Die erste deutsche „Agri-PV-Anlage“ für einen CO2-neutralen Obstanbau hat den Testbetrieb aufgenommen. Ziel ist es, die Klimaresilienz im Obstanbau zu steigern und eine nachhaltige Apfelproduktion mit zusätzlicher Solarstromerzeugung zu gewährleisten.
Im Rahmen des Forschungsprojekt »Agri-PV Obstbau« haben das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE, BayWa r.e. sowie weitere Forschungspartner eine Agri-PV-Forschungsanlage für Äpfel und Spalierobst errichtet. Diese Anlage auf einem Bio-Obsthof in Rheinland-Pfalz ist die erste ihrer Art in Deutschland.
Während des geförderten Forschungsprojekts mit einer Gesamtlaufzeit von fünf Jahren sollen an acht Apfelsorten zahlreiche Forschungsfragen untersucht werden: Das Projekt vergleicht zunächst die Apfelerzeugung am gleichen Standort unter vier unterschiedlichen Kulturenschutzsystemen: Folienschutz (nicht regendurchlässig), Hagelschutz (regendurchlässig) und Agri-PV mit festinstallierten, lichtdurchlässigen PV-Modulen (nicht regendurchlässig) sowie nachgeführten PV-Modulen (bei Bedarf regendurchlässig). Dabei kommen zwei verschiedene Modultypen mit unterschiedlich angeordneten Solarzellen (Streifen- bzw. Blockmuster) zum Einsatz.
PV-Anlage schützt Äpfel vor zu starker Sonneneinstrahlung
Ziel ist es, zu analysieren inwiefern Agri-PV-Anlagen die Pflanzen und Früchte vor schädlichen Umwelteinflüssen wie Hagel, Starkregen, Sonnenbrand, Frost oder extremen Temperaturen bewahren können. Darüber hinaus wird getestet, inwiefern sich unterschiedliches Lichtmanagement durch verschiedene PV-Modulkonfigurationen auf das Pflanzenwachstum und die Erträge auswirkt. Des Weiteren soll die Anlage im Hinblick auf Landschaftsästhetik, Wirtschaftlichkeit, Sozialverträglichkeit sowie pflanzenbauliche Parameter untersucht werden.
Stephan Schindele, Head of Product Management Agri-PV bei BayWa r.e., kommentiert das Projekt: »Wir sehen in Agri-PV eine langfristige Lösung, um Landwirte dabei zu unterstützen, sich an die Folgen des Klimawandels anzupassen. Wir können das bisherige Ökosystem erhalten und durch Synergieeffekte und die Solarstromerzeugung sogar aufwerten. Nachdem wir in den Niederlanden sehr erfolgreich professionellen Beerenanbau unter Agri-PV realisiert haben, gehen wir in Gelsdorf den wichtigen Schritt Richtung Spalierobst. Wir haben erkannt, dass die Potenziale und Synergien für Agri-PV kombiniert mit Apfel, Birnen, Kirschen, Kiwi und weiteren Dauerkulturen beachtlich sein können. Diese Potenziale möchten wir dauerhaft erschließen und einen weiteren Ausbau der Photovoltaik ohne Einschränkung von Agrarerträgen ermöglichen.«
Ökonomische Vorteile
Andreas Steinhüser, Stellvertretender Gruppenleiter Agri-Photovoltaik am Fraunhofer ISE, betont in diesem Zusammenhang: »Das Forschungsprojekt ,Agri-PV Obstbau‘ soll nicht nur Möglichkeiten aufzeigen, CO2-Emissionen in der Landwirtschaft zu reduzieren, sondern auch die Verwendung kurzlebiger Materialien und den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln und Fungiziden zu vermeiden und so entscheidend zum Klimaschutz beizutragen. Darüber hinaus nehmen wir auch noch gesellschaftliche Fragen, wie Akzeptanz und Sozialverträglichkeit in den Fokus, da diese Aspekte bei der weiteren Verbreitung der Agri-PV eine entscheidende Rolle spielen werden.«
Der durch die Agri-PV-Anlage erzeugte Strom kann in den der Apfelproduktion vor- und nachgelagerten Bereichen genutzt werden. Zum einen wird der von der Firma AGCO zur Verfügung gestellte batterieelektrische Traktor „Fendt 100 Vario“ mit dem Strom aus der Anlage geladen. Zum anderen wird die Energie auch dazu genutzt, das Bewässerungssystem mit Agri-PV-Eigenstrom zu versorgen. Das Kühllager wird bereits heute von einer PV-Dachanlage mit Grünstrom versorgt. Insgesamt wird durch die Umsetzung eines betrieblichen Energiekonzepts versucht, die CO2-Emissionen auf dem Hof durch eine solare Elektrifizierung maßgeblich zu reduzieren.
Als Forschungspartner an dem Projekt sind neben BayWa r.e. und dem Fraunhofer ISE das DLR Rheinpfalz (Agrarwissenschaft), Fendt (AGCO GmbH), EWS Schönau und der Bio-Obsthof Nachtwey beteiligt.