Röntgenstrahlen & KI

Aus der Vergangenheit lernen

6. November 2018, 16:30 Uhr | Kuan Chen (Infervision)
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Lücke zwischen Fortschritt und Realität

2017 beauftragte die Deutsche Gesellschaft für Radiologie eine spezielle Arbeitsgruppe zur Früherkennung von Lungenkrebs. Ihr Ziel ist es, den Früherkennungs-Prozess von Lungenkrebs zu fördern. Deutsche Radiologen setzen dafür KI-Techniken wie Deep Learning ein, um Lungenkrebs bereits im Frühstadium zu erkennen. Gleichzeitig erlaubt es mehr Menschen den Zugang zu diesem Screening-Verfahren. Das ist besonders wichtig in Regionen, in denen kaum Früherkennungstechnologie für Lungenkrebs eingesetzt wird. So gab es in Spanien bis 2014 nur ein einziges Früherkennungszentrum in Pamplona.

Es besteht also eine Lücke, die KI-Unternehmen wie Infervision mit der KI-bezogenen Medizintechnik schließen können. Das Unternehmen kooperiert bereits mit mehr als 200 Krankenhäusern und unterstützt täglich bei über 20.000 Scans. Diese erfolgreichen Pilotprojekte haben einen konkreten Effekt und retten Leben durch Prävention. Die Europäische Union nahm dies zum Anlass, alle europäischen Länder zu ermutigen und zu überzeugen, diese Technologie so schnell wie möglich einzusetzen.

Salvador Pedraza Gutierrez, Leiter der Neuroradiologie des Krankenhauses Josep Trueta in Girona, Spanien, merkt an: »Europa hat ein echtes Problem; es mangelt an Früherkennung von Lungenkrebs mit niedrig dosiertem CT.« KI sei in der Lage, ein schnelles und effektives Screening-Programm für Lungenkrebs basierend auf konventionellen Thorax-Röntgenaufnahmen zu liefern.

Die Fragmentierung des europäischen Marktes stellt dabei eine besondere Herausforderung für die KI-Ära, in der wir uns befinden, dar. Die Autoren eines von der Europäischen Union in Auftrag gegebenen Berichts stellten fest, dass die Zahl der Teilnehmer an den Krebsvorsorgeprogrammen in der EU weit unter dem gewünschten Niveau lag (nur 12 der 28 Mitgliedstaaten unterhielten eine Art nationales Krebsvorsorgeprogramm). Im Gegensatz dazu waren jedoch die Ausgaben für Personal und die Bereitstellung finanzieller Mittel erheblich. Dazu kam, dass ein weiterer Ausbau der evidenz-basierten Screening-Strategien erforderlich war, um die Lücken sowohl zwischen den EU-Staaten als auch innerhalb der einzelnen Mitgliedstaaten zu schließen.

KI spart Zeit und Kosten

Zu den unterschiedlichen Niveaus bei der Gesundheitsversorgung innerhalb der EU kommen zudem Unterschiede in den Bereichen Kultur, Sprache und bei Behandlungskosten und -optionen. Der Einsatz intelligenter Algorithmen, bezogen auf diese unterschiedlichen Bedürfnisse der jeweiligen Länder und Regionen, kann die Abhängigkeit von überlasteten Fachkräften verringern. Dies gelingt, indem sie ihnen mit der Automatisierung von Arbeiten wie der Bildinterpretation und dem Datenaustausch zur Seite steht, was zur Reduzierung von Risiken und medizinischer Voreingenommenheit führt. Darüber hinaus besteht die Hoffnung, dass KI auch stärker in Verwaltungsaufgaben und das Abrechnungswesen mit einbezogen werden kann. Im Laufe der Zeit sollten Mediziner in der Lage sein, sich auf qualifiziertere Arbeit zu fokussieren, die durch Daten und Informationen basierend auf KI gestützt wird.

Künstliche Intelligenz wird zudem auch den Patienten zugutekommen, die sich regelmäßig untersuchen lassen wollen. In einem spanischen Bericht heißt es: »Die NLST (Anm. d. Red.: National Lung Screening Trial) hatte eine Falsch-Negativ-Rate von 6,3 Prozent. 66 Prozent der Lungenkrebspatienten, die nach einem negativen Screening identifiziert wurden, befanden sich in den Stadien III und IV.« In klinischen KI-Studien wurde deutlich, dass die Systeme die unkritischen Fälle ausschließen können. Dadurch kann Patienten erspart werden, in monatelanger Angst leben zu müssen – und Krankenhäuser arbeiten kosteneffizienter. Lungenkrebs kann so auch viel früher erkannt und diagnostiziert werden.

Es ist zu erwarten, dass neue KI-Technologien den Zugang zur medizinischen Versorgung kostengünstiger machen werden, indem sie automatisierte und effizientere Lösungen für die Analyse und Anwendung präventiver Krebsbehandlungen ermöglichen. Allein die Überalterung der Bevölkerung Europas könnte die öffentlichen Ausgaben für Gesundheit und für Langzeitpflege innerhalb der EU bis 2060 um bis zu 10 Prozent des Bruttosozialprodukts nach oben treiben. Angesichts dieser Zahlen kann nicht erwartet werden, dass die Gesundheitskosten in absehbarer Zeit zurückgehen. Ein Grund mehr, KI-Lösungen einzuführen, da so der Aufwand und die Kosten für die medizinische Grundversorgung in Europa gesenkt und gleichzeitig das Niveau der Gesundheitsversorgung erhalten oder sogar verbessert werden kann.

Unseren Blick auf KI verändern

Die Grundstimmung in der Diskussion um Künstliche Intelligenz im Gesundheitsbereich verändert sich aktuell. Sie geht weg von einem negativen Bedrohungsszenario hin zu den positiven Aspekten. In Zusammenarbeit mit medizinischen Fachkräften und unterstützt durch Partnerschaften mit Technologieunternehmen zeigt sich großes Potenzial, für ein deutliches und schnelles Wachstum in der Branche.

Die Technologie entwickelt sich quasi täglich in Riesenschritten weiter. Sie gibt Einblicke in Bereiche wie Quanten-Computing, künstliche neuronale Netze, Sprach- und Bilderkennung, maschinelles Lernen und Deep Learning sowie unzählige andere Techniken. Bei der Diagnostik von Lungenkrebs hat Infervision beispielsweise dreihunderttausend Formen und Knoten definiert und durch Radiologen und Data Scientists verifiziert. Sie sind die Basis für Deep Learning in diesem spezifischen Fall und garantieren, dass das Deep-Learning-Modell optimal ausgestattet ist, um in jeder Situation die richtige Diagnose zu stellen.

Wie dieses Beispiel zeigt, ist die Medizintechnik dabei, das Niveau der Technologie so zu verbessern, damit sie zu einem echten Nutzen und nicht zu einer Belastung wird. Da immer mehr Krankenhäuser und Ärzte in ihrem beruflichen Alltag mit Künstlicher Intelligenz konfrontiert werden und der Umgang damit vertraut wird, ist es wichtig, weiter darauf zu drängen, KI zu einem integralen Bestandteil der Medizintechnik zu machen. Dies erfordert Zeit, Forschung und gemeinschaftliche Anstrengungen aller Beteiligten. Aber es liegen bereits erfolgsversprechende Ergebnisse vor und in ganz Europa werden Fallstudien durchgeführt.


  1. Aus der Vergangenheit lernen
  2. Lücke zwischen Fortschritt und Realität
  3. »Was uns Röntgen über KI lehrt«

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