Abhilfe soll der Netzausbau schaffen. Das betrifft sowohl die Übertragungsnetze als auch die Verteilnetze. Während der Zubau von 3.800 km im Übertragungsnetz – davon 2100 km HGÜ-Trassen – im Zentrum der öffentlichen Diskussion steht, werden die Herausforderungen an die Verteilnetze übersehen. Im Gegensatz zu den Übertragungsnetzen, die schon hoch automatisiert arbeiten, wissen die Versorger meist nicht, was gerade in den Niederspannungsnetzen passiert. Sie müssen intelligent gemacht werden, also mit Messeinrichtungen und Kommunikation ausgestattet werden: Daten, die Smart Meters sammeln und weitergeben, machen sichtbar, was in den Verteilnetzen geschieht. Regelbare Ortsnetztransformatoren und weitere „intelligente“ Elemente im Netz sorgen dafür, dass das vorgeschriebene Spannungsband eingehalten werden kann und dass das Niederspannungsnetz mit Lastumkehr durch die dezentrale Einspeisung zurechtkommt. »In den Verteilnetzen findet die eigentliche Energiewende statt«, erklärt Wulf.
Damit könnten die Betreiber der Netze verhindern, das Verteilnetz massiv ausbauen zu müssen. Denn die Transparenz über die gemessenen Daten in Kombination mit den intelligenten Elementen erlaubt es, die bestehenden Leitungen besser auszulasten und den teuren Zubau zu beschränken.
Die Transparenz würde es darüber hinaus erlauben, in Zukunft auch Lastmanagement durchzuführen – wenn die entsprechenden Anreize für die Endverbraucher bestehen. Lastmanagement gilt als einer der Schlüssel, um die aktuelle erzeugte Energie mit dem aktuellen Bedarf in der Balance zu halten. Über variable Tarife könnten die Konsumenten dazu gebracht werden, ihre Verbraucher dann einzuschalten, wenn gerade viel Strom produziert wird. Sie erhalten ihn dann billiger. Die Versorger könnten sogar Verträge anbieten, die ihnen erlauben, beispielsweise die Kühltruhe bei Überangebot etwas tiefer zu kühlen und dafür mal eine Stunde abzuschalten wenn Knappheit herrscht.
Das zeigt: Die Kunden spielen im Smart Grid als aktive Elemente eine wesentliche Rolle. Sie müssen sich an der neuen Energiewelt beteiligen. Doch wie bringt man sie dazu, sich zu beteiligen? Pilotprojekte haben gezeigt, dass die Kunden sich nicht teure intelligente Zähler und Home-Gateways kaufen, um die Stromrechnung um ein paar Euro zu senken. »Der Kunde ist ein eigenwilliges Wesen«, stellt Dr. Rolf Martin Schmitz fest, stellvertretender Vorstandsvorsitzender von RWE. Und der Hype rund um das Smart Metering sei eben nicht durch Kundenbedürfnisse getrieben. »Ein Smart Meter spart keine KWh ein, wenn man es nur an die Wand hängt. Das ist eine große Baustelle.«
Doch ohne den Kunden wird es schwer, das Smart Grid umzusetzen. Deshalb mahnt Ernst Burgbacher, parlamentarischer Staatssekretär im BMWi: »Wir müssen die Menschen mitnehmen und ihre Sprache sprechen. Unter Begriffen wie Smart Grid oder Smart Metering, mit denen wir um uns werfen, können sich viele Menschen gar nichts vorstellen.«
Und alle Beteiligten müssen auf die Befürchtungen der Kunden eingehen. Deshalb sei es laut Burgbacher sehr gut, dass in Deutschland die Belange des Datenschutzes einen hohen Stellenwert genießen. Im Rahmen der Novelle der Messzugangsverordnung werde das Schutzprofil des BSI verrechtlicht werden: »Ohne ein hohe Maß an Datenschutz wird die Akzeptanz nicht zu erlangen sein.«