Ganz wichtig ist die oben schon angesprochene Testzeit, weil sie kräftig zu Buche schlägt. Denn wenn ein Prober die Wafer bei einer Temperatur von 200 °C getestet hat, kann es durchaus sechs bis acht Stunden dauern, bis sich das Gesamtsystem wieder soweit abgekühlt und stabilisiert hat, dass weitere Tests durchgeführt werden können.
»Wir schaffen das viel schneller, das ist die zweite wesentliche Differenzierung«, erklärt Reitinger. Denn ERS bringt die Temperatur nur dorthin, wo sie wirklich gebraucht wird. Erstens über die Platzierung der sehr spezifisch ausgelegten Kühl- und Heizelemente, zweitens durch Abschirmungen. Alle nicht betroffenen Sektoren bleiben damit auf Raumtemperatur. Reitinger: »Deshalb benötigen die mit unseren Chucks ausgerüsteten Systeme nur eineinhalb bis zwei Stunden, dann haben sie sich stabilisiert und der Kunde kann mit neuen Tests starten.«
In der Entwicklung der Wafer-Chucks hat ERS eng mit MPI, einem Hersteller von Probern aus Taiwan, zusammen gearbeitet. Insgesamt wächst der Bedarf an Wafer-Tests, in denen die ICs einem Temperaturwechsel unterzogen werden müssen, stark an. Deshalb beliefert ERS die Prober-Hersteller mit den Wafer-Chucks, oft liefert das Unternehmen direkt an die IC-Hersteller, die dann ihre Prober damit ausrüsten, oft solche, die ursprünglich nicht für den Temperaturtest ausgelegt waren, weil eben immer mehr IC-Abnehmer auf Temperaturtests Wert legen.
Fan-Out-Techniken – ERS macht sie erst möglich
Die Wafer-Chucks sind allerdings nur ein Standbein von ERS. Seit 2005 beschäftigt sich das Unternehmen auch mit dem Fan-Out-Wafer-Level-Packaging. Die Idee dahinter: Die vereinzelten Chips auf einen temporären Carrier zu kleben, der einen größeren Durchmesser hat als der ursprüngliche Wafer, sie dann zu molden und den neu entstandenen Verbund vom Carrier zu lösen. So entsteht ein neuer Kunststoff-Wafer. Auf Basis dieses neuen künstlichen Wafers lassen sich nun Umverdrahtungs- und Pumping-Prozesse durchführen, sogar zusätzliche Komponenten lassen sich integrieren. Gegenüber den Packaging-Techniken auf Chip-Ebene wie etwas Flip-Chips, die einzeln verarbeitet tet werden müssen, verspricht die Produktion auf Wafer-Ebene deutlich niedrigeren Kosten – in der Theorie.
In der Praxis sahen sich die Pioniere der Technik – einer von ihnen war Infineon – allerdings größeren Problemen gegenüber: Die von ihrem Carrier gelösten Plastik-Wafer verbogen sich wie Kartoffelchips und waren für die weitere Verarbeitung nicht mehr zu gebrauchen. Ursache sind die verschiedenen Temperaturkoeffizienten des Plastikmaterials und des Siliziums. Das schien zunächst einmal das Aus für die vielversprechende Technik zu bedeuten.
Dann traten die Thermo-Experten von ERS auf den Plan. Es ist ihnen gelungen, ein Verfahren zu entwickeln, mit dessen Hilfe die Wafer von den Carriern gelöst werden können und sie anschießend planar zu machen. Wieder klingt das Prinzip einfach, das Klemens Reitinger kurz so zusammenfasst: »Wir heizen auf und kühlen ab, so dass krumme Wafer gerade werden.«
Dass dieser Durchbruch erst um die Jahre 2010/11 gelang, zeigt, dass die Sache so einfach doch nicht war. Alles will Reitinger nicht verraten, nur soviel: »Wir haben unsere Wafer-Chuck-Technik auf den Kunststoff und den Plastik-Wafer übertragen.« Denn bringe man Duroplaste auf die Glas-Übergangs-Temperatur, dann werden sie weich und lassen sich panarisieren. Werden sie in diesem Zustand schlagartig abgekühlt, so „friert“ die planare Form „ein“. Sie dürfen danach nur nicht mehr auf die kritische Temperatur gebracht werden.
Dieses Prinzip hat ERS in ihren neusten Debonder vom Typ ADM330 umgesetzt. Die ersten derartigen Vorgängergeräte hatte ERS bereits 2010 auf den Markt gebracht, sie finden nun vermehrt Einsatz, beispielsweise sind sie in den Maschinen von Süss MicroTech und der EV Group integriert. Die neue ADM330 arbeitet vollautomatisch und ist für Wafer mit einem Durchmesser bis 330 mm ausgelegt.
»Auch in diesem Sektor konnten wir uns schon die internationale Spitzenposition sichern«, freut sich Klemens Reitinger. »Hier sehe ich ein riesiges Entwicklungspotenzial, mehr noch als bei den Thermo-Chucks, weil es sich beim Wafer-Test eher um einen eher überschaubaren Markt handelt. Seit 2016 erlebt die FOWLP-Technik einen deutlichen Aufschwung und wird laut Analysten um nicht weniger als 30 Prozent pro Jahr zulegen.« ERS jedenfalls entwickelt munter weiter und ist dabei, das Angebot um Fan-Out-Panel-Level-Technik zu erweitern. Die Firma arbeitet bereits an Systemen für Substratgrößen von 300 x 300 mm.