Souveränität, wer wünscht sich das nicht? Schließlich bestimmt unser Verhalten maßgeblich den Stellenwert, den wir in den Augen der anderen einnehmen. Und dieses Fremdbild befördert oder behindert unsere Zielerreichung. Im Interview mit dem Züricher Entwicklungspsychologen und psychologischen Berater Professor Dr. Jürg Frick forschte Wirtschaftsjournalist Hartmut Volk nach dem Geheimnis souveränen Verhaltens.
Herr Professor Frick, was charakterisiert souveräne Menschen?
Professor Dr. Jürg Frick: »Souverän« im Sprachgebrauch des Duden heißt soviel wie »jeder Situation gewachsen, überlegen« sein. Zeigen Sie mir den Menschen, dem das durchgängig gelingt! Aber souveräne Menschen strahlen eine gewisse Eigenständigkeit aus, eine geistige Unabhängigkeit. Sie wirken und agieren unaufgeregt, sind sich ihrer selbst sicher, ohne überlegen oder anmaßend zu wirken.
Zeigt sich das im Alltag an bestimmten Verhaltensweisen?
Ganz typisch für souveräne Menschen: Sie sind in kritischen Situationen besonnener und behalten länger den Überblick. Sie übernehmen für sich und ihre möglichen Fehler nüchtern die Verantwortung, statt andere zu beschuldigen. Souveräne Menschen suchen Lösungen statt Schuldige und Fehler. Deswegen sind sie auch stärker gegenwarts- und zukunftsbezogen als vergangenheitsorientiert. Souveräne Menschen lassen sich nicht provozieren! Weder von Menschen noch von Situationen. Angriffe, Widerstände, Hindernisse, Niederlagen irritieren oder entmutigen sie nicht, auch lassen sie sich durch diese Umstände nicht zu unbedachtem Verhalten verleiten.
Lässt sich souveränes Verhalten erlernen?
Souveränität ist ein Prozess. Souveränität bringt man nicht mit auf die Welt, man erwirbt sie sich im Laufe der Jahre. Besonders die Erfahrung, Schwierigkeiten aus eigener Kraft bewältigen zu können, fördert und stärkt die souveräne Haltung eines Menschen. Meist wird die Basis für Souveränität schon in der Kindheit und Jugend gelegt. Souveräne Menschen haben schon früh gelernt, in kritischen Situationen ihre Gefühle, Gedanken und Verhaltensweisen besser zu kontrollieren und so angemessener – und das heißt auch: weniger sich selber dadurch schädigend – zu reagieren. Später kommen weitere wichtige Erfahrungen im Umgang mit Menschen und Schwierigkeiten dazu. So lernen sie sukzessive, mit diffizilen Situationen und/oder Menschen umzugehen, darauf Einfluss zu nehmen, sie zu steuern.
Das klingt nach starkem Selbstvertrauen …
Souveräne Menschen vertrauen auf sich, ohne das in Arroganz oder Überheblichkeit ausarten zu lassen. Dieses Selbstvertrauen ist ein wichtiger Baustein der Souveränität. Und ebenfalls nicht unwichtig: Obwohl sie stets »wach« sind, plagt souveräne Menschen kein Misstrauen – ein Gefühl, das wenig souveränen Menschen ständig im Nacken sitzt. Souveräne Menschen erleben sich, wie der amerikanische Psychologe Bandura es ausdrückt, als selbstwirksam. Und – sie haben auch angemessenere Ansprüche und realistischere Erwartungen an sich selber und ihre Mitmenschen. Und aus ihrem Selbstvertrauen heraus sehen sie ihre eigenen Grenzen auch klarer und unbefangener.
Souveränität ist also …
… äußerer Ausdruck einer inneren Haltung! Souveränität gründet auf der uneitlen Überzeugung, etwas (nicht alles!) zu wissen und zu können. Aus dieser unüberheblichen Selbsteinschätzung heraus sind sich souveräne Menschen ihrer Vorzüge und Nachteile bewusst, und sie akzeptieren und wertschätzen sich in ihrem »unvollkommenen Zuschnitt«, zweifeln und kritteln also nicht laufend an sich herum. Ihre Einstellung zu sich selber ist: Ich bin gut so, ich genüge mit meinen Vorzügen und Schwächen. Und diese Überzeugung bewirkt innere Sicherheit, Ruhe, Sachlichkeit. Und das strahlt nach außen ab – als Souveränität.
Gibt es ein »Geheimnis« souveräner Menschen?
Wenn Sie so wollen: Sie arbeiten mehr an sich als andere, durchdenken alles konsequenter, wissen präziser, was und wohin sie wollen, lassen sich kaum von Situationen mitreißen. Daraus und aus der Gewissheit, dass sich – häufig bis meistens – für alles schon ein Weg, eine Lösung finden lässt, resultiert ihre ruhige, überlegte Haltung.