Dass dieser Umstand kurzsichtig ist, weil eine nicht vorhandene Führungskultur zur Abwanderung von wichtigen Mitarbeitern führen kann, weist eine aktuelle Studie der Unternehmens- und Personalberatung Rochus Mummert nach, die die Führungsqualitäten deutscher Manager als unzureichend einstuft. Vor allem die Bereiche Wertschätzung und Förderung des beruflichen Aufstiegs sind in Deutschland demnach unterentwickelt. Bei fast jedem zweiten Arbeitnehmer in Deutschland liegt das letzte Personalgespräch mehr als zwölf Monate zurück, gut jeder dritte Beschäftigte hat seit zwei Jahren nicht mehr mit seinem Vorgesetzten über seine beruflichen Perspektiven gesprochen.
Das große Schweigen in deutschen Unternehmen habe gravierende Folgen, sagen die Berater. Es sorge nicht nur für unklare Jobperspektiven, sondern werde von den Mitarbeitern eindeutig als fehlende persönliche Wertschätzung wahrgenommen. So glauben rund 40 Prozent der Beschäftigten, dass ihr Vorgesetzter nicht weiß, wie wichtig sie für das Unternehmen sind. "Vor allem Leistungsträger reagieren auf fehlende Wertschätzung und mangelnde Perspektiven mit einem Loyalitätsabbau gegenüber ihrem Arbeitgeber", sagt Hans-Joachim Maar, Partner bei Rochus Mummert. Die Folge: Die besten Mitarbeiter verlassen das Unternehmen zuerst. Angesichts des sich verschärfenden Mangels vor allem bei Führungskräften mit technischer oder naturwissenschaftlicher Ausbildung könne das sehr schnell kritisch werden.
Doch auch Unternehmen, in denen regelmäßig Mitarbeitergespräche stattfinden, wiegen sich oftmals in falscher Sicherheit, glaubt Maar. So werden laut Studie bei mehr als der Hälfte der Beschäftigten konkrete Maßnahmen zur Weiterentwicklung der individuellen Kompetenzen selten oder nie von den Vorgesetzten thematisiert. "Die offenbar mangelnde Qualität in vielen Personalgesprächen ist ein echtes Alarmsignal. Denn nur ein Arbeitgeber, der seine Leistungsträger durch eine Weiterentwicklung der persönlichen, fachlichen, sozialen und methodischen Kompetenzen für den Arbeitsmarkt flexibel hält, kann diese - zumindest für einen längeren Zeitraum - an sich binden", sagt Rochus-Mummert-Partner Maar.
Die Ergebnisse der Umfrage zeigen damit, dass die in jüngsten Studien festgestellte allgemeine Unzufriedenheit unter Deutschlands Arbeitnehmern ganz konkrete und vor allem hausgemachte Gründe hat.
"Bis heute wird etwa das Thema Führungskräftemangel in der Regel immer noch als ein rein quantitatives Problem betrachtet", hat Rochus-Mummert-Partner Maar beobachtet. "Die Veränderungen im Wertesystem der Gesellschaft und ihre Bedeutung für den Arbeitsmarkt werden bei dieser Sichtweise aber deutlich unterschätzt.", so Maar weiter.
Führungskräftetrainerin Uta von Boyen, Geschäftsführerin der gleichnamigen Personal- und Unternehmensberatung und Entwicklerin eines neuen Führungskräfteentwicklungskonzepts, kennt die Kriterien, die eine gute Führungskraft heute auszeichnen: »Die Märkte und Anforderungen an Organisationen haben sich in den letzten Jahren stark verändert. Chefs müssen heute ‚Binnenunternehmer’ sein, fachübergreifend und strategisch denken können, den Führungsnachwuchs fördern und persönliche Ziele an die des Unternehmens anpassen können. Bis vor Kurzem gab es allerdings noch keine passenden oder nur unzureichende Antworten am Markt, die die Themen Führung, Organisation und Business Development erfolgreich vereinen«, bedauert von Boyen.