Patentrecht

»Ein übergroßer Teil der Patente ist rein taktisch und nicht innovativ«

19. Juni 2008, 10:22 Uhr | Corinne Schindlbeck, Markt&Technik
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Fortsetzung des Artikels von Teil 1

Wäre mit einer Verschärfung der Erteilungsrichtlinien geholfen?

Wäre mit einer Verschärfung der Erteilungsrichtlinien geholfen?

Strengere Erteilungsrichtlinien würden die Patentflut eindämmen, damit aber die Ämter erst nach Abbau der Warteschlange in einigen Jahren entlasten. Dies ist zumindest der richtige Weg, da sich der Fachkräftemangel in den Ämtern bei einem insgesamt schwachen Angebot und hoher Nachfrage nach Ingenieuren nicht und schon gar nicht im Wettbewerb zur Industrie beheben lässt. Doppelstudium und ein nicht selten beobachteter Frust des »Technikers« gegenüber heutigen Patenttexten tun ein Übriges. Außerdem hat sich herumgesprochen, dass es mit der Freiheit des Prüfers in Selbstverantwortung eher vorbei ist.

Leiden die Patentämter unter Sparzwang? Oder wie lässt sich ihre Überlastung erklären?

Einen gesunden Sparzwang kann man eigentlich nur begrüßen, da sich das Patentamt aus Patenten finanziert und sich im Interessenskonflikt befindet: Einnahmen, Einfluss und die Stellenhierarchie sind mit der Zahl der Patente gewachsen. Kann man dem Patentamt zutrauen, selbst und nachhaltig die Erteilungsrichtlinien sogar auf Kosten der Patentzahl zu verschärfen?

Hier ist der Gesetzgeber gefordert, wobei sich aber das EPA in seiner über-europäischen Organisation klaren Zuständigkeiten entzieht. Der Verwaltungsrat des EPA ist überwiegend mit den Vertretern nationaler Patentämter besetzt, die wiederum die Hälfte der Gebühren erhalten. Wirtschaft, Mittelstand, EU-Parlament und auch die nationale Politik bleiben ohne Zugriff. Ich glaube, wir dürfen uns nicht allein auf Selbstheilungseffekte des Systems verlassen, sondern müssen insbesondere durch den betroffenen Mittelstand Stellung beziehen und Reformen einfordern.

Politik und Gesetzgeber, aber auch die Medien haben zu lange das Problem ignoriert und Patente mit Innovation gleichgesetzt. Patenten wird mit ihrer Erteilung zu leichtfertig Gesetzeskraft zugebilligt im Selbstverständnis aus einer Zeit vor der Anmeldungsexplosion, als Prüfer eine Erfindung noch intensiv und vor dem gesamten Stand der Technik prüfen konnten. Man zitiert immer noch den Segen der geschützten Adidas Schraubstollen oder Fischerdübel, heute eher seltene Blockbuster-Patente. Inzwischen hat aber ein Prüfer nur noch 2 Tage Zeit, im Patentdickicht und vor einem übergroßen Stand der Technik einen nicht selten verklausulierten und verallgemeinerten Patenttext außerhalb der technisch gebräuchlichen Nomenklatur zu durchdringen, den Stand der Technik international zu recherchieren und abzugrenzen. Die Erteilung wird ihm in der Amtspraxis leichter gemacht als die Ablehnung, und ein übergroßer Teil der Patente ist strategisch und taktisch und bezieht sich eben nicht mehr auf die großen Innovationen.

 


  1. »Ein übergroßer Teil der Patente ist rein taktisch und nicht innovativ«
  2. Wäre mit einer Verschärfung der Erteilungsrichtlinien geholfen?
  3. Ist da nicht die Politik gefordert?
  4. »Ein übergroßer Teil der Patente ist rein taktisch und nicht innovativ«
  5. »Ein übergroßer Teil der Patente ist rein taktisch und nicht innovativ«
  6. Patentrecht beschränken

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