bin-Picking-Applikation mit zwei UR-Cobots des Typs UR5. Der UR5 kann ein Maximalgewicht von 5 kg heben. Im Zweischichtbetrieb handhaben die Cobots täglich bis zu 2400 Aluminiumteile. Dafür ist einer der zwei UR5 mit einem 3D-Kamerasystem verknüpft. Die externe Kamera scannt zunächst die vorgesägten Aluminiumteile und generiert daraus einen 3D-Datensatz – die sogenannte Punktwolke. So erkennt der erste Cobot die komplexen Oberflächenstrukturen und die genaue Anordnung der Objekte. Ausgestattet mit einem Vakuumgreifer entnimmt er anschließend Teil für Teil aus dem Behälter. Eine zusätzliche Achse am Werkzeugflansch ermöglicht dem Cobot eine kollisionsfreie und exakte Werkstückaufnahme. Für möglichst hohe Präzision im Griff richtet er das Teil anschließend in einer Zwischenablage aus. Sitzt das Teil korrekt, legt der UR5 es in eine weitere Ablage. Hier übernimmt der zweite Cobot, der die Komponenten präzise im hydraulischen Spanner der CNC-Fräse platziert. Nach der Bearbeitung durch die Maschine greift er die Teile und legt sie in eine finale Ablage, von welcher der erste Cobot sie dann in eine leere Kiste fallen lässt.
Die UR5-Cobots lassen sich in unter einer Stunde für bis zu zwölf verschiedene Aluminiumteile umrüsten. »Seit wir die Cobots im Einsatz haben, hatten wir kein schlechtes Teil mehr«, sagt Daniel Waltle, einer der beiden Geschäftsführer von Jenny | Waltle. »So können wir unseren Kunden auch künftig Produkte in Spitzenqualität garantieren.« Neben einer Null-Fehler-Produktion hat der Zulieferer seinen Output im Anwendungsbereich innerhalb von zwölf Monaten um 11 Prozent gesteigert.
Weil die Endutec Maschinenbau Systemtechnik GmbH mit Sitz in Traunstein für den Bau ihrer Sondermaschinen auf zugekaufte Teile angewiesen war, entschied sich Geschäftsführer Andreas Flieher, eigene CNC-Maschinen anzuschaffen und die Werkstücke selbst zu produzieren. So ließ sich neben einer größeren Unabhängigkeit auch eine zuverlässig hohe Qualität gewährleisten. Um weiterhin wirtschaftlich rentabel arbeiten zu können, muss das Unternehmen über den eigenen Bedarf hinaus allerdings auch als Lohnfertiger tätig sein. Weil für einen Zweischichtbetrieb qualifiziertes Personal fehlte und Endutec dadurch vor dem Problem stand, seine Maschinen nicht auslasten zu können, entschied sich das Unternehmen für die Automatisierung mithilfe des UR-Cobots UR10e.
Dafür hat das Unternehmen eigens eine Beladestation entwickelt: Aus einem Regal entnimmt der UR10e die Werkstücke und legt sie dort nach dem Fräsen wieder ab. Auch unhandliche Bauteile sind so platziert, dass der Cobot sie bequem greifen und absetzen kann. Die Cobot-Beladestation ist platzsparend und flexibel. Bei Bedarf lässt sie sich mit dem Hubwagen versetzen und schnell an einer weiteren CNC-Maschine zur Bestückung einsetzen. Im Vorfeld verglich Endutec verschiedene Roboteranlagen und bezog seine Mitarbeiter von Beginn an in den Auswahlprozess mit ein. »Die Cobots von UR überzeugten dabei vor allem durch ihre unkomplizierte Programmierung und Steuerung«, führt Andreas Flieher aus.
Letztlich übernimmt der Cobot nicht nur die Nachtschicht, sondern entlastet die Facharbeiter auch tagsüber von der monotonen Einlegearbeit. Stattdessen nutzen sie die Zeit, um etwa neue CNC-Programme ungestört aufsetzen zu können. Dadurch werden Fehler vermieden, und die Produktion lässt sich effizienter gestalten.
Die Beispiele von Jenny | Waltle und Endutec verdeutlichen, welche Spielräume Cobots in der modernen Fertigungsindustrie eröffnen. Vor dem Hintergrund, dass Unternehmen zunehmend mit den Folgen des Fachkräftemangels zu kämpfen haben und der Druck steigt, konsistent auf hohem Niveau zu produzieren, bieten Cobots nicht nur Lösungen für aktuelle Herausforderungen, sondern eröffnen auch neue Perspektiven für eine flexible, effiziente und qualitativ hochwertige Gestaltung von Arbeitsprozessen.
Der Autor:
Andrea Alboni ist General Manager Western Europe bei Universal Robots.