Doch können Unternehmen über tägliches Herumstöbern in den Social Media tatsächlich ihren Fachkräftemangel entschärfen? „Für Berufserfahrene und Führungskräfte spielen die sozialen Medien beim Suchen von neuen Stellen nur eine untergeordnete Rolle“, widerspricht Bernhard Schelenz dem Professor.
Als Inhaber einer Agentur für HR-Kommunikation im pfälzischen Großkarlbach steuert Schelenz Auftrag von Personalabteilungen regelmäßig alle gängigen Zugangskanäle zu den begehrten Fach- und Führungskräften an und weiß: „Facebook zum Beispiel ist ein eher junges Medium – auch wenn das Durchschnittsalter aller Facebook-Nutzer deutlich über 30 Jahren liegt. Ein erfahrener Bereichsleiter Forschung und Entwicklung oder ein gesuchter technischer Spezialist informiert sich nicht in ‚stylisch‘ und ‚hip‘ anmutenden Medienkanälen, wenn er eine neue Stelle sucht. Für ihn oder sie sind die klassische Print-Anzeige, der Headhunter, die Karriereseite eines Unternehmens und das persönliche Netzwerk die bevorzugten Informationsquellen.“
Leider, fügt Schelenz, hinzu, berieten viele Kommunikationsexperten die Kunden falsch, weil Social Media für Modernität und Jugendlichkeit stünden – und in diesem Umfeld wähnten sich die oft jungen Mitarbeiter der Agenturen zu Hause.
Der Berater warnt davor, die eigene Neigung mit jener der Zielgruppe gleichzusetzen: „Das Professional-Recruiting ist ein völlig anderes Spielfeld als das Azubi- oder Absolventen-Recruiting.“ Bestätigt wird er von der renommierten Leseranalyse Entscheidungsträger in Wirtschaft und Verwaltung (LAE). So heißt es in der aktuellen Ausgabe klipp und klar: „Die Entscheider in deutschen Unternehmen geben Print den Vorzug."
Zugespitzter noch als der HR-Kommunikationsberater sieht Professor Dr. Gunther Olesch, das Recruiting über Social Media als Generationsproblem. „Heute erreicht man hochqualifizierte Fachkräfte über 40 Jahre noch nicht über Social Media“, versichert der Geschäftsführer Personal, Informatik und Recht bei Phoenix Contact in Blomberg, „denn sie sind nicht mit Facebook & Co. aufgewachsen.“
Das werde sich freilich in den nächsten Jahren ändern, „wenn dann die heutige Generation Y an den entscheidenden Stellen sitzt.“ Selbst Klaus Rümmele, Leiter Neue Medien am Karlsruhe Institut für Technologie (KIT) glaubt nicht, dass man hochkarätige Professionals hemdsärmelig in einem Chat oder Forum ansprechen und darüber für sich gewinnen könne.
„Doktoranden zum Beispiel knüpfen Kontakte über Industrieprojekte, da zieht das offene Prinzip der Netzwerke“, weiß Rümmele. Weil die Zahl der erfahrenen Ingenieure weiter abnehmen werde, gäbe es künftig noch mehr zu besetzende Ingenieurs- und Technikerstellen und noch weniger Interessenten.
Mit der Folge: „Die Enge der persönlichen Kontakte wird zunehmen, und da spielen die sozialen Netzwerke dann nicht mehr die Rolle.“ Anders sei das bei den heute 18- bis -27-Jährigen: „Sie sind ganz klar in der Mehrheit unserer Follower bei Twitter und bei Facebook.“
Doch bis sie in das Alter und in die Liga der gesuchten Führungskräfte und Hightech-Spezialisten hineingewachsen sind, werden sie ihre Netzwerke geformt haben – so, wie das die vorangegangene Generation auch getan hat.