Kommt jetzt der Preiskampf?

Ladeinfrastruktur für Elektromobilität

6. November 2012, 8:47 Uhr | Corinne Schindlbeck
»Lapp-Helix« ist rund 40 Prozent leichter und durch die geringeren Materialkosten auch noch rund 25 Prozent billiger als herkömmliche Ladekabel.
© Lapp

In Sachen Ladeinfrastruktur setzt die Branche auf technische Weiterentwicklung. Auf der »eCarTec 2012« gab es vor allem praktische Details mit Mehrwert zu sehen.

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Ruhiger als letztes Jahr war es auf der eCarTec: Etliche Aussteller waren diesmal nicht wieder dabei, und auch von Euphorie oder Goldgräberstimmung war zumindest bei Anbietern von Ladeinfrastruktur nicht viel zu spüren. Der Hickhack um die Standardisierung der Ladestecker hat mit drei standardisierten Steckgesichtern (Typ 1, Typ 2 und GB) ein vorläufiges Ende gefunden - was jetzt beginnt, ist der Wettlauf um Stückzahlen und Preise. Dieser Meinung ist zumindest Karl Knezar, Senior Manager Automotive Business von Lapp. Denn echte Innovationen habe die Branche jetzt nicht mehr zu bieten. Was nun - neben nennenswerten Elektroauto-Stückzahlen - noch fehle, sei der Ausbau der Ladeinfrastruktur.

Lapp ist Serienlieferant des Ladekabels für den Renault Twizy, das ausgezogen etwa drei Meter lang ist und nicht über ein Verlängerungskabel gesteckt werden darf, um den Widerstand und damit die Erwärmung nicht zu erhöhen. Lapp liefert das Kabel als Schuko-Variante, als Variante für Großbritannien und die Schweiz sowie - in kleineren Mengen - mit Typ-2-Stecker. Für das Ladekabel mit Schuko-Stecker reicht theoretisch eine normale Haushaltssteckdose, aber Karl Knezar rät zur Installation einer neuen Qualitätssteckdose, um eine »unkontrollierte Erwärmung des Steckers zu vermeiden.« Denn das könne bei einer alten Steckdose durchaus passieren und im schlimmsten Fall zu einem Brand führen. Hier empfiehlt sich die Montage einer Qualitätssteckdose, um eine unkontrollierte Erwärmung des Steckers zu vermeiden.

Lapp hat einen Stecker mit Temperatursensorik entwickelt, der über das normale »Stecker zu warm« dem Fahrzeug oder der ICCB deutlich detaillierte Signale übermittelt. »Das sind Erfahrungen, die sich erst im Betrieb gezeigt haben«, erklärt Knezar.
Die Preisspanne bei den Ladesystemen der unterschiedlichen Anbieter sei zudem beträchtlich, er erwarte hier deutlichen Druck nach unten. Vor allem, wenn die ersten Bestellungen von potenziellen Großabnehmern wie der Automobilindustrie oder Aldi oder Ikea eintrudeln würden. »Letztlich ist es aber das Henne-Ein-Prinzip: ohne Infrastruktur keine Autos, ohne Autos keine Infrastruktur«, sagt er. Zumindest Phoenix Contact hatte Grund zum Lachen: Der diesjährige »eCarTec Award 2012«, den Bayerischen Staatspreis für Elektromobilität, den die bayerische Staatsregierung seit 2009 für Neuentwicklungen im Bereich der Elektromobilität verleiht, ging an die Blomberger. Ihr gemeinsam mit Carmeq entwickeltes Ladestecksystem »Combined AC/DC Charging System Type 2« hatte die Jury überzeugt, und beide Firmen nahmen den Preis auf der Messe »eCarTec« in München entgegen.

Phoenix Contact und Carmeq hatten die kombinierte Typ-2-Ladevorrichtung zusammen mit der »Initiative Ladeschnittstelle«, bestehend aus den Automobilherstellern Volkswagen, Porsche, Audi, BMW, Daimler und Opel, entwickelt. Das universelle Steckgesicht des Inlets, das fahrzeugseitig verbaut ist, macht nur eine Ladebuchse für das Laden mit Gleich- und Wechselstrom nötig. Es ist sowohl zum herkömmlichen AC Connector Type 2 für das Laden mit Wechselstrom kompatibel also auch zum DC Connector Type 2 für das schnelle Laden. Das System ist ausgelegt für Spannungen bis 850 V und Ströme bis 200 A.

Phoenix Contact bedient sämtliche Ladesteckdosen-Typen: den einphasigen amerikanisch-japanischen Standard Typ 1, dem in Europa allerdings keine große Zukunft vorhergesagt wird, den europäischen Typ 2 sowie den chinesischen GB-Standard, der auf dem europäischen Typ 2 basiert, und auch ein robustes Ladestecksystem für Batteriewechselsysteme (wie sie etwa von »Better Place« angeboten werden) für Ströme bis 400 A und Spannungen bis 750 V.  Der AC-Stecker nach GB-Standard für das 1-phasige Laden mit Wechselstrom wurde gemäß GB/T Part 2 entwickelt und bietet ebenfalls eine sichere Rast-Verriegelung. Den DC-Connector nach GB-Standard hat Phoenix Contact für kurze Stillstandszeiten gedacht, wie sie etwa an Raststätten vorkommen, wo sich das schnelle Laden mit Gleichstrom anbietet. Der Connector wird dabei durch einen Verriegelungsbolzen gegen vorzeitiges Herausziehen gesichert. Gleichwohl sieht Eric Frishkorn, Produkt-Manager E-Mobilität von Phoenix Contact, auch für das langsame AC-Laden bis 32 A einen großen Markt: Viele potenzielle Käufer von Elektroautos hierzulande würden laut Studien das Auto zuhause über Nacht laden wollen, zudem sei das für die Batterie schonender, weil sie sich weniger stark erwärmt. Wird China an seinem eigenen Standard festhalten oder irgendwann doch auf den europäischen Typ 2 umschwenken? Das glaubt Frishkorn nicht: »Der Markt dort ist groß, mit sehr vielen potenziellen Käufern.«

Kabelhersteller Lapp präsentierte sich an einem Gemeinschaftsstand zusammen mit Kooperationspartner Bals Elektrotechnik. Lapp und Bals haben sowohl Ladesystem-Produkte gemäß Typ 1 als auch Typ 2 nach der Norm IEC 62196-2 im Programm. Die Ladekabelsysteme kommen dabei von Lapp, die Ladedosen und CP-Module von Bals. Die Typ-1-Kupplung SAE J1772, die von Bals entwickelt wurde, entspricht dem in Japan und in den USA entwickelten Standard. Beim Typ 2-Ladesystem von Lapp handelt es sich um eine 7-polige Steckvorrichtung. Der Ladestecker und die Kupplung sind sowohl für Einphasenstrom mit 230 V als auch für Drehstrom mit 400 V ausgelegt. Die Ladeströme reichen von 13 bis 63 A und sind geeignet für einphasige bis dreiphasige Anschlüsse.

Für die Steckvorrichtungen hat Lapp mehrere Leitungs-Varianten entwickelt. Praktisch ist zum Beispiel die patentierte »Lapp Helix«, die sich dank eines sog. »Formgedächtnisses« nach dem Gebrauch automatisch wie eine Schnecke wieder aufrollt und dadurch Platz spart. Im Vergleich zu einem spiralisierten Ladekabel brauche man so bei einer Auszugslänge von vier Metern rund 60 Prozent weniger Raum. Ein Verstauen in im Kofferraum, in den Fahrzeugtüren oder in der Heckklappe sei somit leichter möglich. Zudem werde für das Kabel nur halb so viel Material benötigt wie bei einer gewendelten Variante - das mache es zudem um rund 40 Prozent leichter und durch die geringeren Materialkosten auch noch rund 25 Prozent billiger.


Lapp hat dafür eine neue Fertigungstechnik entwickelt, bei der das Ladekabel horizontal spiralisiert wird. Aufgrund der veränderten Formstrukturen reduzieren sich auch die Rückstellkräfte des Ladekabels, die während des Ladevorgangs auf Steckverbinder und Ladeanschluss einwirken. Durch das Formgedächtnis zieht sich das Ladekabel nach dem Ladeprozess automatisch in seine Grundposition zurück. Die Komponenten basieren auf der Ladeleitung »Lapp Charge«. Das Kabel ist halogenfrei, flammwidrig, ölbeständig und für -40 bis +90 °C ausgelegt. »Diese genial einfache Lösung wird sehr gut angenommen: Mehrere deutsche Premium-Hersteller haben die ’Lapp Helix’ bereits im Programm oder bereiten eine Serienausstattung ihrer Hybridfahrzeuge vor«, erklärt Knezar.
Das bislang schwergängige Stecken und Ziehen der Stecker erleichtert Bals mit einer speziellen Kontakttechnik namens »Easy Contact«. Alle Typ-2-Ladesteckdosen sind zudem mit versilberten Kontakten ausgerüstet, um gerade in Extrembereichen über die gesamte Lebensdauer eine gute Leitfähigkeit und Korrosionsbeständigkeit zu gewährleisten. Außerdem bietet Bals einen EVCP2-Controller an, der unter anderem für die Kommunikation zwischen dem Fahrzeug und der Ladestation zuständig ist. Mit ihm lassen sich beispielsweise die Stromstärken stufenlos von 6 A bis 80 A und die Ansteuerung für die Verriegelungen des Steckers und des Klappdeckels sowie der LED-Beleuchtung einstellen.


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