Neue Komplexität für Automotive-Displays

Durchblick im Cockpit

20. August 2024, 9:00 Uhr | Von Lars Bube
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Doppelter Sichtschutz

Thomas Junck von 3M Deutschland und Mitglied im DFF-Vorstand
Thomas Junck von 3M Deutschland und Mitglied im DFF-Vorstand
© 3M

»Am größten ist die Herausforderung in dunklen Umgebungen, wie sie bei Nacht oder im schnellen Wechsel auch in Tunnels und Tiefgaragen herrschen«, führt 3M-Experte Thomas Junck aus, der sich als Mitglied im Vorstand des DFF, Global Network for Display Professionals, engagiert. »Eine sehr effiziente Möglichkeit, um den Betrachtungswinkel zu steuern, sind 3M Advanced Light Control Films.« Diese dienen nicht nur dazu, das Licht gezielt zu leiten und dadurch Reflexionen und die Ablenkung des Fahrers zu vermeiden. Zugleich ermöglichen sie es, die Privatsphäre der Mitfahrer zu schützen, indem die von ihnen betrachteten Informationen und Inhalte von der Seite her nicht einsehbar sind.

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Jürgen Laur von Merck und DFF-Vorstand
Jürgen Laur von Merck und DFF-Vorstand
© Merck

Wo das allein nicht ausreicht oder besonders viele und helle Displays zu finden sind, sollte zusätzlich die Elektronik eingreifen, wie Jürgen Laur, Senior-Director, Global Head of Marketing LC & DPM bei Merck und Mitglied im DFF-Vorstand, ausführt: »Neben den reinen Eigenschaften der Displays müssen auch sich verändernde externe Faktoren wie die Einstrahlung der Sonne ausgeglichen werden. Dafür braucht es eine Kombination aus passivem und aktivem Lichtmanagement.« Für solche Aufgaben werden etwa aktive Systeme mit Helligkeitssensoren verwendet, um Helligkeit und Kontrast per Softwaresteuerung automatisch und schnell an die Umgebungssituation anzupassen. Allerdings erfordert das zunehmend eine Abstimmung über die einzelnen Displays hinweg, bei der ebenfalls wieder die Herstellung optimaler Bedingungen für den Fahrer oberste Priorität genießt.

Unsichtbare Knöpfe, Schalter und Hebel

Die Experten gehen davon aus, dass die Zahl und Fläche der Displays in Automobilen in den nächsten Jahren noch zunehmen wird. Wie genau sie aussehen werden und welche Aufgaben sie erfüllen, dazu gibt es allerdings verschiedene Ideen. Als wahrscheinlich gilt, dass sich neben den Displays für den Fahrer und verschiedenen Entertainment-Screens für die Mitfahrer eine dritte Kategorie von Bildschirmen etablieren wird. Diese übernehmen vorwiegend Aufgaben, die bisher von haptischen Elementen wie Knöpfen und Schaltern geregelt wurden, etwa zur Steuerung der Heizung und Belüftung.

Nathan Naismith von 3M Deutschland
Nathan Naismith von 3M Deutschland
© 3M

Damit haben sie ganz eigene Anforderungen an die Panels. Während Faktoren wie die Größe und Darstellungsqualität keine so große Rolle spielen, kämen dafür andere wie etwa haptisches Feedback ins Spiel. »Für solche Kontroll-Panels sind neue Technologien interessant, mit denen die Displays bei Nichtbenutzung unauffällig im Interieur verschwinden, gerade wenn sie nur selten gebraucht werden. Das spart Platz und beugt einer optischen Überfrachtung der Kabine mit Displays und Lichtemissionen vor«, ergänzt Nathan Naismith, USAC/EMEA Application Engineering Manager der Display Materials and Systems Division von 3M Deutschland.

Diese vermeintlich elegante Option will allerdings nicht jedem gefallen. Weltweit stellen sich derzeit Verkehrsexperten und Zulassungsbehörden gegen allzu ausuferndes digitales Schalten und Walten auf, insbesondere wenn es um sicherheitsrelevante zentrale Funktionen wie die Bedienung von Licht, Blinkern und Scheibenwischern geht. Die australische Zulassungsbehörde ANCAP plant, Fahrzeuge mit entsprechenden digitalen Kontrollen in ihrem Neuwagen-Rating ab 2026 abzuwerten.

Volle Breitseite

Dabei ist mit den beschriebenen Entwicklungen das Ende der Möglichkeiten noch nicht erreicht. Eines der am weitesten gehenden aktuellen Konzepte ist das sogenannte Pillar-to-Pillar-Display, das sich zwischen den beiden A-Säulen über die gesamte Fahrzeugbreite zieht. Das ist zwar zunächst beeindruckend anzusehen, bringt allerdings ganz neue Hürden mit sich. »Mit solchen Pillar-to-Pillar-Displays dürfte es noch schwieriger werden, die notwendige Sicherheit und Zuverlässigkeit sowie eine entsprechende Lichtverteilung über die gesamte Breite zu erreichen.

Auch kostenseitig wäre eine solche Komplettlösung sowohl in der Anschaffung als auch im Austauschfall sehr teuer«, gibt Naismith zu bedenken. »Darüber hinaus hat das Pillar-to-Pillar-Konzept möglicherweise Nachteile bei der Bedienung, da beispielsweise einige Bereiche für Touch-Kontrolle zu weit entfernt sind«, ergänzt sein Kollege Abel Ebongue. Abhilfe schaffen könnte eine Sektionierung des Streifens durch verschiedene Displays und Panel-Typen.

Dennoch führt gerade dieser Ansatz zur Frage, ob nicht irgendwann eine Grenze erreicht wird, an der es zu viele Displays im Fahrzeug gibt. Mag ein Displaystreifen in voller Fahrzeugbreite auch für technikverliebte Kunden im High-End-Sektor ein spannendes Feature sein, so ist es für den Massenmarkt letztendlich eher nicht praktikabel. »Mit einzelnen Displays, die speziell auf ihre Aufgaben abgestimmt werden können, lassen sich die Ziele viel einfacher, günstiger und zuverlässiger erreichen«, resümiert Naismith.

Sicherheit und Fortschritt im Verbund

Doch auch zur grundlegenden Frage, wie die Sicherheit der Displays im Fahrzeug überhaupt zu definieren ist, gibt es äußerst unterschiedliche Meinungen. Weniger zwischen den von WEKA Fachmedien befragten Experten, aber doch zwischen verschiedenen Regionen und Kontrollbehörden.

Dr. Bernhard Straub von Steinbeis Automotive Display Technology
Dr. Bernhard Straub von Steinbeis Automotive Display Technology.
© Steinbeis

Während Europa in dieser Frage am restriktivsten vorgeht und die Nutzung von Funktionen wie Videos oder Browsing für den Fahrer während der Fahrt weitestgehend verbietet, und Amerika bislang etwas liberaler agiert, gibt es in China kaum Einschränkungen für den Fahrer sowie völlige Freiheit auf den anderen Plätzen. »In China wollen die Kunden im Auto Unterhaltung und Spiele nutzen wie auf ihrem Smartphone«, beobachtet Steinbeis-Direktor Dr. Bernhard Straub.

In China wird deshalb der schnelle Fortschritt, nicht zuletzt zur Stärkung der eigenen automobilen Kompetenz und Industrie, teils vor die Sicherheit gestellt. Diese Schere könnte laut Ebongue künftig noch weiter auseinandergehen: »In Europa stehen Sicherheit, Nachhaltigkeit und Zuverlässigkeit zum Glück ganz oben. Das könnte in einigen Bereichen künftig sogar zu noch strengeren Regeln führen.« Dennoch werde es spannend zu sehen, inwieweit die sich am schnellsten entwickelnden Märkte auch die Vorgaben anderer Gebiete beeinflussen werden.

Dass damit die europäische Position nennenswert aufgeweicht wird, erwarten die Experten jedoch nicht. »In verschiedenen Märkten werden sich verschiedene Standards etablieren«, ist sich auch Naismith sicher. Gerade für die europäischen Anbieter kann das eine Chance sein, da sie mit ihren höheren Ansprüchen alle Bereiche bedienen können, während etwa chinesische Anbieter ihre Fahrzeuge erst aufwendig anpassen müssen, wenn sie diese in Europa oder den USA anbieten wollen. Das könnte auch im Displaybereich aufwendige Umrüstungen bedeuten.

Autonomes Fahren als Game-Changer

In Zukunft dürften die Karten allerdings durch das autonome Fahren sowieso noch einmal völlig neu gemischt werden. Denn selbst wenn die Einführung in den verschiedenen Märkten unterschiedlich schnell gehen dürfte, wird der Fahrer mit dem Erreichen von Level 5 zu einem weitgehend passiven Nutzer und Passagier, der seine Aufmerksamkeit ebenfalls gefahrlos Entertainment-Angeboten und den Mitfahrern widmen kann. Dann könnte auch er einen Bildschirm für entsprechende Zwecke bekommen. Auch wenn damit die Herausforderungen störender Einflüsse teilweise entfallen würden, bliebe das Lichtmanagement für andere Bereiche wie Privacy weiterhin wichtig.

Dieser Schritt ermöglicht zudem ganz neue Geschäftsmodelle nicht nur für die Mobilität selbst, sondern möglicherweise auch für die Displays beziehungsweise für die Entertainment-Angebote in den Fahrzeugen. Denkbar wären etwa Abo-Modelle für Fahrzeuge beziehungsweise Mobilität, die um die Zubuchung größerer Bildschirme mit verschiedenen Unterhaltungsangeboten erweitert werden könnten. Einzig das Instrumenten-Panel dürfte selbst in diesen Szenarien zumindest vorerst noch einen herausgehobenen Status zur Überwachung des Vehikels haben


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