Die Zukunft der Bildverarbeitung, Teil 1

Embedded Vision und KI stärken sich gegenseitig

7. November 2022, 12:15 Uhr | Andreas Knoll
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Fortsetzung des Artikels von Teil 2

Heiko Seitz, IDS: »KI und EV: Gemeinsame Schlüsseltechnologien«

Heiko Seitz von IDS Imaging Development Systems meint: »In Zukunft wird jede Industriekamera in der Lage sein, neuronale Netze auszuführen.«
Heiko Seitz von IDS Imaging Development Systems meint: »In Zukunft wird jede Industriekamera in der Lage sein, neuronale Netze auszuführen.«
© IDS Imaging Development Systems

Embedded-Vision-Systeme lassen sich universell innerhalb von größeren Systemen nutzen, was sie leicht beherrschbar und wartbar macht. Dabei kommt es besonders auf standardisierte Schnittstellen an. Heiko Seitz, Technischer Redakteur bei IDS Imaging Development Systems, gibt ausführliche Erläuterungen.

Welche Bedeutung wird Embedded Vision in der Bildverarbeitung künftig erlangen? In welchen Anwendungen wird Embedded Vision zu finden sein?

Heiko Seitz: Die Bedeutung und Verbreitung von Embedded Vision steigt kontinuierlich – nicht verwunderlich, schließlich bringt die Technologie zahlreiche Vorteile für die (industrielle) Bildverarbeitung mit sich. In erster Linie trägt Embedded Vision dazu bei, dass eingesetzte Geräte immer kleiner, leichter, energieeffizienter und günstiger werden – bei gleichzeitig steigender Leistung. Im Gegensatz zu PC-basierten Systemen ist Embedded-Vision-Hardware speziell auf die Anforderungen einer dedizierten Aufgabe fokussiert und optimiert. Dadurch arbeitet sie ressourcenschonend und lässt sich problemlos in mobile und tragbare Geräte integrieren.

Eingebettete Systeme sind prädestiniert dafür, als komplett eigenständige Lösungen einer (Teil-)Aufgabe zu fungieren. Durch die Miniaturisierung und die Vereinfachung der Systemaufgabe ist eine universellere Nutzung innerhalb eines größeren Systems möglich. So werden kleine und einfache Lösungsteile eines größeren Ganzen geschaffen, die leichter zu beherrschen und zu warten sind als komplexe Systeme. Neben Wartung und Fehlersuche ist in solchen klar getrennten Systemen auch der Austausch von Teilbereichen wesentlich einfacher, was gerade in der aktuellen Chipkrise einen noch höheren Stellenwert erhält.

Ein weiterer Vorteil kleiner Teilsysteme ist die Möglichkeit, innerhalb einer Anlage mehrere Technologien zu kombinieren, die sich dabei durch die strikten Systemgrenzen nicht gegenseitig stören oder beeinflussen. Zum entscheidenden Faktor bei Embedded-Vision-Systemen werden die Schnittstellen. Je mehr standardisierte Schnittstellen eingesetzt werden, desto einfacher wird die Kommunikation der Systeme untereinander sowie ihre Adaptionsfähigkeit mit anderen Teilnehmern.

Welche Rolle wird künstliche Intelligenz in der Bildverarbeitung künftigspielen, und welche Aufgaben wird sie erfüllen?

Künstliche Intelligenz hat längst Einzug gehalten in den Alltag, in Büros und Fabrikhallen. Das Verständnis dafür, dass KI weit mehr als eine technische Spielwiese ist und ohne größere Einstiegshürde genutzt werden kann, ist in den vergangenen Jahren stark gewachsen. Die Technologie wird immer ausgereifter, ist dennoch beherrschbar und löst vergleichsweise einfach Aufgaben wie etwa visuelle Kontrollen, die zuvor von Menschen erledigt oder für herkömmliche Machine-Vision-Methoden aufwendig programmiert werden mussten. Leistung und Nutzen von KI in der automatisierten Bildanalyse werden immer überzeugender: KI schlägt den Menschen um Längen darin, komplexe Fehlerbilder zu finden – ohne vorherige Erklärung (bzw. Programmierung), wie diese zu identifizieren sind.

Der Schlüssel zum Erfolg sind effizient arbeitende KI-Beschleunigerchips. Sie sorgen mit ihrer immer größeren Leistung dafür, dass KI in allen möglichen (Kleinst-)Geräten zum Einsatz kommen kann. Die KI erledigt und verbessert dabei selbstständig Aufgaben, die für klassische Bildverarbeitung viel zu komplex und – durch den Einsatz des entsprechenden Fachpersonals – viel zu teuer wären. So wird in Zukunft jede Industriekamera in der Lage sein, neuronale Netze auszuführen, um damit die Qualität der Bilder zu verbessern oder selbstständig Informationen für nachfolgende Prozessschritte zu sammeln und weiterzuverarbeiten.

Die überzeugende Leistungsfähigkeit und die einfache Nutzbarkeit machen KI in Kombination mit Embedded Vision zur Schlüsseltechnologie für die Zukunft der Bildverarbeitung. Die KI-Beschleuniger ermöglichen eine energiesparende, beschleunigte Ausführung trainierter neuronaler Netze in Embedded-Geräten und damit auch »on the Edge«, also am Netzwerkrand, wo manche Aufgaben schnelle eigenständige Entscheidungen erfordern, ohne die Latenz durch aufwendige Datenübertragungen. Aber auch darüber hinaus bietet KI für die Bildverarbeitung viele Vorteile, darunter auch eine relativ leichte Implementierung. Die KI-Technologie ermöglicht Machbarkeitsstudien mit geringem Aufwand. In der Proof-of-Concept-Phase werden schon mit wenig Bildmaterial schnell erste Ergebnisse mit guter Qualität erreicht, die sich durch High Quality Training Data später noch verbessern lassen.

KI wird also für Industrie und Wirtschaft immer zugänglicher. Dennoch verfügt nicht jedes Unternehmen über die entsprechenden Ressourcen, um KI-Anwendungen zu entwickeln und zu implementieren. Dafür gibt es jedoch ressourcensparende externe Lösungen. So haben auch die großen Hosting Provider die Zeichen der Zeit erkannt und bieten KI-Power (sowohl Training als auch Ausführung) in der Cloud an – inklusive passender Bezahlmodelle wie Abos oder Pay-per-Use. Unternehmen können also die Technik nutzen, ohne selbst die Infrastruktur aufbauen zu müssen. Sie sparen somit teure Hardware sowie Installations- und Wartungsaufwand.

Eine andere Möglichkeit sind Marktplätze für KI-Lösungen. Einen solchen bietet IDS mit seinem »visionpier« an. Lösungsanbieter und Anwender können dabei in Austausch treten, Lösungen diskutieren, sie (weiter-)entwickeln und wiederverwenden. Gerade kleinere Unternehmen und Start-ups profitieren davon, indem sie adaptierbare Lösungen und Services anbieten und nutzbar machen. Diese Art des Austauschs und der Wiederverwendbarkeit von Lösungen trägt zum flächendeckenden Erfolg von KI bei.

Das bedeutet nicht, dass traditionelle und bewährte Techniken überflüssig werden und verschwinden – sie werden jedoch zunehmend zum Werkzeug für Spezialisten, während sich KI-Anwendungen durch ihre einfache Anwendbarkeit auszeichnen.

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