Medizintechnik wird langfristig boomen, da sind sich die Verbände und Unternehmen der Branche sicher. Den Bedarf an qualifizierten Fachkräften decken spezialisierte Medizintechnik-Studiengänge, doch auch Quereinsteiger haben gute Chancen.
Trotz einem aktuellen Wachstumsknick für das Jahr 2009 sieht die langfristige Prognose für die Medizin und Gesundheitstechnik blendend aus. In einer Studie zur Lage der Medizintechnik in Deutschland identifizierte das Bundesministerium für Bildung und Forschung die Medizintechnik als einen der Wachstumsmärkte der Zukunft. Die Gründe liegen auf der Hand: Eine älter werdende Gesellschaft will auch im Alter noch unabhängig und selbständig leben können. Möglich machen werden das in Zukunft telemedizinische Systeme, die die ständige Kommunikation medizinischer Daten zwischen Patient und Arzt über die Distanz ermöglichen. Darüber hinaus werden sich die Diagnosesysteme weiter verbessern. Schlüsseltechnologien für den Fortschritt in dieser Branche sind neben den Biotechnologien vor allem Informations- und Kommunikationstechnik, Mikrosystemtechnik und die Mikroelektronik.
Spezialisierung ab dem ersten Semester
Die Hochschulen und Universitäten reagieren auf den Wachstumstrend in der Medizin- und Gesundheitstechnik und schaffen neue medizintechnische Ingenieursstudiengänge. Sie sollen die Studenten ab dem ersten Semester auf eine spätere Karriere in der Medizin- und Gesundheitstechnik vorbereiten. So auch an der Universität Erlangen-Nürnberg. Dort startete zum Wintersemester 2009 der neue Bachelor-Studiengang Medizintechnik, in drei Jahren soll ein Master-Studiengang folgen. In diesem Studiengang werden zuerst die ingenieurswissenschaftlichen Grundlagen gelegt, ab dem vierten Semester können sich die Studenten schwerpunktmäßig auf Elektrotechnik/Informationstechnik/Informatik oder Maschinenbau/Werkstoffwissenschaften/Chemie konzentrieren. In Erlangen arbeitet die neue Fakultät für Medizintechnik eng mit der medizinischen Fakultät zusammen, so können Studenten direkt im klinischen Umfeld Grundprinzipien medizinischer Abläufe erlernen. Neben Kenntnissen in Anatomie und Physiologie gehören dazu auch therapeutische und diagnostische Verfahren.
Der Arbeitsmarkt für Medizintechnik-Absolventen sieht auch in Krisenzeiten gut aus: »Unsere Absolventen bekommen auch jetzt noch Diplomarbeiten bei Unternehmen und die Jobs sind ebenfalls noch da.«, so Prof. Blechschmitt-Trapp, Professor für Medizintechnik und Mechatronik an der Hochschule Ulm. In anderen Studiengängen sähe es da momentan ganz anders aus: »In anderen Fachrichtungen kann es den Diplomanden schon mal passieren, dass sie 10 Bewerbungen um einen Diplomandenplatz abschicken und nur Absagen bekommen. In der Medizintechnik ist das momentan nicht der Fall.«
Gute Chancen für Elektrotechnik-Ingenieure
Doch nicht nur Medizintechnik-Absolventen haben eine Chance im Medizintechnik- und Gesundheits-Sektor: Auch Elektrotechniker, Mechatroniker, Maschinenbauer und Informatiker werden von Medizintechnik-Unternehmen als Quereinsteiger eingestellt – teilweise sogar bevorzugt, wie Michael Schirmeier berichtet. Er ist Geschäftsführer von livetec, einem Ingenieurbüro für medizintechnische Auftragsentwicklung. Für sein Entwicklungsbüro sucht er vor allem den »klassischen Elektronik-Entwickler«. Er stellt bevorzugt Elektrotechnik-Ingenieure ein, gern mit Bachelor-Abschluss von einer Berufsakademie oder Hochschule. Das medizintechnische Know-how eignen sich seine Mitarbeiter durch die Arbeit an den unterschiedlichen Projekten an. Schirmeier entwickelt mit seinem Team Geräte für Medizintechnik-Unternehmen, setzt aber auch eigene Projekte um. Aufgrund der Bandbreite der Projekte sucht Schirmeier eher nach Generalisten. Denn das Spektrum seiner Entwicklungsprojekte reicht vom niederenergetischen Lasersystem für die Schmerztherapie bis zum externen Herzschrittmacher.
Einen genauer definierten Arbeitsbereich und die Möglichkeit sich zu spezialisieren, bieten da schon eher die großen Konzerne. Das Einstellungskriterium dort? »Der Bewerber muss durch sein Können überzeugen«, so Erik Laatsch, Gruppenleiter Elektronikentwicklung beim Prothesen-Spezialisten Otto Bock. »Ob da nun Elektrotechnik, Mechatronik oder Medizintechnik auf dem Diplom- oder Master-Zeugnis steht, spielt für uns keine Rolle«. Der Bachelor-Abschluss reicht aber für den Einstieg beim Vorreiter für mikroelektronisch gesteuerte Prothesen nicht aus: »ein Master-Abschluss sollte es schon sein«, so Laatsch. Viele Absolventen kommen über die Diplomarbeit zu Otto Bock und werden in ein festes Arbeitsverhältnis übernommen, wenn sie von ihrem Können überzeugen konnten.