Studenten der Ingenieurswissenschaften in sog. MINT-Fächern kommen häufig nicht zum Abschluss. Zahlreiche Förderprogramme wurden deshalb deutschlandweit gestartet. Das Problem sind die ersten zwei Semester.
Laut Untersuchungen könnte schon durch eine Senkung der Abbrecherquote um ein Viertel die Zahl der Absolventen in den Ingenieurwissenschaften in Deutschland pro Jahr um 7.900 erhöht werden. Ziel großangelegter Aktionen von Politik und Wirtschaftsverbänden ist es deshalb, diese Quote in den Studiengebieten Mathematik, Ingenieurwissenschaften, Naturwissenschaften und Technik (MINT) deutschlandweit deutlich zu verringern.
Ein Zwischenbericht, der jetzt in München vorgelegt wurde, zeigt auf, wo die Probleme liegen. Bertram Brossardt: »Schon jetzt ist erkennbar, dass die größten Probleme mit Studienabbrechern in den ersten beiden Semestern auftreten. Deswegen müssen wir die Schnittstellen von den Gymnasien zu den Hochschulen verbessern.« Zudem gehe es darum, die Vorbildung zu forcieren und die Betreuung vor allem für schwächere Studenten zu intensivieren. Brossardt kündigte für das Ende des Projekts einen Maßnahmenkatalog an, der den bayerischen Hochschulen als Leitlinie dienen soll, um mehr Studierende in den MINT-Fächern zum Abschluss zu führen.
Bayerns Wissenschaftsminister Wolfgang Heubisch und Bertram Brossardt, Hauptgeschäftsführer der vbw – Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e. V., sind sich einig: Studienabbrecherquoten in den MINT-Fächern von teilweise über 30 Prozent können nicht länger hingenommen werden.
Brossardt: »Die bayerische Wirtschaft braucht Fachkräfte. In den nächsten Jahren wird sich unabhängig von der konjunkturellen Lage der Fachkräftemangel durch den demografischen Wandel verschärfen. Das können und dürfen wir uns nicht leisten.«
Eine von der Vereinigung der bayerischen Wirtschaft in Auftrag gegebene Studie »Arbeitslandschaft 2030« zeigt folgende Trends: Bis 2030 fehlen bis zu 5,5 Millionen Arbeitskräfte, in Bayern sind es 1,5 Millionen Arbeitskräfte. Bis 2030 werden 26 Prozent der Jobs für Naturwissenschaftler und Mathematiker nicht besetzt werden können, bei Ingenieuren sind es 24 Prozent. Besonders von diesem Trend betroffen sind Jobs für hochqualifizierte Mitarbeiter. Auch mitten in der Krise fehlen Ingenieure: Laut VDI betrug die Ingenieurslücke im August 27.300 Stellen. Schon 2015 werden 11 Prozent der Stellen für Ingenieure und Naturwissenschaftler nicht besetzt werden können – über 220.000 Stellen. Brossardt: »Es geht also genau um den Studierenden-Jahrgang, der jetzt in die Universitäten und Hochschulen kommt!«
Diese Entwicklung sei jetzt durch die Wirtschaftskrise größtenteils überdeckt. Aber selbst jetzt bestehe zumindest für Spezialanforderungen ein nachhaltiger Mangel. Man habe im internationalen Vergleich hohe Studienanfänger-, aber niedrige Absolventenquoten. 315.000 Studienanfängern im Jahr 2000 stünden lediglich 192.000 Hochschulabsolventen im Jahr 2004 gegenüber – das sei deutlich zu wenig.
Kernziel müsse es deshalb sein, die Studienabbruchquoten zu senken, zumal Deutschland bei den MINT-Absolventen in der Schlussgruppe liege, betont Brossardt. Man könne es sich künftig nicht mehr leisten, dass bei Bachelor-Studiengängen auf den Universitäten jeder vierte, auf den Fachhochschulen gar 39 Prozent ihr Studium abbrächen. Bei Mathematik und Naturwissenschaften liegt die Abbrecherquote bei 28 Prozent (zum Vergleich: Medizin 5 Prozent). Im MINT-Bereich sind die Abbrecherquoten in den letzten Jahren sogar noch gestiegen, Beispiel Mathematik an Unis: von 12 Prozent bei der Absolvia 1999 auf 31 Prozent bei der Absolvia 2006.
Ein neues Projekt soll nun Abhilfe schaffen. Die Vereinigung der bayerischen Wirtschaft e.V. (vbw) sowie die bayerischen Metallarbeitgeberverbände BayME/VBM haben deshalb das auf drei Jahre angelegte Projekt »Wege zu mehr MINT-Absolventen« gestartet.
Bayerns Wissenschaftsminister Wolfgang Heubisch kündigte an, dass die Initiative rasch und konsequent fortgeführt werde. »Wir werden die Ergebnisse des Zwischenberichts sorgfältig auswerten und im Gespräch mit den bayerischen Hochschulen nach Wegen suchen, wie die Projekte zügig in der Breite umgesetzt werden können. Dabei soll es auch Raum für neue Ideen geben.«
Das Ministerium werde finanzielle Anreize schaffen, um die Hochschulen bei ihrem Engagement in den MINT-Fächern zu unterstützen. Heubisch lobte das Projekt der Verbände: »Mit dieser Initiative hat die bayerische Wirtschaft Weitblick und Engagement bewiesen.« Der Wirtschafts- und Forschungsstandort Deutschland brauche dringend mehr Ingenieure, Mathematiker, Informatiker und Naturwissenschaftler nahezu aller Disziplinen. Dies gelte auch – oder gerade – in Zeiten der Wirtschaftskrise.
Das Bayerische Staatsinstitut für Hochschulforschung und Hochschulplanung (IHF) begleitet die aus zehn Einzelprojekten bestehende Initiative wissenschaftlich über die gesamte Projektlaufzeit. IHF-Leiter Professor Hans-Ulrich Küpper: »Studienabbruch ist ein sehr vielfältiges Phänomen, das in unterschiedlichen Studienphasen auftritt und von den Hochschulen deshalb mit sehr unterschiedlichen Maßnahmen angegangen werden muss.« Er begrüßt daher besonders, dass die beteiligten Hochschulen so viele verschiedene Ansätze verfolgen, die von Schulprojekten und Studierfähigkeitstests über »Frühwarnsysteme« für abbruchgefährdete Studierende bis hin zu Tutorien und Mentoring-Programmen reichen.