IGBTs sind seit etwa 30 Jahren kommerziell verfügbar. Sie haben inzwischen mehrere Generationen durchlaufen, und die Hersteller haben ihre Leistungsfähigkeit und Nutzbarkeit ständig verbessert. IGBT-Module wiederum sollen den Einsatz von Leistungsschaltern verschiedener Hersteller und deren Austauschbarkeit vereinfachen. Doch da der OEM den Gate-Treiber jedes Mal neu entwickeln muss, ist es mit der Austauschbarkeit nicht weit her. Ein neues digitales Ansteuerkonzept soll das ändern.
Anders als in den meisten anderen Bereichen der Elektronik arbeiten IGBTs in Anwendungen, in denen nach wie vor analoge Architekturen dominieren. Digitale Ansteuertechniken kommen nur sehr begrenzt zum Einsatz. Die Systeme beruhen auf IGBT-Modulen, die für den sicheren und effektiven Betrieb der Schalter auf eine spezielle Gate-Treiberschaltung angewiesen sind. Auch wenn in einer Applikation ein Modul zum Einsatz kommt, das von mehr als einem Hersteller für Leistungshalbleiter bezogen werden kann, muss der OEM den Gate-Treiber für den Betrieb der scheinbar kompatiblen Module genau an jedes einzelne Modul anpassen.
An diesem Status quo wurde bislang wenig gerüttelt, denn über drei Jahrzehnte hinweg war die Systemperformance durch die Restriktionen der zugrundeliegenden Technologie eingeschränkt. Doch die Welt der Leistungselektronik verändert sich immer schneller. Die Systeme werden immer komplexer, und die Anforderungen an Zuverlässigkeit, Effizienz, Einfachheit und Steuerbarkeit nehmen ständig zu.
Zudem sind wegen der Versorgungsengpässe der letzten Jahre die für die Bauelementebeschaffung zuständigen Personen kaum bereit, derart kritische Komponenten wie IGBT-Module nur von einem Hersteller zu beziehen. Stimmen sie dagegen der Beschaffung bei zwei Quellen zu, muss der OEM in der Produktion mit zwei Systemen umgehen, da sich kein Modul und kein Gate-Treiber direkt gegen das jeweils andere Produkt austauschen lässt. Hinzu kommt, dass die Schalteigenschaften des Systems in der Designphase festgelegt werden müssen und sich im System nicht verändern dürfen, wenn sich die Umgebungs- und Lastbedingungen ändern. Daher ist das IGBT-Modul während der Entwicklungsphase sehr gründlich zu charakterisieren, um die entsprechenden Parameter für die Lastbedingungen und Betriebszyklen der jeweiligen Applikation zu definieren.
Der parallele Bezug bei zwei Lieferquellen wirkt sich außerdem auf die Entwicklerressourcen aus, denn Ingenieure mit Fachkenntnissen in der Leistungselektronik sind knapp, und besonders Experten mit großem Erfahrungsschatz sind äußerst gefragt. Sind zwei ähnliche Systeme zu entwerfen, zu testen und zu qualifizieren, bedeutet dies eine nicht wünschenswerte Zusatzbelastung für diese ohnehin knappen Ressourcen, die besser für die Realisierung echter Alleinstellungsmerkmale eingesetzt wären.
Treiber jedes Mal neu designen
In Hochspannungsanwendungen sind die Herausforderungen für die Entwickler besonders groß. Unter anderem muss für ausreichende Luft- und Kriechstrecken gesorgt sein, um eine einwandfreie Isolation zu gewährleisten. Außerdem entstehen bei höheren Strömen stärkere induktive Effekte. Stets präsent ist nicht zuletzt der Zwang, bei der Festlegung der Schaltgeschwindigkeit den richtigen Kompromiss zwischen Wandlungswirkungsgrad und elektromagnetischer Verträglichkeit zu finden.
Für OEMs kann es frustrierend sein, dass die scheinbar kompatiblen IGBTs bei näherem Hinsehen unterschiedliche Performance- und Ansteuereigenschaften aufweisen und dass die Übereinstimmung zwischen verschiedenen Modulen unzureichend ist. Hinzu kommt, dass jede Anwendung ganz spezifische Performance-Parameter verlangt. Folglich ist stets eine aufwändige erneute Charakterisierung nötig, um den sicheren Arbeitsbereich des IGBTs abhängig von Frequenz, Temperatur und Gate-Widerstand zu definieren.
Sind während des Entwicklungsprozesses irgendwelche Änderungen am Gate-Widerstand erforderlich, muss die Cold-Plate-Baugruppe zerlegt und wieder neu aufgebaut werden − ein ebenso zeitraubender wie unproduktiver Arbeitsgang. Während der Entwicklung mag es noch hinnehmbar sein, gewisse Elemente in beiden Designs einzusetzen, doch bei der Qualifikation und Zertifizierung entsteht schlicht der doppelte Arbeits- und Kostenaufwand.
Als Konsequenz hieraus hat sich bei vielen Unternehmen, die IGBT-Module in großem Umfang einsetzen, gezwungenermaßen die Einstellung durchgesetzt, dass das Design des Gate-Treibers eine Kernkompetenz ist, die im eigenen Unternehmen angesiedelt sein muss. Dies hat den offenen Markt für Gate-Treiberprodukte bis dato eingeschränkt, doch mit der Einführung von immer mehr universell einsetzbaren Treibern könnte sich dies ändern.
Feldausfälle sind teuer
Feldausfälle sind in allen Systemen, insbesondere aber in der Leistungselektronik, eine kostspielige Angelegenheit. Ein IGBT-Defekt in einer Windkraftanlage beispielsweise kann zu einem tagelangen Produktionsausfall führen, der zudem meist zu Starkwindzeiten auftritt. Problematisch ist dies insbesondere bei Offshore-Windparks. Der Vorstandsvorsitzende eines bedeutenden Herstellers von Windkraftanlagen wurde jüngst mit den Worten zitiert, für ihn hätten nicht mehr die Kosten höchste Priorität, sondern die Zuverlässigkeit.
Für das Ausfallverhalten von Leistungsmodulen sind zwei Faktoren entscheidend: die Gesamtzahl der Schaltzyklen und die thermische Belastung des Moduls im Betrieb. Leider gibt es keinen Mechanismus für die Meldung, Diagnose oder Prognose von Ausfällen − ein System ist entweder eingeschaltet, ausgeschaltet oder defekt.
Kommt es bei einem Leistungsmodul zu einem Totalausfall, so ist der Schaden meist so groß, dass keine Rückschlüsse auf die Ursache des Ausfalls mehr möglich sind. Lag die Ursache im IGBT selbst, wurde der IGBT vom Treiber aus seinem sicheren Arbeitsbereich gebracht oder ist der Gate-Treiber ausfallbedingt in einen unsicheren Zustand geraten? Diese Fragen lassen sich im Nachhinein nicht mehr beantworten. Der Begriff »Black Box« ist hier nur allzu treffend: Es bleibt kaum etwas übrig, was Auskunft über das Geschehen geben könnte.
Um all diesen Herausforderungen zu begegnen, hat Amantys eine universelle IGBT-Treiberfamilie namens »Power Drive« vorgestellt (Bild 1). Ziel war es, dass sie sich in der Entwicklung einfach einsetzen lässt und für ihren Verwendungszweck umfassend charakterisiert und zertifiziert ist. Ein und derselbe programmierbare Treiber lässt sich nun für die IGBT-Module einer ganzen Reihe verschiedener Hersteller verwenden.
Leistungsüberwachung und -regelung
Performance-Daten aus einem Hochspannungsumrichter zu exportieren, gestaltet sich schon wegen der Isolation und des Störaufkommens schwierig. Deshalb lassen sich selbst einfache Überwachungsfunktionen nur schwierig realisieren. Somit widmet sich die zweite Stufe der Produkt-Roadmap von Amantys diesem Aspekt und ergänzt das gewohnte Format der existierenden Gate-Treiber durch zusätzliche Schaltungen für einfache Überwachungs- und Steuersignale.
Während der Entwicklung kann der OEM den Gate-Widerstand über die Lichtwellenleiter-Verbindung ohne Entnahme aus dem System verändern und fein abstimmen. Da somit kein mehrmaliges Zerlegen der Cold-Plate-Baugruppe notwendig ist, soll sich die Entwicklungszeit verkürzen und die Flexibilität verbessern. Da Treiber und Modul fertig charakterisiert sind, muss der OEM die sicheren Arbeitsbereiche nicht experimentell bestimmen.
In den Gate-Treiber integriert sind zusätzliche Schaltungen, die wichtige Kenndaten von Leistungstransistor und Gate-Treiber überwachen und erfassen. Dazu gehören die Temperaturzyklen und die Zahl der Schaltvorgänge des Treibers, um aussagefähige Indizien für potenzielle Systemfehler oder Ausfälle zu bekommen. Im Fehlerfall liefern die aufgezeichneten Daten sofort Informationen über die Ereignisse, die dem Fehler vorausgegangen sind.
Die längerfristige Produkt-Roadmap von Amantys sieht den »intelligenten« Leistungsschalter (Intelligent Power Switch) vor. Dabei handelt es sich um eine standardisierte Leistungsbaugruppe, um die immer wiederkehrenden Entwicklungsarbeiten in der Leistungselektronik überflüssig zu machen. In dieser Baugruppe sind ein Leistungstransistor, der Gate-Treiber und ein Kommunikationsprozessor eng mit einem Leistungsmodul verbunden, das die Schaltvorgänge im Interesse einer optimalen Systemperformance genau regelt. Designer können deshalb unabhängig von der jeweiligen Leistungstransistor-Technologie eine Standardbaugruppe zum Konfigurieren der jeweils benötigten Leistungswandlungsarchitektur verwenden und die Schaltvorgänge über eine standardisierte digitale Schnittstelle kontrollieren.
Über den Autor:
Mark Snook ist Chief Technology Officer (CTO) bei Amantys.
Eigenschaften von »Power Drive« |
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mit 14,4 kV geprüft für eine Nenn-Isolationsspannung von 3,3 kV und mit 35 mm Luft- und Kriechstrecke |
■ | kürzere Start-up- und Erholzeiten - keine Totzeiten von einer Sekunde |
■ | längere Lebensdauer durch geringere Eigenerwärmung |
■ | erhöhte Robustheit und Betriebssicherheit (Footprint passt in das IGBT-Modul) |
■ | Der Power-Block kommt über den gesamten Betriebstemperaturbereich von -40 °C bis +85 °C auf eine Leistungsdichte von 8 W |
■ | vollständig charakterisierter sicherer Arbeitsbereich für jedes IGBT-Modul |
■ | Schaltfrequenz über Temperatur und Gate-Widerstand |
■ | nach CE-Standard zertifiziert |