Smartphone-bezogenen Unfälle

Weltweit erste Fall-Serie veröffentlicht

30. April 2019, 6:30 Uhr | Universitätsklinikum Leipzig (UKL)
Frau guckt beim Laufen auf Smartphone (Symbolbild)
© Pixabay

Ärzte Universitätsklinikums Leipzig (UKL) haben die weltweit erste Fall-Serie von Smartphone-bezogenen Unfällen bei Kindern und Jugendlichen veröffentlicht. Für Klinikdirektor Prof. Martin Lacher gestaltet sich dabei die jüngste Zunahme Besorgnis erregend.

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Man nennt sie auch »Smombies« - ein Kunstwort aus den Begriffen Smartphone und Zombie. Gemeint sind Menschen, die durch den ständigen Blick auf ihr Telefon so stark abgelenkt sind, dass sie ihre Umgebung kaum noch wahrnehmen. 2015 wurde es von einer Jury bereits einmal zum »Jugendwort des Jahres« gewählt.

Doch es klingt lustiger, als es in Wirklichkeit ist. Denn den Smombies fehlt oft auch der Blick für mögliche Gefahren, zum Beispiel im Straßenverkehr. »Schlimmer noch: Smombies werden selbst zur Gefahr. Sie stoßen mit anderen Fußgängern oder Radfahrern zusammen oder laufen, ohne den Blick zu heben, über die Straße«, erklärt Prof. Martin Lacher, Direktor der Klinik und Poliklinik für Kinderchirurgie am UKL.

In ihrer Studie untersuchten die Kinderchirurgen alle Fälle, in denen das Smartphone eine Rolle spielte. Acht der zehn Fälle geschahen erst 2016 oder später. Denn immer mehr Kinder und Jugendliche besitzen schon in jungen Jahren ein eigenes Mobiltelefon.

Mädchen stärker gefährdet

Die Patienten wurden in der Studie auch dahingehend eingeteilt, ob ihre Rolle beim Unfall aktiv oder passiv war. Neben zwei Passiv-Fällen, in denen Kleinstkinder leichte Blessuren erlitten, weil ihre Eltern sie mit dem Smartphone verletzten, stehen acht Fälle mit aktiver Rolle zu Buche.

Mehrere Mädchen erlitten dabei schwere Verletzungen: Ein glücklicherweise nur mit 30 Kilometer pro Stunde fahrendes Auto erfasste eine 12-Jährige, die die Straße überquerte und dabei ausschließlich auf ihr elektronisches Spielzeug schaute - Diagnose Beckenringfraktur. Und eine 16-Jährige fiel in einer Silvesternacht durch ein Glasdach, als sie gerade ein Foto von sich selbst machte. Sie erlitt ein schweres Wirbelsäulentrauma (multiple Wirbelkörperfrakturen) und Schnitte an der Hand. Einem weiteren Mädchen, ebenfalls 16, rollte ein Auto über die Hand, als sie ihr Smartphone von der Straße aufheben wollte.

Dass laut Studien dabei eher Mädchen einer gewissen Smartphone-Sucht verfallen, war auch bei der Fall-Serie der Leipziger Kinderchirurgen zu beobachten: Nur bei zwei der zehn Fälle stand ein Junge im Zentrum des Geschehens.

Höhere Dunkelziffer vermutet

Was gegen ein weiteres Ansteigen der Unfallzahlen helfen könnte, ist für Lacher eigentlich klar: Weniger oft auf das Gerät schauen und mehr Aufmerksamkeit durch Erziehungsberechtigte, die ihre Vorbildrolle auch ernst nähmen, sei das Eine. Der Kinderchirurg hat jedoch noch andere Maßnahmen im Blick: »Im US-Bundesstaat Hawaii ist es illegal, eine Straße zu überqueren, während man auf das Smartphone schaut. Wäre das auch für unser Land gut«, fragt er.

Mit China, den USA, Belgien und Litauen gibt es zudem vier Länder, in denen eigene »Smombie-Pfade« eingerichtet wurden, spezielle Fußwege für unaufmerksame Smartphone-Nutzer. In den Niederlanden finden sich hingegen bereits zwei Städte, in denen Fußgängerampeln am Erdboden montiert sind. Gerade die letztgenannte Idee findet durchaus Anklang bei Prof. Lacher.

Eines ist ihm und seinen Kollegen nach der Erhebung klar: Die Dunkelziffer von Smartphone-bezogenen Unfällen bei Kindern und Jugendlichen dürfte wesentlich höher sein, denn viele Verletzte gingen nicht zum Arzt oder würden das Mobiltelefon nicht als Grund der Verletzung angeben. (me)


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