Die 24/7-Messungen an Lichtwellenleitern (LWL) erfolgen nach dem Prinzip der optischen Zeitbereichsreflektometrie (Optical Time-Domain Reflectometry – OTDR). Dabei wird ein Laserpuls von 3 ns bis 20 µs in den Lichtwellenleiter eingekoppelt. Auf dem Weg, den das Licht in der Faser zurücklegt, wird ein sehr geringer, aber messbarer Anteil zurückgestreut. Dabei treten drei verschiedene physikalische Effekte auf: Rayleigh-, Brillouin- und Raman-Streuung. Jede davon wird für ein spezifisches Messverfahren genutzt:
Am weitesten verbreitet sind derzeit OTDRs auf der Basis der Rayleigh-Streuung. Dieses Verfahren wird zum Beispiel von der Deutschen Bahn verwendet. Bis Mitte 2018 führte das Unternehmen an mehreren Strecken Tests zum Fiber-Optic Sensing (FOS) durch. Dabei wurden die Fasern unter anderem genutzt, um Zugläufe zu verfolgen oder vor Hangrutschen zu warnen.
Ortsaufgelöste Stress- und Temperaturinformation
Das Verfahren bei BOTDR-Messungen (Brillouin-OTDR) ist deutlich komplexer. Bisher konnte man damit lediglich erkennen, dass Stress oder Temperatureffekte auf die Faser wirken. Welche der beiden Ursachen dafür verantwortlich war, ließ sich jedoch nicht feststellen. Der Firma Viavi ist es jetzt gelungen, einen Algorithmus zu entwickeln, der Temperatur- und Stresseinflüsse getrennt voneinander ortsaufgelöst erfasst. So lassen sich zum Beispiel bei Pipelines und Fernwärmeleitungen „Hot Spots“ und Materialermüdung genau lokalisieren; in Telekommunikation und Stromnetzen können Erd- oder Luftkabel überprüft werden.
Als Messgerät dient ein speziell entwickeltes BOTDR-Modul, das in die OTU (Optical-Test-Unit) zur Glasfaserüberwachung integriert werden kann. Dabei reicht eine einzelne Faser für das Testsignal aus, um das gesamte Kabel über Distanzen bis zu 200 km zu überwachen. Die Lösung lässt sich auch mit optischen Schaltern kombinieren, um mehrere Fasern mit nur einem Messgerät seriell zu überwachen. Selbst tragbare Lösungen für den mobilen Einsatz vor Ort sind verfügbar.
Für sensitive Übertragungsstrecken ist die in der OTU integrierte BOTDR-Überwachung eine ideale Ergänzung, bei der man nicht auf aufwändige externe Fasersensorsysteme zurückgreifen muss. Sie stellt einen weiteren Schritt zu einer All-in-One-Lösung dar, die in naher Zukunft alle Arten von Störungen erfassen, messen und lokalisieren kann. Schon jetzt ist der Netzbetreiber in der Lage, schnell und flexibel auf Störungen zu reagieren und damit Schäden oder Ausfallzeiten zu minimieren. Bei festen Strukturen wie Gebäuden oder Gleiskörpern lassen sich außergewöhnliche Beanspruchungen frühzeitig erkennen, sodass Wartungsmaßnahmen eingeleitet werden können, bevor überhaupt ein Schaden auftritt.