Das Ausmaß des Auftretens von Fälschungen elektronischer Bauteile hat global beunruhigende Ausmaße angenommen. Beunruhigend auch deshalb, weil die Anzahl der bekanntgewordenen Fälle mit sehr großer Wahrscheinlichkeit nur die Spitze des Eisbergs darstellt. Die meisten Firmen, die in irgendeiner Art auf Fälschungen herein-gefallen sind, schweigen nämlich darüber. Das belegen Untersuchungen in den USA.
Fälschungen hat es schon immer gegeben - in Kunst, Literatur, Architektur, Medizin, Maschinen- und Apparatebau, Textilindustrie usw. Auch Geld, Wertpapiere und Personen bilden da keine Ausnahme. Eine besondere Rolle spielen jedoch Fälschungen in der Elektronikindustrie. Gefälschte elektronische Bauteile können, im Vergleich zu den oben genannten „klassischen“ Wirkungssphären von Fälschern, eine neue Schadensqualität hervorrufen. Denn Bauteile wie Sensoren, ICs etc. nehmen oft lebenssichernde Steuerungs- funktionen wahr, beispielsweise in der Militärtechnik, Industrieautomation und in Großverkehrs- mitteln. Der unvorhersehbare Ausfall solcher Steuerungs- funktionen kann durch die Transformationswirkung der Elektronik zu enormen Schäden für Mensch und Umwelt führen.
Gefälschte Bauteile mit nicht (mehr) gesicherten Verhaltensparametern, vor allem in funktionsbestimmenden Geräte- und Systemteilen, erhöhen die Ausfallwahrscheinlichkeit um ein Mehr- oder gar Vielfaches.
Wie groß die Wahrscheinlichkeit, Fälschungen zu erwischen, für diejenigen ist, die Bauteile auf dem „freien Markt“ bei nicht autorisierten Händlern kaufen, geht aus einer Einschätzung des US-amerikanischen Distributorenverbandes NEDA (National Electronic Distributors Association) aus dem Jahr 2008 hervor: 10 % aller auf dem freien Markt erhältlichen Bauteile sind Fälschungen.
Was genau sind Fälschungen?
Unter dem Begriff gefälschtes Bauteil lassen sich solche Komponenten zusammenfassen, die unter Verletzung internationaler Eigentumsrechte (Property rights), des Copyrights oder Markenrechts hergestellt bzw. verkauft oder aber unter Verletzung gewerblicher Schutz- und Urheberrechte (Intellectual Property, IP) oder anderer gesetzlicher Eigentumsansprüche falsch dargestellt werden. Als Fälschung gilt auch, wenn Materialien, Typenbezeichnungen, Leistungsfähigkeit oder Kennwerte von Bauteilen durch den Hersteller, Händler oder Distributor wissentlich falsch angegeben werden. Diese Definition mag zwar nicht genau den gesetzlichen Formulierungen entsprechen, trifft aber dafür das, was in der Praxis in etwa abläuft pdf/MASH07CounterfeitDevice.pdf" target="_blank">[1].
Was wird gefälscht und warum?
Die kurze Antwort auf die Frage „was“ könnte lauten: so gut wie alles, was in der Elektronikindustrie zur Realisierung von Elektronik benötigt wird. Betroffen ist die gesamte finale Produktpalette - von Konsumelektronik bis hin zu Militärtechnik. Auf den Internetseiten des britischen Anti-Counterfeiting Forum wurde eine Tabelle mit Beispielen gefälschter Bauteiltypen veröffentlicht, die in verschiedenen Unternehmen festgestellt wurden: [2].
Aktive Bauteile | Passive Bauteile | Sonstiges |
---|---|---|
Verstärker, Komparatoren, CPUs, Dioden, DRAMs und DRAM-Module, Lineare ICs, Mil-Halbleiter, MOSFETs, NVSRAM-Module, Optokoppler, PLDs, Stromversorgungs-ICs, HF-ICs, Transistoren |
Batterien, Konden- satoren (Keramische Chip-, Elektrolyt- und Tantal-Kondensatoren), Unterbrecher, Stecker- binder, Ferritte, Filter, Induktivitäten, Potenzio- meter, Leiterplatten, Widerstände, Thermistoren |
bleifreies Lot, Software, Drähte, Kabel, Teile für Fertigungsmaschinen (Förderer, Magazine ect.) |
Tabelle 1. Gefälscht wird alles, was in der Elektronikindustrie gebraucht und angewendet wird [2].
Für das Erblühen der Fälschungsbranche gibt es zahlreiche Ursachen. Die drei wichtigsten sind:
Wie entstehen Fälschungen?
Es gibt hauptsächlich vier Methoden, wie elektronische Bauteile gefälscht werden:
Die Fälschungsmethoden können dabei recht unterschiedlich sein (Tabelle 2).
Methode | Varianten |
---|---|
PbSn-Bauteil als Pb-frei gestempelt | PbSn gestrippt und mit Reinzinn überzogen |
Bauteile mit großen Fertigungsfehlern | kein Chip im Inneren, keine Kontaktdrähte |
Bauteil mit Chip von anderem Hersteller, als außen gekennzeichnet | |
Bauteil mit Markierung des Originalherstellers | Bauteil gefertigt von einer fremden, nicht mehr vom OCM autorisierten Firma, Bauteil gefertigt von einer nicht autorisierten Firma mit OCM-Markierung und/oder früherem Datencode bei Einsatz nicht korrekter Materialien und Techniken, Bauteil gefertigt von einer lizensierten außenstehenden (offshore) Firma, aber markiert als teureres Bauteil, Bauteile können elektrisch nicht getestet sein und/oder funktionell reklamierte Ausfälle, Bauteile können nicht autorisierte Überproduktion sein ohne Klassifikationstest |
Copyright-Verletzungen | gestohlene Masken für nichtautorisierte Fertigungen, gestohlene Konstruktion des gesamten Produkts durch Rückanalyse der Teile, optische Kopie und Herstellung der Masken ohne Vornahme von Verbesserungen oder Innovationen gegenüber dem Original |
Dokumentenfälschung | Bereitstellung gefälschter Zertifikate (Certificates of Conformance - CoC) und anderer Dokumente, um den Anschein höherwertiger Bauteile und der Rückverfolgbarkeit zu erwecken |
Recycelte Bauteile, wenn als neue verkauft | Bauteile können schon ESD-vorgeschädigt sein |
Ummarkierung von Bauteilen | nicht korrekt markiert, um teurere militärische oder industrielle Bauteile vorzutäuschen oder Teile mit höherer elektrischer Leistungsfähigkeit, inkorrekt markierte Bauteile als RoHS-kompatibel bzw. umgekehrt, Datencode-Update |
Unmarkierte SMDs visuell nicht identifizierbar |
Tabelle 2. Der Betrug mit gefälschten Bauteilen nutzt alle denkbaren Methoden, um den Käufer zu täuschen [9].