Leistung trifft Compliance

Stromqualität und EMV aufeinander abstimmen

14. Juni 2024, 15:30 Uhr | Von Alexander Kamenka, Schaffner
Die Bedeutung unterschiedlicher Netzfrequenzen wird häufig übersehen, wenn es darum geht, die Entwicklung und Funktionsweise elektrischer Geräte und Systeme zu optimieren.
© Schaffner Industrial

Die Beziehung zwischen Stromqualität und elektromagnetischer Verträglichkeit darf in einer immer stärker elektrifizierten Welt nicht mehr unterschätzt werden. Beide in den Griff zu bekommen, ist maßgeblich für die heutige Lebensqualität. Einen einfachen Weg dorthin zeigt Schaffner auf.

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Wenn Konstrukteure an der Entwicklung neuer Elektronikprodukte oder -komponenten arbeiten, fällt es ihnen oft schwer, die Themen elektromagnetische Verträglichkeit (EMV) und elektromagnetische Interferenz (EMI) abzuschätzen. Schaffner arbeitet mit Konstrukteuren auf der ganzen Welt zusammen, um ihnen zu helfen, die Tragweite von Filtern bei der Lösung von Problemen mit EMV und EMI zu verstehen.

Was oft nicht vollständig erkannt wird, ist die Rolle, die der Stromqualität bei diesem Prozess zufällt, insbesondere, wie wichtig die Beziehung zwischen Stromqualität und EMV ist. Wenn diese Faktoren nicht richtig und gleichzeitig angesprochen werden, ist es fast sicher, dass Schäden an Produkten oder Geräten, mit denen sie im Wechselspiel stehen, folgen werden.

Weshalb Stromqualität so wichtig ist

Wir leben in einer zunehmend elektrifizierten Welt. Die Kontinuität der Stromversorgung, ihre Qualität und die Verfügbarkeit von Strom werden in Zukunft von entscheidender Bedeutung sein. Einfach ausgedrückt: Eine zuverlässige und effiziente Energienutzung erfordert die Einbeziehung eines EMV-Konzepts in Verbindung mit einer qualitativ hochwertigen Stromversorgung. Andernfalls werden die elektronischen Geräte, auf die wir uns heute alle verlassen, einfach nicht mit der Zuverlässigkeit und Effizienz arbeiten, die wir brauchen.

Betrachtet man das Gesamtbild, so wird am Ende Energie verschwendet – etwas, das sich niemand leisten will. Die Effizienz von Stromnetzen und Stromleitungen wird beeinträchtigt, Ausfallzeiten von Anlagen nehmen zu und es kommt zu Schäden. Stromqualitätsprobleme verursachen Schätzungen zufolge Kosten von jährlich rund 10 Milliarden Euro für Unternehmen und Organisationen in der EU. Ingenieuren überall bietet sich deshalb ein offensichtlicher und starker Anreiz, dieses Problem anzugehen.

In Europa, Australien, Afrika und Asien beträgt die Stromfrequenz in der Regel 50 Hz und erreicht je nach Anwendung mehrere MHz. In Nordamerika und einigen Teilen Südamerikas wurde in der Vergangenheit – vor allem aufgrund ihrer besseren Kompatibilität mit älteren Elektromotoren – eine Stromfrequenz von 60 Hz am häufigsten verwendet. Unter dem Aspekt der Stromqualität liegt der wichtige Bereich, auf den man sich konzentrieren muss, zwischen 50 Hz und etwa 2,5 kHz. Und dieser Bereich wird durch die europäische Netzqualitätsnorm EN 50160 abgedeckt. EMV/EMI werden in der Regel bei 2,5 kHz zu einem Problem.

Bei der Optimierung der Entwicklung und Funktionsweise von elektrischen Geräten und Systemen wird häufig übersehen, wie bedeutsam unterschiedliche Stromfrequenzen sind. Zum Beispiel muss verstanden werden, dass speziell für den Einsatz mit 50-Hz-Systemen entwickelte elektrische Geräte und Komponenten ihren optimalen Wirkungsgrad in 60-Hz-Systemen möglicherweise nicht erreichen werden, und umgekehrt. Die Auslegung von Motoren, Transformatoren und anderen Geräten muss deshalb in der Regel angepasst werden, um ihren problemlosen Betrieb mit unterschiedlichen Frequenzen zu ermöglichen. Stromfrequenzen haben auch einen entscheidenden Einfluss auf den effizienten und stabilen Betrieb von Stromnetzen, Umspannwerken und Stromübertragungsleitungen und auch bei großen Projekten zur Infrastrukturentwicklung.

Oberschwingungsverzerrung

Wenn die Stromqualität nicht so hoch ist, wie sie sein sollte, ist dies hauptsächlich auf das Problem der Oberschwingungsverzerrung (Harmonic Distortion, HD) des Stromversorgungssystems zurückzuführen. HD tritt auf, wenn die periodische Wellenform eines (in der Regel elektrischen) Signals verändert wird und unerwünschte Oberschwingungen entstehen. Sie kann zu Unterbrechungen von elektrischen Systemen führen, zu Überhitzung und Anlagenschäden sowie Ineffizienzen bei der Energieübertragung oder dem Energieverbrauch bewirken.

Motorantriebe sind die am häufigsten verwendeten Geräte in der Elektronik, und energiesparende Antriebe mit variabler Drehzahl werden in Fabriken in großem Umfang eingesetzt
Motorantriebe sind die am häufigsten verwendeten Geräte in der Elektronik, und energie-sparende Antriebe mit variabler Drehzahl werden in Fabriken in großem Umfang eingesetzt
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Bei Oberschwingungen, die die Wellenform verzerren, handelt es sich im Wesentlichen um zusätzliche ganzzahlige Vielfache der Grundfrequenz. Das bedeutet, dass in einem System mit einer Grundfrequenz von 50 Hz eine Oberschwingung zweiter Ordnung 100 Hz und einer dritten 150 Hz betragen würde. Die Oberschwingungen treten in elektrischen Systemen aufgrund von Nichtlinearitäten im Verhalten von Geräten wie Transformatoren, Stromwandlern und elektronischen Verbrauchern auf. Bei der Analyse der Oberschwingungsgesamtverzerrung ist es wichtig, einzelne harmonische Ordnungen zu identifizieren.

Neben den bereits erwähnten Problemen kann die Einführung von nicht benötigten Frequenzen in das elektrische Signal Oberschwingungsverzerrungen bewirken, die die Stromqualität mindern. Dies wiederum kann zu erheblichen Energieverlusten, Störungen in Kommunikationssystemen, EMI und potenziell katastrophalen Funktionsstörungen wichtiger elektronischer Komponenten führen.

Zu Hause oder im Büro zeigt sich HD in der Regel in Form von kleinen Unannehmlichkeiten wie dem Summen von Transformatoren, dem Ausfall von Geräten und Lichtflackern. In der Industrie können Stromqualitätsmängel jedoch eine erhebliche Anzahl schwerwiegender Probleme und Funktionsfehler verursachen. Geräte können heißer werden, als sie sollten, und müssen früher ausgetauscht werden, was vermeidbare Kosten verursacht. Beispielsweise kann der Ausfall eines Motorantriebs in einer Fertigungsanlage den gesamten Produktionsprozess zum Stillstand bringen. Selbst wenn es nicht zu einem Ausfall kommt, kann mindere Stromqualität dazu führen, dass Maschinen weniger effizient und weniger zuverlässig arbeiten, was Verzögerungen, Unterbrechungen und zusätzliche unerwünschte Kosten zur Folge hat. Betreiber von Fertigungseinrichtungen, die Oberschwingungsverzerrungen entgegenwirken und Verluste eliminieren, können ihre Anlagen mit maximaler Effizienz bei gleichzeitiger Minimierung ihrer Kosten betreiben.

Man kann auch heute noch sagen, dass Oberschwingungsverzerrungen ein allgegenwärtiges Problem in der Elektrotechnik sind, das gut gehandhabt werden muss, um die Stabilität und Integrität der Stromversorgungssysteme zu wahren. Je stärker die Stromverzerrung ist, desto ineffizienter und unzuverlässiger wird die Energieversorgung. Deshalb sind in vielen Ländern maximale HD-Werte gesetzlich vorgeschrieben. HD-Werte werden normalerweise als Verhältnis oder Prozentsatz ausgedrückt, wobei niedrige Werte auf eine bessere Stromqualität hinweisen, während höhere Werte eine stärkere Verzerrung bedeuten. Wenn Verzerrungen auf einem akzeptablen Niveau gehalten werden, minimiert sich das Risiko von Geräteschäden oder Störungen, und elektrische Systeme arbeiten wie vorgesehen.

Welche HD-Werte akzeptabel sind, hängt natürlich von der jeweiligen Anwendung und den entsprechenden Industrienormen ab. Es wird jedoch allgemein akzeptiert, dass bei den meisten elektrischen Systemen der HD-Grad für einzelne Oberschwingungs-ordnungen nicht mehr als 5 % und für die Oberschwingungsgesamtverzerrung (Total Harmonic Distortion, THD) maximal 10 % betragen sollte. Bei besonders empfindlichen Geräten müssen die HD-Werte möglicherweise noch niedriger gehalten werden.

Angaben zu den akzeptablen HD-Werten in verschiedenen Anwendungen sind bei Aufsichtsbehörden wie der International Electrotechnical Commission (IEC) und dem Institute of Electrical and Electronics Engineers (IEEE) erhältlich. Die IEC-Standards 61000-3-2 und 61000-2-2 veranschaulichen beispielsweise die Grenzwerte für Oberschwingungsströme, die von nichtlinearen Geräten mit einem Eingangsstrom kleiner oder gleich 16 A in ein öffentliches Verteilernetz eingespeist werden. Der Standard IEEE 519 legt ausdrücklich fest, dass die Oberschwingungsverzerrung bei Stromversorgungssystemen bis 69 kV nicht mehr als 5 % THD und 3 % für individuelle Oberschwingungen betragen sollte.

Im 21. Jahrhundert sind Motorantriebe die bei weitem am häufigsten verwendeten Geräte in der Elektronik, und energiesparende Antriebe mit variabler Drehzahl finden in Fabrikationsstätten mittlerweile breiten Einsatz. Tatsächlich entfallen heute ganze 50 % des gesamten Energieverbrauchs auf Motoren. Dies hat den Nachteil, dass die Zunahme an Motoren zwangsläufig die Oberschwingungsverzerrung in Stromnetzen erhöht. Einzelne Antriebe mit variabler Drehzahl können zwar im Labor anhand von Standards geprüft werden, die eigentliche Herausforderung besteht aber darin, was geschieht, wenn 100 oder mehr von ihnen in einer großen Produktionsanlage gemeinsam betrieben werden müssen.

Stromqualität – keine »Zauberei«

Leider sehen viele Ingenieure die Beziehung zwischen Stromqualität und EMV noch immer als eine Art »schwarze Magie«, die schwer zu begreifen ist. Hinter der Tatsache, dass Ingenieure stets bemüht sein sollten, das Risiko von Unterbrechungen zu mindern, die Effizienz zu verbessern und die Gesamtqualität von elektrischer Energie und elektromagnetischen Umgebungen zu verbessern, verbirgt sich jedoch kein Mysterium. Dazu sind wichtige Faktoren wie Spannungsstabilität, Wellenformverzerrung, elektromagnetische Verträglichkeit und Störfestigkeit zu berücksichtigen.

Die Frage der Stromqualität kann einfach nicht vernachlässigt werden, sei es bei der Entwicklung eines Produkts oder bei der Errichtung einer Fabrik. Zur Vermeidung von Verlusten müssen EMV und Stromqualität bei Antrieben stets gemeinsam angegangen werden. Während Ingenieure das Gesamtbild im Blick behalten müssen, anstatt sich nur auf die Bewältigung elektromagnetischer Störungen oder die Verbesserung der Stromqualität zu konzentrieren, gibt es weltweit nur wenige Lösungsanbieter, die ihnen helfen können, das gesamte Spektrum in Angriff zu nehmen.

Stromqualitäts- und EMV-Lösungen

Oberschwingungsverzerrungen können die Stromqualität beeinträchtigen, was wiederum zu erheblichen Energieverlusten, Störungen von Kommunikationssystemen, EMI und potenziell katastrophalen Fehlfunktionen wichtiger elektronischer Geräte führen kann
Oberschwingungsverzerrungen können die Stromqualität beeinträchtigen, was wiederum zu erheblichen Energieverlusten, Störungen von Kommunikations-systemen, EMI und potenziell katastrophalen Fehlfunktionen wichtiger elektronischer Geräte führen kann
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Schaffner ist seit vielen Jahren auf Lösungen spezialisiert, die Stromqualitäts- und EMV-Probleme gemeinsam lösen. Sie umfassen Eingangs- und Ausgangsfilter, passive und aktive Oberschwingungsfilter, Drosseln und Stromqualitätssimulatoren.

Eingangsfilter sorgen für eine stabile und saubere Leistungsabgabe, indem sie Oberschwingungen und Blindleistung handhaben, elektromagnetische Störungen reduzieren, die Versorgungsspannung glätten und unerwünschtes Rauschen herausfiltern. Ein Ausgangsfilter entfernt Rauschen und Welligkeit aus einem Signal und sorgt so für eine gleichmäßige und stabile Spannungsabgabe zur Verbesserung von Leistung und Zuverlässigkeit. Ausgangsfilter reduzieren nicht nur Stromverluste, sondern ermöglichen Kunden auch die Verwendung längerer Stromkabel, was zum Beispiel bei Anwendungen im Bergbau von entscheidender Bedeutung sein kann.

Passive Oberschwingungsfilter dämpfen bestimmte Frequenzen, während aktive Filter Oberschwingungen aktiv ausblenden und so die Stromqualität verbessern und Verzerrungen reduzieren. Drosseln, die in der Regel in Kombination mit anderen Filtern als Teil einer Gesamtlösung eingesetzt werden, verbessern die Stromqualität und schützen Geräte vor Schäden, indem sie den Stromfluss regeln, Oberschwingungen reduzieren und Spannungspegel stabilisieren.

Ein Bereich, in dem Schaffner einzigartig ist, ist die Entwicklung von Stromqualitätssimulatoren. Es gibt viele Anwendungen, bei denen Simulation die einzige praktikable Option ist, beispielsweise wenn vor dem Bau von Werksanlagen Berechnungen zur Ausrüstung erfolgen müssen, um Investitionen und Budgets vereinbaren zu können. Jetzt steht Ingenieuren ein Tool zur Verfügung, mit dem sie die Anzahl der benötigten Filter berechnen können. Sie geben Faktoren wie die Anzahl der Antriebe, die Stromquelle(n), Lasten und Kabellängen in den Power Quality Simulator ein, und der Simulator berechnet den Verzerrungsgrad und schlägt die optimale Filterlösung vor, auch wie viele Filter wo benötigt werden. Nachdem die Ausrüstung installiert ist, lässt sich mit dem Simulator prüfen, ob seine Berechnungen der Realität entsprechen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass eine gute Stromqualität und elektromagnetisch kompatible elektronische Geräte wesentliche Faktoren in der modernen Welt sind. Zum Erreichen einer zuverlässigen und effizienten Energienutzung ist ein Höchstmaß an EMV- und Stromqualität erforderlich. Leider erweist sich die Situation in der realen Welt nicht so gut, wie sie sein sollte. Es stellen sich immer noch zu viele Probleme im Zusammenhang mit hohen Verzerrungsgraden, und für unsere heutige Lebensweise ist es von entscheidender Bedeutung, diese im Griff zu haben.

 

Der Autor

 

Alex Kamenka vo Schaffner-Industrial.
Alex Kamenka vo Schaffner-Industrial.
© Schaffner Industrial

 

Alexander Kamenka ist Global Vice President of Sales bei Schaffner Industrial.

 

 

 


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