»Wie viele Proben müssen es eigentlich sein?«, will ein Ingenieur (so die Visitenkarte) auf einer Fachmesse wissen. Eigentlich interessiert er sich dafür, wie viele Produkte aus der Fertigung analysiert werden müssen, damit das Ergebnis an der Stichprobe innerhalb eines Vertrauensbereichs repräsentativ für den gesamten Fertigungsumfang ist. Weiter kommt es allerdings nicht mehr. Nach Abschätzung der Stichprobengröße wird schnell klar, dass das verfügbare finanzielle Budget für die notwendigen Analysen nicht ausreicht. Die nächste Frage: »Wieviele Proben kann man für 8000 EUR analysieren lassen?« demonstriert, dass an der Ausbildung in wesentlichen mathematisch/statistischen Grundlagen gespart wird. Natürlich lassen sich mit limitierten Budgets auch limitierte Probenmengen analysieren – doch das Ergebnis lässt nur bedingt Rückschlüsse auf die Fertigung zu.
Ein weiterer Fall setzt noch eins drauf: ein Lieferant möchte 5 Proben analysiert bekommen, um gegenüber einem zweifelnden Kunden sicherzustellen, dass in der Fertigung alles in Ordnung ist! Hier wird ein grundlegendes Prinzip glatt ins Gegenteil verkehrt: die Hypothese soll bestätigt werden, anstatt zu versuchen sie zu widerlegen! Ziel: ein ruhiges Gewissen. Ein paar Proben, wissenschaftliche Analysen, ein ausführlicher Bericht vermitteln einen kompetenten Eindruck und wiegen in trügerischer Sicherheit. Hier schlägt die Kontrollillusion zu - Hauptsache, es wird überhaupt etwas getan.
»Der Markt schreit nach Ware« – wer denkt in dieser Situation noch über Wahrscheinlichkeiten nach?«
Qualität geht über den formalen Nachweis entsprechender ISO- und anderer Industrie-Zertifizierungen zu Marketingzwecken hinaus. Qualitätsbewusstsein ist eine Haltung, die sich letztlich aus Verantwortung speist. Appelle an die Verantwortung geraten besonders dort schnell unter die Räder, wo Geschwindigkeit zum dominierenden Geschäftsmodell wird. »Der Markt schreit nach Ware« – wer denkt in dieser Situation noch über Wahrscheinlichkeiten nach? Derlei Trends sorgen für eine schleichende Erosion der Organisationsstrukturen, Qualität wird ge-outsourced. Mangels Know-How werden dann zweifelhafte Alterungsmodelle im Internet ge-googled, das QM-Handbuch steht irgendwo unauffindbar im Netz online. Qualität ist über Verantwortung an Nachhaltigkeit gekoppelt: sie sichert die Produktzuverlässigkeit über längere Zeiträume, ist also das Gegenteil von Kurzlebigkeit. An letztere haben wir uns bereits durch permanente Produkt-Upgrades gewöhnt. Die Latte für Qualitätsingenieure liegt hoch, deshalb ist eine fundierte Aus- und Weiterbildung essentiell: die Gesetze der Wahrscheinlichkeit sind ein nutzbringendes Werkzeug in Händen guter Qualitätsingenieure. Sie schaffen dort Fakten, wo Entscheidungen von Emotionen und unbewussten Denkprozessen gesteuert werden. In einer komplexen Welt mit komplexen Produkten steht Zuverlässigkeit auch immer für Verlässlichkeit und für Sicherheit. Qualität ist eine unserer wesentlichen Stärken auf den globalen Märkten.