Die deutsche Elektro- und Digitalindustrie leidet unter hoher Regulierung und Bürokratie. Der ZVEI fordert klare Reformen.
Überreguliert und teuer, das ist die Diagnose des ZVEI für den Industriestandort Deutschland. »Immer deutlicher tritt zu Tage, dass die Probleme nicht nur konjunktureller, sondern auch struktureller Art sind«, so Dr. Gunther Kegel, Präsident des ZVEI anlässlich der Jahresauftakt-Pressekonferenz letzte Woche. Angesichts eines Produktionsrückgangs um über 9 Prozent 2024 und eines für 2025 erwarteten weiteren Produktionsrückgangs von 2 Prozent formuliert der ZVEI klare Forderungen an eine neue Bundesregierung: »Um ein weiteres Rezessionsjahr zu verhindern, muss die kommende Regierung dringen handeln!«
Der ZVEI fordert eine Effizienzwende »nicht nur technologisch, sondern insbesondere auch politisch und regulatorisch«. In den aktuellen Wahlprogrammen der Parteien findet Dr. Kegel dazu wenig Klarheit: »Wo ist die politische Kraft, die die Zukunft wirklich gestalten will?« Eines der größten Probleme: Die politische Regulatorik sei aus dem Ruder gelaufen. Dr. Kegel verweist auf 13 000 neue EU-Regulierungen in den zurückliegenden fünf Jahren, in den USA kamen in diesem Zeitraum gerade einmal 3000 hinzu. Vor diesem Hintergrund liegen allein die jährlichen Bürokratiekosten für die deutsche Wirtschaft laut Normenkontrollrat bei über 65 Milliarden Euro.
Die Lösung für die Probleme muss für Dr. Kegel aus der politischen Mitte in Deutschland kommen. Der ZVEI appelliert zur Teilnahme an der kommenden Bundestagswahl und weist zum wiederholten Male darauf hin, dass die Zielsetzungen der AfD zu den Themen Euro, Fachkräftemangel und EU den deutschen Wirtschaftsinteressen diametral entgegenstehen. Zu den Forderungen an eine neue Bundesregierung zählen unter anderem der Stopp des deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtgesetzes und seine Neuaufsetzung auf Basis einer dringend zu ändernden EU-Vorgabe. Darüber hinaus fordert der ZVEI die Komplettabschaffung des Solidaritätszuschlags und die Senkung der Unternehmenssteuerbelastung auf ein international wettbewerbsfähiges Niveau.
Wolfgang Weber, Vorsitzender der ZVEI-Geschäftsführung, forderte auf der Jahresauftakt-Pressekonferenz, »dass die Stromsteuer durch die nächste Bundesregierung für alle Verbrauchergruppen, privaten Haushalte, Gewerbe, Handel und Dienstleistungen auf den europäischen Mindestsatz gesenkt werde«. Wichtig sei es zudem, den dringend notwendigen Ausbau und die Modernisierung der Stromnetze als gesamtgesellschaftliche Aufgabe zu betrachten, wie das zum Beispiel beim Thema Wärmeplanung in den letzten Jahren gelungen sei, und sie während der Netzausbauphase zumindest teilweise aus dem Bundehaushalt zu bestreiten. »Die Strompreise«, so Weber, »dürfen in Zukunft nicht durch immer höhere Netzentgelte belastet werden.«
Bezogen auf die deutsche Elektro- und Digitalindustrie sind die Forderungen an die zukünftige Bundesregierung sehr konkret. So sollten beim CSRD die Berichtspflichten entrümpelt werden, die bislang eine Lawine an Maßnahmen auslösten. Bei der Datenschutzgrundverordnung fordert der ZVEI eine grundlegende Anpassung an reale Notwendigkeiten. Beim AI-Akt eine Neubewertung der Risikoklassen und eine Fokussierung auf die kritische Infrastruktur. Beim Thema PFAS-Verbote im Rahmen der Anpassung der Chemikalienverordnung REACH fordert Dr. Kegel eine Korrektur des aus Sicht des ZVEI falschen regulatorischen Ansatzes und mehr Zeit für die Entwicklung von Ersatzprodukten.
Lobende Worte findet Dr. Kegel für die Bemühungen der EU und der Ampel-Koalition, die Halbleiterfertigung in Europa zu stärken. »Es wäre eine Katastrophe, wenn wir von diesem Ansatz in Zukunft ablassen würden«, so Dr. Kegel. »Wir brauchen ein technologisches Faustpfand, wenn wir der drohenden Verzwergung in diesem Bereich entgegenwirken und nicht noch weitere Marktanteile verlieren wollen«. Gleichzeitig fordert der ZVEI, auch diese Branche von regulatorischen Fesseln zu befreien.
Zum Thema drohender Schutzzölle in den Handelsbeziehungen, vor allem zu den USA, meint Dr. Kegel, »dass angesichts der enorm hohen weltweiten Vernetzung der Elektronik- und Digitalbranche tarifäre Hindernisse alle treffen würden«. Würde dieses Thema in den nächsten Monaten eskalieren, »wäre das ein Schritt in eine tiefe Rezession«.
Das hätte direkten Einfluss auf die Beschäftigungssituation in Deutschland. Dr. Kegel hebt hervor, dass der Rückgang in der Elektro- und Digitalindustrie im letzten Jahr nur 2 Prozent auf 892 000 Beschäftigte betrug. Zugleich steige die Zahl der Kurzarbeiter wieder. Dr. Kegel geht davon aus, dass für den Fall schlecht laufender Koalitionsverhandlungen nach der Bundestagswahl die Zahl der betriebsbedingten Kündigungen steigen wird.
Aus diesem Grund, so Dr. Kegel, sei es notwendig, dass eine neue Bundesregierung »neue Zuversicht erzeugt, und von Tag eins ihrer Regierungsverantwortung an klare Ansagen macht, welche Gesetze kommen und welche Steuererleichterungen«. Geschehe dies, so Dr. Kegel, sei er zuversichtlich, dass die drei nach wie vor uneingeschränkt intakten Megatrends Elektrifizierung, Digitalisierung und Automatisierung, eine neue wirtschaftliche Dynamik für die deutsche Elektro- und Digitalindustrie entfalten können.