Generative Fertigung

Gedruckte Implantate

1. Juni 2015, 9:48 Uhr | Marcel Consée
Verlagerter Oberkiefer mit Stabilisierung durch Platten zum übrigen Gesichtsschädel
© Kepler Universitätsklinikum, Abteilung für Mund-, Kiefer- und Plastische Gesichtschirurgie

Generative Fertigungsverfahren wie 3D-Druck, Stereolithographie oder selektives Laserschmelzen ermöglichen eine schnelle und kostengünstige Herstellung von ökonomisch einsetzbaren Werkstoffen. Auch in der Medizintechnik besteht großes Potenzial

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Die Anwendung solcher Fertigungstechniken – auch als Rapid Prototyping bekannt – bietet jedoch viele Möglichkeiten und bedeutet, dass etwa Implantate individuell an den Bedarf angepasst und mit poröser Struktur gefertigt werden können. Von den medizinischen Problemstellungen profitieren in Oberösterreich besonders Unternehmen und Forschungseinrichtungen im Bereich Medizintechnik, Mechatronik und Kunststoff, indem sie in gemeinsamen Projekten neue Lösungen generieren.

In der Mund-, Kiefer- und Plastischen Gesichtschirurgie kommen in der operativen Behandlung von Kieferfehlstellungen zur Stabilisierung des Oberkiefers Plättchen aus Titan zum Einsatz. Durch Mikrobewegungen im Gesichtsschädelbereich, die durch natürliche Bewegungen wie Kauen entstehen, kommt es zu Reibungen der Fixierungsschrauben in den Plattenlöchern. Die Folge ist ein Metallabrieb des Verplattungsmaterials. Da es sich beim eingesetzten Material um Titan-Legierungen handelt, können die Abriebe auch Spuren von anderen Metallen wie z.B. Aluminium enthalten. Um die Gesundheit der Patientin/des Patienten nicht zu gefährden, ist die Entfernung des Verplattungsmaterials in Folgeoperationen somit unumgänglich.

Wie sich Verplattungsmaterial in Zukunft biokompatibel herstellen lässt, war eines der Themen in verschiedenen Workshops der Plattform »Generative Fertigung in der Medizintechnik« (gemeinsam initiiert durch den Gesundheitstechnologie-Cluster, Kunststoff- und Mechatronik-Cluster der oö. Wirtschaftsagentur Business Upper Austria).

Cluster mit Paten
von links: Dr. Hans-Peter Huber, Projektmanager, Dr. Christian Haininger, Facharzt für Unfallchirurgie, DI Christian Schön, Braincon Handels-GmbH, OA Dr. Alfred Olschowski, Neurochirurg Landesnervenklinik Linz, Nora Mack, BSc MBA, Cluster-Managerin
© Business Upper Austria – OÖ Wirtschaftsagentur

Die laufende Forschungskooperation »Einsatz generativ gefertigter keramischer Fixierungselemente in der Chirurgie« der Firma Lithoz gemeinsam mit dem Kepler Universitätsklinikum ist ein Ergebnis dieser Workshop-Reihe.

»Das Projekt gibt eine hervorragende Möglichkeit zur Interaktion zwischen Medizin und Industrie. Problemstellungen können aus verschiedenen Blickwinkeln multidisziplinär beleuchtet werden«, so Prim. DDr. Michael Malek, Vorstand Abteilung Mund-, Kiefer- und Plastische Gesichtschirurgie des Kepler Universitätsklinikum.

Um zukünftige Folgeoperationen zur Entfernung von Verplattungsmaterialien aus Titan-Legierungen vermeiden zu können, evaluiert Lithoz  gemeinsam mit dem Universitätsklinikum die Möglichkeit des Einsatzes von generativen Fertigungsverfahren zur Herstellung von keramischen Fixierungselementen in der Chirurgie. Mittels 3D-Druck soll ein Verplattungsmaterial aus Zirkoniumoxidkeramik (auch Zirkonoxidkeramik genannt) hergestellt werden, welches im Kiefer des Patienten belassen werden kann. Bioinerte Materialien, vor allem Zirkoniumoxidkeramik, zeichnen sich durch ihre außergewöhnlichen (thermo-)mechanischen Eigenschaften wie etwa hohe Steifigkeit, enorme Verschleißbeständigkeit und exzellente Biokompatibilität aus. Auf Basis eines CAD-Files mit patientenspezifischen CT-Daten können maßgeschneiderte Fixierungselemente aus Zirkoniumoxidkeramik dreidimensional gedruckt und 3D-navigiert eingesetzt werden. Die Herstellung bedarf keinerlei Formen oder Werkzeuge, wodurch nur sehr geringe Vorlaufzeiten nötig sind. Ein weiterer Vorteil ist die Möglichkeit definierter innerer Strukturen wie interkonnektiver Poren oder Kanälen mit vorgegebenen Durchmessern.

Neben der Möglichkeit der generativen Fertigung von permanenten Implantaten aus bioinertem Material, können auch resorbierbare Keramiken verwendet werden. Dabei wird das Implantat vom Körper nach und nach zersetzt und in körpereigenes Knochengewebe umgewandelt. Aufgrund seiner Bioresorbierbarkeit eignet sich beispielsweise der Werkstoff Tricalciumphosphat hervorragend als Knochenersatzmaterial und bietet viele interessante Möglichkeiten für regenerative Medizin und Tissue Engineering.


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