Auf die Märkte Energieeffizienz, Mobilität und Sicherheit zielt Infineon mit Leistungshalbleitern und -modulen, analogen ICs, Sensoren, Mikrocontrollern und Chipkarten- und Sicherheits-ICs ab. Laut CEO Peter Bauer kann sich das Unternehmen vor allem über Prozesstechnik, Design, Innovationskraft und Systemwissen differenzieren und so den technischen Vorsprung ausbauen, um schneller als der Markt zu wachsen.
Markt&Technik: Seit Infineon an die Börse gegangen ist, ist das Unternehmen geschrumpft. Sie sehen das als positiv an, Infineon sei nun in einer besseren Position denn je. Wie passt beides zusammen?
Peter Bauer: Das passt sehr gut zusammen. Infineon ist heute in einer hervorragenden Position. Denn die Größe und Marktposition in den Zielmärkten ist entscheidend. Infineon ist Nummer 1 in seinen drei Geschäftsbereichen Automotive, Industrial & Multimarket sowie ChipCard & Security. Mit unseren Halbleiterlösungen sind wir erstklassig aufgestellt in den schnell wachsenden Trendmärkten für Energieeffizienz, Mobilität und Sicherheit. Ziel der Restrukturierung der vergangenen drei Jahre, auf die Sie anspielen, war, das Unternehmensportfolio konsequent auf eine geringere Volatilität und in Summe höhere Margen auszurichten. Das begann mit der Ausgliederung unserer Speicheraktivitäten über den Verkauf der Wireline-Sparte bis hin zum jetzt beabsichtigten Verkauf von Wireless Solutions. Wir wollen uns auf die Geschäftsfelder konzentrieren, in denen wir uns langfristig nicht nur behaupten, sondern auch differenzieren und schneller als der Markt wachsen können.
Was das Management ursprünglich von den Baseband-Chips ebenfalls behauptet hatte…
. . . und was anfangs ja auch stimmte: wir hatten uns dort deutlich differenziert und deshalb zahlreiche neue Kunden gewonnen. Aber die Märkte wandeln sich und jetzt - auch weil wir beispielsweise keine Applikationsprozessoren bieten - war der Zeitpunkt für einen Ausstieg günstig. Außerdem müssen die künftigen Handy-Chips mit den jeweils neuesten Prozesstechniken gefertigt werden. Hier nutzt man jedoch Standard-CMOS-Prozesse, die keine Differenzierungsmerkmale aufweisen. Deshalb werden wir unser Geschäft Wireless Solutions zu einem äußerst attraktiven Preis an Intel verkaufen. Den Gewinn daraus können wir nach Abschluss des Verkaufs in die Produkte für unsere Zielmärkte investieren.
Wobei die Produkte eigentlich die alten sind: Analoge ICs, Leistungshalbleiter und Controller, ein stark umkämpfter Markt.
Auch hier hat ein deutlicher Wandel eingesetzt. Lange Zeit galten Geschäftsfelder wie Analoge ICs und Leistungshalbleiter als wenig aufregend. Jetzt wächst dieser Markt mit 6 bis 7 Prozent pro Jahr deutlich schneller als der Halbleitermarkt im Durchschnitt. Und im Gegensatz zu den Baseband-ICs haben sich bei den ICs, auf die wir uns jetzt konzentrieren, das Design der Chips und die Prozesstechnik nicht entkoppelt. Eine Tatsache, die oft unterschätzt wird. Wir beherrschen die Prozesstechnik und das Analog-Design und haben uns in vielen Bereichen einen Wettbewerbsvorteil erarbeitet, besonders bei IGBTs und den CoolMOS-MOSFETs. Hier schätze ich unseren Vorsprung auf mindestens ein bis zwei Jahre.
Wie passen die Controller und die Chipkarten-ICs in das Szenario?
Die Controller benötigen in der Peripherie viele Analogfunktionen. Außerdem ist die Fähigkeit, Embedded Flash integrieren zu können, ein wichtiger Differenzierungsfaktor. Hier kommt auch viel Analog-Know-how zum Einsatz. Die Chipkarten-ICs mit Embedded Flash sind unsere Technologietreiber für die Embedded-Flash-Controller, die in der Industrie eingesetzt werden. Die so gewonnene Erfahrung nutzen wir dann, um die Controller für den Einsatz in Autos zu produzieren, die besonders hohen Qualitätsanforderungen genügen müssen. Auf diese Weise können wir kostengünstig fertigen - die Fertigung ist ja nach wie vor der größte Kostenfaktor für Infineon. Unsere Produktgruppen hängen also sowohl technisch als auch wirtschaftlich sehr eng zusammen und profitieren von einander. Das ist die Grundlage für unsere gute Positionierung.
Der Anteil der Aufwendungen für Forschung & Entwicklung ist bei Infineon über die letzte Zeit zurück gegangen. Wie steht das in Einklang mit dem Ziel, den vorher angesprochenen Technologie-Vorsprung zu halten oder weiter ausbauen zu können?
Der F&E-Anteil liegt ohne die Wireless-Sparte bei etwa 13 Prozent vom Umsatz. Der Anteil ist etwas geringer als mit Wireless, was aber nicht verwundert, weil der Entwicklungs-Aufwand für Handy-Chips grundsätzlich höher ist. Wir werden unsere F&E-Aktivitäten aber weiter ausbauen, um die Themen Energieeffizienz, Mobilität und Sicherheit auf breiter Basis verstärkt anzugehen.
An welchen neuen Technologien arbeitet Infineon gerade?
In der Leistungselektronik besteht die treibende Kraft darin, die Energieeffizienz und die Leistungsdichte zu erhöhen, also etwa den Einschaltwiderstand und die Schaltverluste zu reduzieren. Im Hochspannungsbereich haben wir die Entwicklung der Siliziumcarbid-Technik schon weit vorangetrieben, hier sind wir bereits seit vielen Jahren in der Volu-menfertigung. Die JFETs und MOSFETs sind in der Produktentwicklung, die ersten Typen werden in ein bis zwei Jahren auf den Markt kommen. Für den Einsatz bei niedrigeren Spannungen entwickeln wir Galliumnitridtypen, um die Schaltverluste zu minimieren.
Wäre es sinnvoll, auch auf dem Gebiet der Leistungselektronik auf 300-mm-Wafer überzugehen, um die Kosten zu senken?
Das haben wir definitiv vor und ich bin überzeugt, dass wir das im Laufe der nächsten zwei Jahre hinbekommen. Im September haben wir mit der Einrichtung einer Pilotlinie im österreichischen Villach begonnen, einem unserer Entwicklungsstandorte für Leistungshalbleiter. Innerhalb eines Jahres prüfen wir, inwieweit bei Leistungsbauelementen der Dünnwafer-Technologie der Einsatz von 300-mm-Wafern möglich ist. Innerhalb der nächsten zwei Jahre rechnen wir mit zusätzlichen Investitionen von bis zu 200 Mio. Euro. Auch technisch gibt es einige Hürden zu nehmen. Denn hoch dotierte 300-mm-Wafer gibt es nicht, wir müssen mit den Standard-Silizium-Wafern auskommen. Da hilft das Know-how, das wir uns auf dem Gebiet der dünnen Wafer erarbeitet haben - hier sind wir bereits bei 40 µm angelangt. An diesem Beispiel sieht man deutlich, dass Design und Prozesstechnik sehr eng zusammenhängen. Das ist etwas ganz anderes als die Fertigung von digitalen ICs in Standard-CMOS-Prozessen, denn bei der Leistungselektronik differenzieren wir uns über die Prozesstechnik und den Übergang zu 300-mm-Wafern deutlich. Hier ist Infineon technologisch weltweit führend.
Sehr eng ist die Leistungselektronik auch mit dem Packaging verbunden, ebenfalls ein Gebiet, das in der Vergangenheit als wenig sexy galt . . .
Das stimmt, die Packaging-Technologie ist für uns ebenfalls ein wichtiger Differenzierungsfaktor. Mit der .XT-Technologie, einer neuen IGBT-Modul-Verbindungstechnologie, haben wir gleich mehrere Innovationen auf einmal eingeführt: Verbesserte Bondverbindungen auf der Chip-Oberseite und der Chip-Unterseite, zudem bringen wir die Chips jetzt über Diffusionslöten auf die Grundplatte auf. Mit der .XT-Technologie kann die Lebensdauer von IGBT-Modulen um den Faktor 10 verlängert werden. Das macht sie besonders interessant für Anwendungen, wo es auf Robustheit ankommt, beispielsweise in Nutzfahrzeugen oder Windkraftanlagen.