Gefäßprothetik

Der Blutschlauch

27. Mai 2015, 8:34 Uhr | Marcel Consée
© Medizinische Universität Wien

Oft ist es notwendig, ein Blutgefäß zu ersetzen, entweder durch ein körpereigenes oder aber durch künstlich hergestellte Gefäßprothesen. Ein spezielles Elastomer verleiht künstlichen Blutgefäßen gute mechanische Eigenschaften.

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Forscher aus Österreich haben ein Material zur Herstellung künstlicher Blutgefäße entwickelt, das mit der Zeit vom Körper abgebaut und durch eigenes Material ersetzt wird. Am Ende dieses Umbauprozesses ist wieder ein natürliches, vollständig funktionsfähiges Blutgefäß entstanden. Bei Ratten hat sich die Methode bereits bewährt. Zu den häufigsten Todesursachen in Industrienationen gehören arteriosklerotische Gefäßerkrankungen. Eine Bypass-Operation ist dann oft die einzige Lösung. Normalerweise entnimmt man dafür Blutgefäße des Patienten von anderen Körperstellen und setzt sie statt des geschädigten Blutgefäßes ein. Dank eines gemeinsamen Projekts von TU Wien und Medizinischer Universität Wien sollen in Zukunft auch künstlich hergestellte Gefäße vermehrt zum Einsatz kommen.

Entscheidend dabei ist, ein passendes Material zu finden. Die künstlichen Materialien, die man bisher verwendete, vertragen sich nicht optimal mit dem körpereigenen Gewebe. Es kann dann leicht zu einem Verschluss des Blutgefäßes kommen, besonders wenn der Durchmesser gering ist. An der TU Wien wurden daher neue Polymere entwickelt. »Es handelt sich um sogenannte thermoplastische
Polyurethane«, erklärt Robert Liska vom Institut für angewandte Synthesechemie der TU Wien. »Durch die Auswahl ganz bestimmter molekularer Bausteine gelang es uns, ein Polymer mit den gewünschten Eigenschaften zu synthetisieren.«

Zur Herstellung der Gefäßprothesen werden Polymerlösungen in einem elektrischen Feld zu sehr feinen Fäden gesponnen und auf eine Spule aufgewickelt. »Die Wand dieser künstlichen Blutgefäße ist natürlichen sehr ähnlich«, sagt Heinz Schima von der Medizinischen Universität Wien. Das Polymer-Gewebe ist leicht porös, daher sickert zunächst etwas Blut hindurch und reichert die Wand mit Wachstumsfaktoren an. Das begünstigt das Einwandern körpereigener Zellen. Die Interaktion zwischen Material und Blut wurde an der TU Wien von Martina Marchetti-Deschmann mithilfe von ortsaufgelöster Massenspektrometrie untersucht.

Im Rattenexperiment war die neue Methode bereits sehr erfolgreich. »Sechs Monate nach dem Einsetzen der Gefäßprothesen wurden die Blutgefäße der Ratten untersucht«, sagt Helga Bergmeister von der MedUni Wien. »Es waren weder Aneurysmen noch Thrombosen oder Entzündungen festzustellen. Körpereigene Zellen hatten die Gefäßprothese besiedelt und das künstliche Konstrukt zu körpereigenem Gewebe umgewandelt.« Das Nachwachsen körpereigenen Gewebes verläuft sogar schneller als man erwartet hatte, daher soll nun die Abbaudauer der Kunststoffröhren noch verringert werden. Derzeit wird noch an weiteren Anpassungen des Materials gearbeitet. Bis die künstlichen Blutgefäße bei Menschen eingesetzt werden können, sind noch weitere präklinische Versuche notwendig.

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