Während aus Kostengründen in vielen Teilen der Wirtschaft Personalentwicklung auf Sparflamme köchelt, entwickelt die stark wachsende Pharma- und Medizintechnik-Branche ihre Talente mit umfangreichen Programmen.
In drei Jahren vom einfachen Elektroingenieur zur internationalen Führungskraft – das hätte Dietmar Stadler sich nicht träumen lassen. Kurz nach seinem Einstieg bei Roche hatte der 41-jährige bereits die Leitung von drei Abteilungen in Personalunion übernommen. Weil sein Chef sein Talent früh erkannt hatte, durfte er am Personalentwicklungsprogramm Horizons mit Seminaren an der London Business School teilnehmen – und hat sich damit für den Einsatz als weltweite Führungskraft qualifiziert.
Ein Überflieger? Bestimmt, aber mit System. Elke Schüler, Leiterin HR Stategische Programme bei Roche Diagnostics in Mannheim, beeilt sich zu versichern, dass Roche kein Interesse daran hat, Talente unentdeckt als kleine Rädchen im Getriebe des Weltkonzern untergehen zu lassen. »Wer Talent hat, wird optimal gefördert. Das Unternehmen will Leistungsträger entwickeln.«
Bereits beim Eintritt in die Firma beginnt für überdurchschnittlich qualifizierte Hochschulabsolventen das »Management Start up Programm«. Informatiker, Ingenieure und Wirtschaftswissenschaftler erhalten die zweijährige »Classics«-Variante des Programms, bei dem sie an verschiedenen Stationen des Unternehmens Erfahrungen sammeln. Promovierte Naturwissenschaftler beschäftigen sich im Rahmen der Scientist-Variante drei Jahre lang mit einem eigenen Forschungsprojekt.
Wer es bereits zur Führungskraft gebracht hat, erhält mit dem Leadership-Programmen den richtigen Feinschliff. Besondere Talente wie Dietmar Stadler erhalten globale Förderprogramme. Damit solle, so Schüler, »eine Pipeline mit High Potentials für Schlüsselfunktionen im Unternehmen aufgebaut werden.«
Ein weiterer Top-Arbeitgeber für Ingenieure ist General Electric. Das Unternehmen räumte 2008 sogar den ersten Platz in der Kategorie »Entwicklungsmöglichkeiten« beim Wettbewerb »Top-Arbeitgeber Ingenieure« ab. Den jeweils 2. Platz gab es in den Kategorien »Unternehmenskultur« und »Jobsicherheit« und den 3. Platz in der Kategorie »Vergütung«. Im Gesamtranking erreichte das Unternehmen damit den 2. Platz – von 140 teilnehmenden Unternehmen mit einem überdurchschnittlichen Bedarf an Ingenieuren.
Rolf Hannesen, Human Resources Leader Central Europe bei GE Healthcare, erläutert die Entwicklungsmöglichkeiten: »Als echter Global Player mit einer unerreicht breiten Palette von Hightech-Produkten können wir unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Chancen und Perspektiven für ihre berufliche Karriere bieten, die schwer zu übertreffen sind.« In mehr als 50 Berufsfeldern sucht GE Healthcare Ingenieure und Techniker aus allen Bereichen der Medizintechnik, Informatik, Biotechnologie und Naturwissenschaften. »Wir bieten die unterschiedlichsten Entwicklungs- und Karrierewege, national und international. GE investiert jährlich mehr als 1 Milliarde Dollar in die Entwicklung seiner Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Mit über 1600 eigenen Trainingsprogrammen zählen wir zu den führenden Unternehmen!« Um den Weiterentwicklungsbedarf zu erkennen, setzt GE einen weltweit vereinheitlichten Personalentwicklungsprozess ein.
Erst vorletzte Woche fand in München eine Jobmesse speziell für die Healthcare-Branche statt. Veranstalter T5 Futures hat den Bedarf erkannt: »Die Healthcare-Branche bietet phantastische Berufschancen für Ingenieure und Naturwissenschaftler.« Insgesamt über 3.000 Mitarbeiter würden allein von den Ausstellern in München aktuell gesucht. T5-Geschäftsführer Klaus-Peter Kaas: »Die Branche hat sich wahnsinnig entwickelt! Für den Bereich Biotechnologie, Medizintechnik und Verfahrenstechnik suchen die Firmen Ingenieure. Diese Qualifikation wird fast schon genauso stark wie ein naturwissenschaftlicher Abschluss nachgefragt.« Das liege an der stark gestiegenen Forschungsleistung der Unternehmen. Neben den großen Konzernen seien auch Start-ups und der Mittelstand stark beteiligt. Biotech-Zentren sind in München-Martinsried und Berlin-Adlershof entstanden.
Der Ingenieursbedarf ist so groß, dass der Studienschwerpunkt zweitrangig geworden ist: die Unternehmen sind bereit, Branchenfremde einzuarbeiten, weiß Kaas. »Sofern sie ein akademisches Grundverständnis mitbringen, eine Affinität für den Gesundheitsmarkt sowie die nötige Offenheit und Bereitsschaft zu lernen – dann ist auch die Bereitschaft der Unternehmen, in den Mitarbeiter zu investieren, voll da!« Noch schneller aufwärts könne es gehen, wenn man bereit ist, nach Österreich oder in die Schweiz zu gehen, verrät Kaas. »Hier herrscht Vollbeschäftigung!«