Interview mit Nobelpreisträger Dr. Johannes Georg Bednorz

»Die Supraleitung muss jetzt breite Akzeptanz finden!«

3. April 2014, 11:49 Uhr | Heinz Arnold
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Fördermittel konzentrierter einsetzen!

Gemessen an den USA oder Japan sind in Deutschland und Europa eher bescheidene Mittel in die Bemühungen geflossen, die Supraleitung und insbesondere die Hochtemperastursupraleitung zu industrialisieren. Der Photovoltaik erging es diesbezüglich ungleich besser. Besteht hier Nachholbedarf?

Auf der EU-Ebene geschieht schon einiges. Ich würde mir allerdings wünschen, dass die Mittel konzentrierter eingesetzt würden anstatt sie breit zu streuen. Das Geld sollte sinnvollerweise vermehrt in Kompetenzzentren fließen. Dann ließe sich auch direkter kontrollieren, was mit dem Geld tatsächlich geschieht. Das BMWI fördert beispielsweise gezielt eine Reihe interessanter Projekte. Die Frage ist allerdings, wer nach Abschluss einer Entwicklung für die Verbindung zu potentiellen Anwendern und die Unterstützung in der Erprobungsphase verantwortlich zeichnet. Für diese Phase, vor der Einführung als kommerzielles Produkt, gibt es dringenden Handlungsbedarf. Das Scheitern des von der EU geförderten Hydrogenerators für Hirschaid ist ein klassisches Beispiel dafür.

Was sollte jetzt geschehen, um der Hochtemperatur-Supraleitung in Deutschland zum Durchbruch zu verhelfen?

Jetzt wäre es sehr wichtig, die Akzeptanz in der Bevölkerung für die neue Technologie zu finden. Dazu müssen alle mit der Hochtemperatursupraleitung erreichbaren Vorteile Eingang ins Bewusstsein der Bevölkerung finden. Das Projekt AmpaCity eignet sich dafür hervorragend. Und es ist ideal , dass der Standort für dieses Leuchtturmprojekts – das mit 1 km längste supraleitende Kabel der Welt einschließlich einem supraleitenden Fehlerstrombegrenzer – in Deutschland liegt. Es zeigt zum einen, dass Deutschland mittlerweile in der Supraleitung weltweit eine Spitzenstellung einnimmt.

Zum anderen sind hier die Vorteile für die Bevölkerung ganz konkret und vor Ort ersichtlich. Beispielsweise überzeugt der geringe Platzbedarf, der mit dieser Installation einhergeht, aber auch die Tatsache, dass vom supraleitenden Kabel praktisch keine Strahlung ausgeht. Das alles resultiert in einer positiven Reaktion der Essener Bevölkerung und trägt wesentlich zur Akzeptanz bei – wenn frühzeitig der Weg in die Öffentlichkeit gesucht wird. Am Aufbau von Verständnis und Vertrauen muss kontinuierlich weiter gearbeitet werden.

Was erhoffen Sie sich von der Politik?

Von Politikern wünsche ich mir, dass diejenigen, die im Zuge der Diskussion um die Energiewende so häufig von Energieeffizienz reden, die Supraleitertechnologie nicht nur in ihren Wortschatz, sondern auch in ihre Zukunftsplanung einbeziehen.

Prof. Rik De Doncker von der RWTH Aachen hat in seinem Vortrag auf der Ziehl IV Konferenz für den Umbau der Verteilnetze plädiert: Sie sollten künftig nicht für den Transport von Wechselstrom sondern von Gleichstrom ausgelegt sein. Dann könnte die Supraleitung in erheblichem Ausmaß dazu beitragen, die Effizienz der Stromverteilung in den Mittel- und Niederspannungsnetzen weiter zu erhöhen. Das wären tolle Aussichten für die Supraleitung?

Prof. De Doncker hat in seinem Vortrag überzeugend gezeigt, dass bei der Umsetzung von neuen Technologien vielfach der Systemaspekt vernachlässigt wird, d.h. bestehende Komponenten außer Acht gelassen werden. Allein durch Einsatz der heute verfügbaren Leistungselektronik wären erhebliche Effizienzsteigerungen durch den Umbau der Netze hin zum Gleichstromtransport zu erzielen. Wegen der Energiewende und den in Zukunft zahlreichen dezentralen Einspeisern ins Nieder- und Mittelspannungsnetz ist ein Umbau in jedem Fall erforderlich. Es läge also nahe, die Chance zu nutzen, und mit gezieltem Einsatz von supraleitenden Komponenten gleich ein neues Gesamtkonzept zu realisieren. Allerdings muss das von der Systemebene aus betrachtet werden und viele Elemente, aus einer bisher gut funktionierenden Infrastruktur müssen integriert werden.


  1. »Die Supraleitung muss jetzt breite Akzeptanz finden!«
  2. Fördermittel konzentrierter einsetzen!
  3. Bislang unerklärtes Phänomen Supraleiter

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