Mit einer Silumations-Software haben Forscher Musterbildungsprozesse während der Embryonalentwicklung untersucht. Sie können nun neue Systeme für den Einsatz in der Biotechnologie und regenerativen Medizin aufzeigen.
Wenn neues Leben entsteht, wird aus einem winzigen Haufen identischer Zellen ein ausgewachsener Organismus mit verschiedenen Körperteilen. Vor 60 Jahren schlug Alan Turing die Theorie vor, dass solche Musterbildungsvorgänge während der Embryogenese durch die Ausbreitung zweier unterschiedlicher Signalmoleküle in den sich entwickelnden Geweben gesteuert werden. Wissenschaftler vom Friedrich-Miescher-Laboratorium der Max-Planck-Gesellschaft in Tübingen haben jetzt eine Software entwickelt, die mittels eines mathematischen Algorithmus systematisch realistische Musterbildungssysteme mit mehr als zwei Molekülen analysieren kann.
In Turings sogenanntem Reaktions-Diffusions-Modell reagieren zwei Arten von Signalmolekülen miteinander, die sich durch Diffusion im Embryo ausbreiten. Turing bewies mathematisch, dass die beiden Signalmoleküle räumliche Muster bilden können, wenn sich eines der Moleküle schneller als das andere bewegt. An verschiedenen Positionen im Embryo entstehen so Muster unterschiedlich hoher Molekülkonzentrationen, die den Zellen die Informationen liefern, wo verschiedene Körperteile angelegt werden sollen. Obwohl Turings Modelle den realen Mustern während der Embryonalentwicklung sehr nahe kommen, war sein Ansatz auf zwei Signalmoleküle beschränkt. Tatsächlich liegen der Musterbildung während der Embryonalentwicklung aber komplexe genregulatorische Netzwerke mit mehr als zwei Molekülen zugrunde, die jedoch erst in den Jahrzehnten nach Turings Tod entdeckt wurden.
Ein Team um Patrick Müller vom Friedrich-Miescher-Laboratorium der Max-Planck-Gesellschaft und Wissenschaftler des Centre for Genomic Regulation in Barcelona haben eine neue computergestützte Methode entwickelt, mit der die Musterbildung von Reaktions-Diffusions-Netzwerken systematisch analysiert und simuliert werden kann. Der neue Ansatz berücksichtigt bei den zugrundeliegenden genregulatorischen Netzwerken neben beweglichen Signalmolekülen auch unbewegliche Faktoren, wie etwa Rezeptoren für die Signalmoleküle auf den Zellen des Gewebes.
»Musterbildende Systeme im wirklichen Leben bestehen nicht aus den vereinfachten Zwei-Komponenten-Netzwerken der klassischen Turing-Modelle. Wir wollten komplexere Systeme untersuchen und haben eine anwenderfreundliche Software entwickelt, mit der wir biologisch relevante Netzwerke entdecken können«, sagt Luciano Marcon, Erstautor der Veröffentlichung.