Neue Komplexität für Automotive-Displays

Durchblick im Cockpit

20. August 2024, 9:00 Uhr | Von Lars Bube
© sirisakboakaew|stock.adobe.com

Die Größe der in modernen Fahrzeugen verbauten Displays wächst beständig, zudem nimmt deren Anzahl zu. Angesichts der hohen Anforderungen an Sicherheit und Qualität auf diesem Gebiet bringt das erhebliche Herausforderungen sowohl bezüglich der einzelnen Anzeigen als auch der Gesamtsysteme mit sich.

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Trotz der vergleichsweise langen Entwicklungs- und Produktzyklen schreitet die Evolution von Displays im Fahrzeugsektor mit rapider Geschwindigkeit voran. Was im vorigen Jahrtausend noch als technische Spielerei zur Anzeige von Parametern wie Uhrzeit oder Außentemperatur begonnen hatte, entwickelte sich zunächst langsam, aber beständig weiter. Auch wenn bereits früh erste kleine Infoscreens im Instrumentenfeld einzogen und bald auch vereinzelte Head-up-Displays (HUD) zur Unterstützung der Fahrer in der Oberklasse verfügbar waren, stand dabei über Jahrzehnte stets das Center-Stack-Display (CSD) in der Mittelkonsole im Fokus. Schrittweise übernahm es vor allem immer mehr Komfort- und Entertainment-Funktionen, von der Radio- und Musiksteuerung über Navigation und Routenführung bis hin zur Vernetzung mit Smartphones.

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Das Smartphone als Vorbild

Inzwischen haben sich Displays nicht nur als fester Bestandteil etabliert, sondern erobern mit wachsender Geschwindigkeit immer neue Aufgabenbereiche und auch Dimensionen im Innenraum moderner Fahrzeuge. Ein wesentlicher Treiber dieser Entwicklung ist die Elektromobilität, mit der die Software eine maßgebliche Komponente der Fahrzeuge selbst und der Interaktion zwischen Mensch und Automobil wird. Dadurch verändern sich die Bedienkonzepte und damit sowohl die Größe als auch Features und Technologie der Displays. Sie übernehmen nicht nur Aufgaben von haptischen Elementen im Cockpit, zusätzlich sind sie die Schnittstelle für neue Aufgaben wie die Einstellungen der Fahrdynamik oder die Buchung kostenpflichtiger Software-Updates, mit denen Funktionen im Fahrzeug freigeschaltet werden können. Damit verbunden ist eine Veränderung der Nutzerführung, die sich in vielen Bereichen an Smartphones orientiert, bis hin zur personalisierten Benutzeroberfläche.

Optische Elemente wie Light Control Films helfen, das Licht gezielt zu lenken
Optische Elemente wie Light Control Films helfen, das Licht gezielt zu lenken
© 3M

»Hatte der Automotive-Bereich hinsichtlich der Displays früher noch vorwiegend andere Märkte wie TV-Geräte als Vorbild im Blick, sind in den vergangenen 10 bis 15 Jahren – seit der Einführung des Retina-Displays mit dem iPhone 4 im Jahr 2010 – Smartphones als einflussreichste Displaytechnologie in den Fokus gerückt«, fasst Dr. Bernhard Straub, Director und Gründer von Steinbeis Automotive Display Technology, zusammen. »Neben der rein technologischen Ebene gehen damit veränderte Anforderungen einher, wie visuelle Informationen verarbeitet werden.«

Manche Beobachter sehen moderne Elektroautos durch diesen Wandel schon als eine Art Smartphone auf Rädern. Ein Bild, das diese Entwicklung zwar plakativ beschreibt, aber doch an mehreren Stellen etwas zu weit greift. Immerhin müssen von den Displays im Auto in vielerlei Hinsicht deutlich höhere Anforderungen erfüllt werden als bei einem einfachen Smartphone. Durch regulatorische Vorgaben, die besonderen Sicherheitsanforderungen und langen Lebenszyklen der Fahrzeuge müssen die aus dem Consumer-Umfeld stammenden Technologien erst entsprechend aufgewertet und angepasst werden, wie Thomas Junck, Automotive Sales Manager EMEA bei 3M Deutschland, betont: »Der Blick geht schon immer auf die Consumer, aber nach wie vor muss mit etwa zehn Jahren Verzögerung gerechnet werden, um die Technologie auf Autos anzupassen.« Auch wenn die Adaption in einigen Bereichen schon beschleunigt wird, ist damit nicht zu erwarten, dass das Automobil mit den schnellen Entwicklungszyklen von CE-Produkten wie Smartphones gleichziehen oder gar zum Trendsetter für neue Displaytechnologien werden kann.

DFF – Global Network for Display Professionals
Das DFF ist eine internationale Organisation von Unternehmen und Institutionen der Displayindustrie. Zu den Mitgliedern zählen Material- und Komponenten-lieferanten, Lieferanten von Fertigungs- und Prozessanlagen, Hersteller von Flachbildschirmen und Modulen, Systemintegratoren und Distributoren, Endnutzer von Flachbildschirmen sowie Forschungsinstitute und Universitäten. Das DFF unterstützt seine Mitglieder sowohl im Ausbau der technologischen als auch der kommerziellen Geschäftsfelder.

Vom 5-Zoll-Navi zum 17-Zoll-Monitor

In der Praxis sind diese jüngsten Veränderungen am deutlichsten an den zentralen Bildschirmen im Auto zu beobachten. Waren laut dem Analysten- und Beratungsunternehmen Omdia im Jahr 2021 lediglich 37 Prozent der Mittelkonsolendisplays größer als 10 Zoll, sind es aktuell bereits 58,5 Prozent. Auch auf diesem Gebiet ist der Elektropionier Tesla einer der Vorreiter und Taktgeber. Statt eines integrierten CSD sitzt vor der Mittelkonsole des aktuellen Model S beispielsweise ein motorisiert schwenkbarer 17-Zoll- Bildschirm, der eher an einen PC-Monitor erinnert denn an ein klassisches Infotainment-Display.

Aufseiten der Panels geht damit ein Systemwechsel einher. Bislang dominieren projiziert-kapazitive Touch-Displays (PCAP) mit separaten Berührungssensoren und Displaydesigns, auf die 2021 noch 81 Prozent der Bestellungen für diesen Bereich im Automobil entfielen. Für die größeren Screens ordern die Hersteller den Analysten zufolge nun jedoch zunehmend Panels mit In-Cell-Touch-Technologie, bei denen die Berührungssensoren in das Display selbst eingebettet sind. Im vergangenen Jahr wurden diese mit einem Auslieferungsvolumen von 26,2 Millionen Stück bereits in mehr als einem Drittel der Fahrzeuge verbaut (35,1 Prozent). 97,5 Prozent der darauf basierenden CSDs waren dabei größer als 10 Zoll. Im laufenden Jahr sollen die In-Cell-Displays laut der Prognose schon mehr als 40 Prozent der Bestellungen erreichen, bevor sie 2025 die 50-Prozent-Marke deutlich überspringen und damit vollends als neuer Standard im Auto etabliert sind. Ein Trend, den die Panel-Hersteller gerne aufgreifen, um sich neue Absatzchancen jenseits der gesättigten Märkte wie Smartphones und Tablets zu erschließen. Damit wiederum verstärken sich die Skaleneffekte und die Kosten für die Panel-Technologie sinken weiter.

Der digitale Tacho

Während Beifahrer sich auf ihren Displays dem Entertainment widmen und beispielsweise Videos anschauen, sollen diese den Fahrer nicht stören
Während Beifahrer sich auf ihren Displays dem Entertainment widmen und beispielsweise Videos anschauen, sollen diese den Fahrer nicht stören
© 3M

Doch auch an anderen Stellen erobern sich Displays immer mehr Raum in den smart vernetzten Fahrzeugkabinen. Allen voran ersetzen sie inzwischen viele analoge Instrumente im klassischen Cockpitbereich. Wo früher Tacho, Drehzahlmesser, Tankuhr, Warnleuchten und andere Einzelanzeigen zu finden waren, übernehmen heute Displays diese Aufgaben. Einer der großen Vorteile solcher digitalen Armaturenbretter ist, dass sie sich an die individuellen Vorlieben der Fahrer und auch an akute Situationen anpassen lassen und so gemeinsam mit den Assistenzsystemen dafür sorgen, dass der Fahrer optimal unterstützt werden kann. Ähnliches gilt für Kamera-Monitor-Systeme, die als digitaler Ersatz der Außenspiegel Gefahrenpunkte wie den toten Winkel entschärfen können.

Aufgrund ihrer wichtigen Funktion gelten für solche Displays besonders hohe Anforderungen hinsichtlich Zuverlässigkeit, Darstellungsqualität und Ablesbarkeit unter verschiedensten Bedingungen. Entsprechend dem typischen Lebenszyklus der Fahrzeuge müssen auch die Anzeigen im Normalfall zwischen 15 und 20 Jahre durchhalten. Im Alltagsbetrieb steht vor allem der optische Bereich im Vordergrund, hier müssen etwa Reflexionen verhindert und eine optimale Ausleuchtung sichergestellt werden.

Mehr Displays, mehr Probleme

Im Zentrum der Lichtsteuerung muss eine optimale Unterstützung des Fahrers auch bei schwierigen Licht- und Sichtverhältnissen wie Sonneneinstrahlung, Schattenwurf und Dunkelheit stehen
Im Zentrum der Lichtsteuerung muss eine optimale Unterstützung des Fahrers auch bei schwierigen Licht- und Sichtverhältnissen wie Sonneneinstrahlung, Schattenwurf und Dunkelheit stehen
© 3M

Ist das schon beim einzelnen Display herausfordernd, insbesondere wenn dieses beispielsweise gebogen ist, wird es im Zusammenspiel mit den wachsenden CSDs und anderen Displays sowie externen Einflussfaktoren noch weitaus komplizierter. Je mehr und je größere und hellere Displays vorhanden sind, umso mehr beeinflussen sich diese auch gegenseitig – direkt und indirekt, etwa über Reflexionen in den Scheiben.

Abel Ebongue von 3M Deutschland
Abel Ebongue von 3M Deutschland
© 3M

»Damit wird das Lichtmanagement zu einer zentralen Aufgabe. Das emittierte Licht muss gezielt gelenkt und bei Bedarf auch aktiv gesteuert werden«, erklärt Abel Ebongue, Application Development Engineer von 3M Deutschland. »Im Zentrum dieser Bemühungen muss immer der Fahrer stehen. Während er die für ihn relevanten Informationen auf seinen Displays optimal aufbereitet braucht, soll er die anderen Displays und ihre Inhalte möglichst nicht wahrnehmen, um nicht abgelenkt zu werden.«

Zur Lösung gibt es mehrere Ansatzpunkte, die oft auch miteinander kombiniert werden, um das Licht zu fokussieren und auszusteuern. Die wichtigste Rolle nehmen optische Komponenten ein, insbesondere physische Verfahren wie Oberflächenbehandlung, spezielle Beschichtungen und Folien. Mit solchen Verfahren aus dem Bereich des Optical Bonding kann sowohl eine Entspiegelung und gezielte Leitung des abgegebenen und des einstrahlenden Lichts als auch eine Optimierung von Darstellungswerten wie dem Kontrast realisiert werden.


  1. Durchblick im Cockpit
  2. Doppelter Sichtschutz

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