Forschungsprojekt für effiziente Netzwartung

Netzmanagement von Mittelspannungskabeln

8. Mai 2013, 14:31 Uhr | Corinne Schindlbeck
v.l.n.r.: PD Dr. Christian Weindl, Gerald Höfer und Dr. Ivana Mladenovic vor der Prüfanlage in Langwasser
© Projekt Kabelalterung

Ein Team der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg hat seit 2007 im Rahmen eines Forschungsprojektes die Alterung von Mittelspannungskabeln künstlich forciert, um möglichst genaue Aussagen zu ihrer Restlebensdauer ableiten zu können. Ziel ist eine künftig »intelligente, prioritätenorientierte Instandhaltung«, d.h. ein Austausch zum optimalen Zeitpunkt, noch bevor es zum Ausfall kommt.

Diesen Artikel anhören

Deutschlandweit sind vor allem in Städten, weniger im ländlichen Umland, sog. »Massekabel« im Erdreich verlegt. Sie bestehen aus mit Öl-Papier isolierten Mittelspannungskabeln. Dabei wird der Leiter mit Papier umwickelt, das anschließend mit zähflüssiger Ölmasse getränkt wird (Massekabel). Dabei wirken die Tränkmasse und das Papier als Isolator. Das war bis in die 70er-Jahre hinein eine gängige Technik - auch Transformatoren werden so isoliert -, bevor diese Massekabel von Kunststoffkabeln aus vernetztem Polyethylen (VPE) abgelöst wurden. Diese sind in punkto Lebensdauer (40 bis 70 Jahre, je nach elektrischer Belastung) zwar nicht überlegen, insgesamt aber wirtschaftlicher.

Über die Hälfte der Mittelspannungskabel sind in Deutschland Massekabel aus öl- bzw. massegetränktem Papier. Bisher lagen nur grobe Richtwerte über die durchschnittliche Lebensdauer dieser Mittelspannungskabel vor. Den Energieversorgern fehlt es an aussagekräftigen Parametern, anhand derer sie eine verlässliche Vorhersage über die Restlebensdauer treffen können. Denn effizienter und wirtschaftlicher als ein pauschales Austauschen der Kabel nach Ablauf einer durchschnittlichen Lebensdauer oder auch das Warten auf eine Versorgungsunterbrechung (Kurzschluss) wäre eine ereignisorientierte Instandhaltung. Sprich: Selektiv nur jene Kabel oder Kabelabschnitte zu ersetzen, deren Qualität tatsächlich nicht mehr den Anforderungen entspricht.

In Nürnberg und anderen deutschen Großstädten liegen noch große Mengen (In Nürnberg rund 60 Prozent) Massekabel in der Erde vergraben. Erschwerend kommt für die EVUs der zunehmende Anteil an eingespeister erneuerbarer Energie hinzu. Denn während ein Energieversorgungsunternehmen einen normalen durchschnittlichen Stromverbrauch pro Tag mit einer Spitze zu Mittag recht gut vorhersagen kann, ist das mit der schwankenden Einspeisung von PV und Wind nicht mehr möglich. Auch der wachsende Anteil von Biogas erwärmt und belastet die Kabel zunehmend, »sie kühlen immer weniger zwischendurch ab und altern daher schneller«, erklärt Stefan Link, der bei der Netzgesellschaft N-ERGIE Netz GmbH in Nürnberg für das Netzmanagement zuständig ist.

Den Zeitpunkt für den notwendigen Austausch der Massekabel möglichst genau zu bestimmen und dazu eine möglichst exakte Aussage zur voraussichtlichen Lebensdauer der Massekabel stellen zu können, ist das Ziel eines Forschungsprojektes der Uni Erlangen-Nürnberg, die nun erste Ergebnisse präsentiert hat. Zusammen mit der N-ERGIE Netz GmbH, der N-ERGIE Service GmbH und weiteren Partnern gelang es den Forschern unter der Leitung von PD Dr. Christian Weindl vom Lehrstuhl für Elektrische Energiesysteme der Universität Erlangen-Nürnberg, den Alterungsprozess von unterschiedlich vorgealterten 20-kV-Mittelspannungskabeln so zu beschleunigen, dass die im realen Netzbetrieb auftretenden Belastungen verstärkt, aber realitätsnah abgebildet werden.

In einem nächsten Schritt sollen die komplexen Laborergebnisse auf im Einsatz befindliche Kabel und deren Zustandsdiagnose übertragen werden, sodass laut Stefan Link »in drei bis fünf Jahren eine prioritätenorientierte Instandhaltung möglich ist«, also der Austausch gegen VPE-Kabel vorausschauend und nach Plan und Bedarf vonstatten gehen kann. 

Teile der hierbei entwickelten neuen  Mess- und Diagnoseverfahren werden derzeit patentrechtlich gesichert. Gleichzeitig wurde ein Messsystem entwickelt und auch bereits erfolgreich für Zustandsdiagnosen im Netz getestet, das die Ermittlung der voraussichtlichen Restlebensdauer von Papier-Massekabeln weiter verbessert. Stefan Link: »Die Forschungsergebnisse werden künftig erheblich dazu beitragen, dass auch Mischkabelstrecken - also Abschnitte aus Papier-Massekabeln und solchen aus vernetztem Polyethylen - weitaus exakter diagnostiziert werden können.« Dr. Ivana Mladenovic, seit Beginn an Mitglied des Forschungsteams, hat einige wesentliche Ergebnisse in ihrer Doktorarbeit veröffentlicht und dafür den mit 5000 Euro dotierten europäischen John-Neal-Award der European Electrical Insulation Manufacturers (EEIM) erhalten.

Anbieter zum Thema

zu Matchmaker+

  1. Netzmanagement von Mittelspannungskabeln
  2. So funktioniert der Stresstest für Kabel

Lesen Sie mehr zum Thema


Das könnte Sie auch interessieren

Jetzt kostenfreie Newsletter bestellen!

Weitere Artikel zu Netze (Smart Grid)

Weitere Artikel zu Verbindungstechnik sonstige