Sie haben also keine Angst, dass Ihr Know-how durch die Entwicklung in China abfließt?
Erdl: Ganz klar: Unsere Produkte werden untersucht, aber es ist nicht so leicht, es in allen Details nachzumachen. Ein zeitlicher Vorsprung von unserer Seite ist einfach da. Und natürlich stecken auch ein paar Feinheiten in der Qualitätssicherung und Produktion. Durch Zerlegen bekommt man dieses Wissen nicht. Und interessanterweise kam die genaueste Produktnachahmung, die wir hatten, aus Deutschland.
Kommen auch Kunden auf Sie zu und machen Sie auf diese nachgemachten Geräte aufmerksam?
Erdl: Soweit kam es noch nicht.
Haben Sie rechtliche Schritte gegen den Fall in Deutschland eingeleitet?
Erdl: Nein, denn wir waren schon wieder einen Schritt weiter und deshalb war es nicht mehr so wichtig. Wir haben auch einige Patente, die wir im gegebenen Fall zu unserem Schutz einsetzen können.
Aber nochmal zu China: Wir haben dort keine Endproduktentwicklung, sondern nur eine Komponentenentwicklung. Zwar haben wir die Fertigung dort, aber die technischen Details kann man daraus nicht wirklich nachvollziehen. Das Endprodukt kann sowieso jeder weltweit kaufen; dadurch kann ich Nachahmungen nicht verhindern. Innovativ sein, stets was Neues herausbringen, das ist die beste Versicherung.
In China gibt es ja auch Tausende Stromversorgungshersteller. Den Schritt in die westlichen Märkte schaffen die wenigsten. Wieso ist das so?
Erdl: Ich glaube, weil sie die Kundenbedürfnisse nach technischer Unterstützung nicht erfüllen können. Produkte liefern ist die eine Sache, aber die ganze Palette der technischen Unterstützung fehlt – das fängt beim Datenblatt an und geht über den Application Engineer bis hin zum Service. Der andere Punkt ist natürlich auch die Breite der Produktpalette: Das sind hauptsächlich kleine Unternehmen, die nur ein entsprechend kleines Produktspektrum bieten. Und wenn sie ein breiteres Spektrum anbieten, sind es Me-too-Produkte ohne Differenzierung. Ich bin fest davon überzeugt: Um erfolgreich zu sein, muss man sich differenzieren. Außerdem kennen diese Anbieter Marktbedürfnisse nicht, so dass sie keine neuen Ideen für eine nutzergerechte Produktgestaltung haben.
Support und Service eines Herstellers sind also ein Differenzierungsmerkmal?
Erdl: Auf jeden Fall! Der Kunde ist in der Regel kein Stromversorgungsspezialist, daher braucht er Beratung. Das können diese zumeist Kleinunternehmen einfach nicht erfüllen. Größere, z.B. Mean Well, sind da schon besser, aber sie haben immer noch den Nachteil, weit von den deutschen Anwendern entfernt zu sein.
Welchen Einfluss werden Schwellenländer wie China oder Brasilien auf den Stromversorgungsmarkt haben?
Erdl: Die Grundbedürfnisse sind ähnlich, da die Aufgaben, die eine Stromversorgung zu erfüllen hat, ähnlich sind. Es mag Abweichungen bei regionalen Normen geben. China beispielsweise ist gerade dabei, einen eigenen Normenkreis aufzubauen. Nun wird versucht, China in den internationalen IEC und die sonstigen weltweiten Normenkreise zu integrieren.
Das ist vielleicht die Frage zum Einfluss der Schwellenländer, denn manchmal gibt es auch Abschottungstendenzen. Normen dienen zur Marktabschottung: Wo keine Zölle erhoben werden dürfen, führt man eine Norm ein. Das könnte dann für große Länder – Indien ist ja auch ein relativ abgeschotteter Markt – ein Punkt sein. Wobei wir in diesen Ländern nicht tätig sind, weder in Indien noch in Brasilien. Wir konzentrieren uns auf den asiatischen Raum, der für unser Produkt interessanter ist. Wir haben jetzt auch den ersten Auftrag aus dem anerkannt schwer zugänglichen Markt in Japan bekommen, was uns sehr stolz macht.
Denken Sie, dass China irgendwann die Entwicklung zum Technologietreiber machen wird?
Erdl: Ja, weil einfach das Grundgesetz »Um erfolgreich zu sein, muss ich mich differenzieren« auch für Chinesen gilt. Und Technologie ist ein Differenzierungsmerkmal. In China hat die Ingenieurkultur einen viel höheren Stellenwert als bei uns im Westen: Bei uns war bis vor Kurzem immer noch das Ziel: Wenn ich reich werden möchte, werde ich Investment-Banker; in China wird man Ingenieur! Allein von den Absolventenzahlen der Universitäten her gibt es dort einfach mehr Ingenieure. Die haben zwar keine innovationsfördernde Kultur, wie man sie am ausgeprägtesten im Silicon Valley, in mittlerer Form in Deutschland findet, aber der Wille, aufzuholen, ist da! Selbst wenn nur zehn Prozent der Absolventen in China Talent zur Innovation haben, die Menge kann einiges kompensieren. Wenn wir sehen, dass Huawei heute einer der größten Patentanmelder weltweit ist – man mag jetzt über die Qualität der Patente streiten –, so zeigt sich darin doch das Augenmerk, das man auch in China der Innovation schenkt. Und wo ein Wille ist, ist auch ein Weg.
Ich finde diese Entwicklung gut, weil wir so einen Wettbewerb auf gleicher Ebene haben werden.
Also ist das auch für Sie noch mal ein Ansporn?
Erdl: Richtig. Ein Schachspiel mit zwei guten Spielern macht mehr Spaß! (lacht)
Bernhard Erdl |
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gilt seit den frühen Siebzigern als führender Experte in der Entwicklung getakteter Stromversorgungen. Im Jahr 1980 gründete er die Puls GmbH, die sich seit 1997 als weltweit einziges Unternehmen auf Netzgeräte für die DIN-Schienen-Montage fokussiert hat. Als Geschäftsführer, Chefentwickler und Inhaber ist Erdl auch heute noch an der Entwicklung eines jeden Netzgeräts der Firma beteiligt. Puls ist weltweit tätig und setzt mit seinen DIN-Schienen-Netzgeräten in der Branche immer wieder Benchmarks. |
Der Interviewpartner
Die Elektronik-Studie »DIN-Schienen-Netzgeräte« setzt sich aus zwei Teilen zusammen: Der Anwender-Befragung auf elektroniknet.de und den fünf Experteninterviews.
Der Fragebogen
Der vollstrukturierte Fragebogen enthielt sowohl geschlossene Fragen, sprich: Fragen, die mit Ja oder Nein beantworten werden konnte, sowie offene Fragen, auf die die Befragten mit einer Einschätzung antworten mussten. Des Weiteren mussten die Teilnehmer Noten vergeben oder die Wichtigkeit bestimmter Kriterien einschätzen. Die Befragung war selbstselektiv. Rund 42 Prozent der Befragten waren Entwickler, 27,3 Prozent der Teilnehmer sind als Projektleiter, System- oder Applikations-Ingenieur tätig.
Der Inhalt der Umfrage:
Experteninterviews
Ergänzend zur Anwenderumfrage bietet die Elektronik-Studie »DIN-Schienen-Netzgeräte« fünf Experteninterviews mit ausgewählten Personen aus der Branche. Dazu zählten Bernhard Erdl, Gründer und Geschäftsführer von Puls. Die Firma hat sich rein auf DIN-Schienen-Netzgeräte spezialisiert.
Ein weiteres Interview wurde mit Gustav Erl, Geschäftsführer von TDK-Lambda und Peter Runz, Market Development Manager bei TDK-Lambda geführt. Das Unternehmen bietet ein breites Spektrum an Stromversorgungen an, u.a. auch DIN-Schienen-Netzgeräte, und es will dort das Engagement ausweiten.
Das dritte Interview mit einem Hersteller wurde mit Karsten Bier, geschäftsführender Gesellschafter bei Recom, sowie mit dessen R&D-Teamleiter Thomas Hauer und den Team-Leiter des Testlabors, Wolfgang Wolfsgruber, geführt. Recom ist sozusagen das »New Kid on the Block«: Auf der electronica im letzten Jahr waren bei dem Hersteller erste Hutschienen-Netzgeräte am Stand zu sehen.
Einen anderen Blick auf die Branche haben sicherlich Distributoren, deswegen sind in der Elektronik-Studie »DIN-Schienen-Netzgeräte« auch Interview mit Jean Quecke von Arrow und Hermann Reiter von Digi-Key. Arrow hat sich mit der Übernahme der italienischen UR-Group für einen Ausbau seiner Stromversorgungs-Aktivitäten entschieden. Über Digi-Key lässt sich ein breites Portfolio an Stromversorgungen beziehen.