Minimalinvasive Verfahren haben die Chirurgie revolutioniert, doch besteht durchaus Verbesserungspotenzial: Ist die Operation gelungen, geht es dem Patienten schneller besser, als bei herkömmlichen Methoden, doch geschehen auch immer wieder Fehler, die durch eingeschränktes Sichtfeld und Bewegungsfreiheit bedingt sind. Hier können medizinische Roboter hilfreich sein.
Chirurgen lassen sich heute in vielen Bereichen von robotergestützten Operationssystemen unterstützen, beispielsweise in der Urologie und Gynäkologie, bei Herz-, Brust-, Kopf- und Halsoperationen und allerlei weiteren chirurgischen Eingriffen.
So sind beispielsweise die Operationssysteme »da Vinci« von Intuitive Surgical zurzeit in etwa 1500 Kliniken weltweit im Einsatz; ihr Haupteinsatzgebiet liegt in der minimalinvasiven Chirurgie (MIS).
Die da-Vinci-Systeme, in denen seit 2003 FPGAs von Xilinx arbeiten, bestehen aus drei per Kabel verbundenen Hauptkomponenten: der Steuerkonsole für den Chirurgen, einer fahrbaren patientenseitigen Robotikplattform mit chirurgischen Miniaturinstrumenten und dem Vision-System (Bild 1).
Die Steuerkonsole fungiert sozusagen als Cockpit für die Chirurgen bei der vorgesehenen operativen Prozedur. Statt für lange Stunden über den Patienten gebeugt zu stehen, um eine Operation auszuführen - wie es bei traditionellen Operationen der Fall ist - sitzen die Ärzte hier gemütlich an der Chirurgenkonsole, ihre Hände und Finger an den Bedienelementen (Bild 2) und ihre Augen vor einem hochauflösenden 3D-Sichtgerät.
Auf dem Bildschirm können sie die Anatomie des Operationsziels in beliebiger Vergrößerung sehen, desgleichen die chirurgischen Instrumente, die sie für die vorliegende Operation einsetzen.
Sensoren und Aktoren
Da Vinci übersetzt die Feinmotorik der Finger und Handgelenke des Chirurgen in Echtzeit in die genaue Positionierung und Steuerung der Roboterarme der patientenseitigen Plattform. Die Chirurgen bewegen die Bedienelemente entsprechend den eingesetzten chirurgischen Instrumenten - Skalpelle, Klammern, Zangen, Nadeln, etc. -, die alle jeweils am Ende einzelner Roboterarme montiert sind.
Vom komfortablen Cockpit aus führen die Chirurgen jeden kritischen Schritt der Operation aus, vom anfänglichen Einschnitt bis zum abschließenden Vernähen der Wunde. Dabei überwachen die Assistenten im Operationsraum den Zustand des Patienten. Das Vision-System als dritte Komponente ist mit einem hochauflösenden 3D-Endoskop ausgestattet (eine Röhre mit Kamera und Lichtquelle an der Spitze), sowie mit einer Bildverarbeitungseinheit, die lebensechte Bilder der Anatomie des Patienten liefert.
Das Vision-System gibt dem gesamten Team im Operationsraum und den Assistenten an der Seite des Patienten einen Breitbild-Überblick über das Operationsfeld. Diese Apparatur erlaubt den Chirurgen das Ausführen komplexer Operationen mit minimalem Eingriff in das Körpergewebe. Eine solche Vorgehensweise ist komfortabler und mit weniger Ermüdung verbunden. Darüber hinaus minimiert sie den unvermeidlichen Hand-Tremor des Operateurs und steigert so die Präzision seiner Bewegungen - und verlängert damit sogar eventuell seine berufliche Laufbahn.
Inspiriert durch die immensen Technologiefortschritte der US-Forschungsagentur DARPA (Defense Advanced Research Projects Agency), brachte das von Intuitive Surgical konzipierte, Robotergestützte MIS-System zunächst zahlreiche Herausforderungen für die Entwickler. Ein Bereich wurde dabei immer wichtiger: das angemessene Video-Processing.
Die einzelnen da-Vinci-Versionen entwickelten sich schrittweise von »einfachem« 3D mit Standardauflösung zum heutigen Multi-Window-3D-HD-Video mit zwei Steuerkonsolen für die Chirurgen. »Bei der Weiterentwicklung des originalen Vision-Subsystems planten wir Video mit Multi-Window-Fähigkeit, also mit mehreren Sichtfenstern für die Chirurgen, um ihnen bei der Operation auch die Verfolgung vitaler Patientendaten zu ermöglichen«, erläutert David Powell, Principal Designer für Videoverarbeitungslösungen bei Intuitive Surgical.
»Höhere Bandbreiten bei der Verarbeitung von Videodaten sollten die Anzeige von anderen Datenquellen ermöglichen, parallel zum Überblick über das Operationsfeld. Damit erhalten die Chirurgen beispielsweise eine sofortige Rückmeldung von einer Ultraschall- oder Herz-Lungen-Maschine, ohne dass sie ihre Augen von der aktuellen operativen Prozedur abwenden müssten.«
Neben den technischen Herausforderungen des erweiterten, immersiven Überblicks des operativen Geschehens und der Verkürzung der chirurgischen Eingriffsdauer mit erhöhter Erfolgswahrscheinlichkeit muss die Videolösung natürlich auch strikten Sicherheits- und Zuverlässigkeitsforderungen gerecht werden. Das heißt, das System muss flexibel, für funktionale Upgrades offen und äußerst zuverlässig sein.
Alle dieser Forderungen bewogen den Hersteller bei der Video-Einheit der zweiten Generation des da-Vinci-Systems zum Einsatz eines FPGAs der »Virtex«-Familie von Xilinx. Das war im Jahr 2003. »Anfangs wählten wir das »Virtex-2 Pro«-FPGA ausschließlich wegen der Streaming-Video-Performance mit dessen DSP-Komponenten«, sagt Powell.
»Der eingebettete Prozessor von Xilinx erschien uns lediglich als »Nice-to-have«-Eigenschaft. Dann stellten wir fest, dass wir ihn zur Reduzierung des Platzbedarfs der Video-Processing-Einheit einsetzen konnten. Doch das Embedded-Processing war damals nicht der eigentliche Grund unserer Entscheidung für den Xilinx-Baustein.« Allerdings stellte sich sehr schnell heraus, dass die eingebettete Prozessorarchitektur die Grundlage für folgende Plattformdesigns des gesamten Systems werden konnte.
Modular dank FPGA
Nach den ersten positiven Erfahrungen mit Xilinx-Bausteinen entschied sich Intuitive Surgical, der schnellen Evolution der FPGA-Technologie zu folgen und FPGAs der jeweils neuesten Versionen einzusetzen. »Nachdem wir mit dem Einsatz der Bausteine begonnen hatten, zeigte sich, dass sie eine interessante Designplattform darstellen - so interessant, dass heute Dutzende von FPGAs in allen da-Vinci-Hauptkomponenten zum Einsatz kommen« sagt Powell.
»Heute können wir in jedem FPGA so viele Funktionen unterbringen, dass wir ein Board beinahe in einen einzigen Chip verwandeln.« Nachdem die Entwickler in den ersten Generationen die Funktionen eingebetteter Prozessoren nicht verwendeten, tun sie das sehr intensiv in den beiden neuesten Versionen. So nutzt Intuitive Surgical die Bausteine »Virtex-5 FX« zur Implementierung des »PowerPC«-Hard-Prozessors und des Softcore-Prozessors »MicroBlaze« in vielen der neuen Module.
Insbesondere die Wiederverwendbarkeit der FPGA-Blockdesigns, erklärt Powell, sei für Intuitive Surgical eine Schlüsseleigenschaft für die schnellere Marktreife der neueren da-Vinci-Generationen gewesen. »Mit einem der üblichen Designverfahren waren wir in der Lage, zahlreiche Funktionen zu standardisieren und diese Standardblöcke sehr schnell in neue Designs zu integrieren.
Unser erstes Board mit einem Xilinx-FPGA war in zwei Stunden betriebsbereit. Dann fanden wir einen Weg, ein Board in einigen Minuten zum Laufen zu bringen. Diese Vorgehensweise war für uns absolut neu.« Die Wiederverwendung der Kerne in den folgenden Systemgenerationen und das Hinzufügen von Systemfunktionen bei den jeweils neuen Versionen erlaubte es, eine verteilte Systemarchitektur zu implementieren und damit in die modulare Ära des Systemdesigns vorzustoßen.
Die Kunden können jetzt entsprechende Module zu ihrem System hinzufügen, die ihren spezifischen Anforderungen gerecht werden. Die verteilte Architektur half dem Hersteller beispielsweise bei der Einführung von Systemen mit dualen Chirurgenkonsolen. Damit können zwei Chirurgen in einer Roboter-gestützten MIS kooperieren, oder sie können eine Lehrer-Schüler-Konfiguration einrichten.
Die Verwendung der programmierbaren Bausteine zwang auch zu einer gewissen Entwurfsdiziplin. Vorher waren die Verbindungen zwischen den einzelnen Komponenten recht unterschiedlich und reichlich komplex und liefen über vier Kabelverbindungen jeweils von der Größe eines Gartenschlauchs. Außerdem nutzten sie sich sehr schnell ab, wegen der ständigen Manipulation bei der Einrichtung der Operationsfelder im OP.
Noch nachteiliger war, dass die Systemkomponenten als integrierte Einheit gefertigt und repariert werden mussten. Wenn also nur eine Komponente ausfiel, ging das komplette System außer Betrieb. Heute sorgt ein einziges faseroptisches Kabel für standardisierte Verbindungen aller Systemkomponenten. Die Hard-Prozessorblöcke und die High-speed-DSP-Slices bieten Fähigkeiten im Format eines Chip-Systems mit acht Kanälen für Full-1080i-HD-Video (20 GBit/s) und systemweit vereinfachten Interconnect. Diese neue Technik hat Systemausfälle dramatisch reduziert.
Programmierbar auf allen Ebenen
Das bei Intuitive Surgical implementierte modulare Design erleichtert zudem die Herstellbarkeit, die Testbarkeit, die Zuverlässigkeit und die Servicefähigkeit der Systeme. So konzentriert man sich jetzt auf Module und Karten, was die Effektivität in der Produktion, beim Testen von Produkten und beim System-Service verbessert. Die Programmierbarkeit bringt außerdem vereinfachte Updates.
Statt Module oder Subsysteme auszutauschen, kann Intuitive Surgical nun neue oder existierende Funktionen einfach per Firmware-Upgrade einführen oder erweitern. Die Service-Teams können außerdem schnell ein System auf die Konsistenz über alle Prozessoren hinweg abfragen. Das verbessert die Prozesssteuerung und stellt sicher, dass die Systeme für jede Art Chirurgie optimal konfiguriert sind.
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