Interview mit Infineons CEO Dr. Reinhard Ploss

"Die bittere Wahrheit ist: Wir treiben zu viel Forschung und Entwicklung"

4. Februar 2014, 11:51 Uhr | Frank Riemenschneider
Diesen Artikel anhören

Fortsetzung des Artikels von Teil 3

"Der bayerische Ministerpräsident plant, sich auch bei uns im Unternehmen zu informieren"

„Man müsste ins Foundry-Geschäft einsteigen und sich in eine Schlacht mit TSMC & Co. begeben. Das würde in dem genannten Zeitraum zu Überkapazitäten führen.“
„Man müsste ins Foundry-Geschäft einsteigen und sich in eine Schlacht mit TSMC & Co. begeben. Das würde in dem genannten Zeitraum zu Überkapazitäten führen.“
© Elektronik

Elektronik: Können Sie uns etwas über Ihren Arbeitskreis Silicon Germany erzählen? Was ich da so mitbekommen habe, ist dieser Arbeitskreis ja primär mit Hochkarätern wie Ihnen und anderen besetzt, die noch einen kleinen Nebenjob haben – wie in ihrem Fall einen DAX-Konzern zu leiten. Sie treffen sich auch vergleichsweise selten, so ist zumindest die Wahrnehmung. Glauben Sie, dass Sie mit den ehrenamtlichen Mitgliedern die notwenigen PS auf die Straße bringen, um ihre Ziele zu erreichen? Oder wäre das auch mal eine Idee, da Vollzeitmitarbeiter einzustellen, die diese Ziele dann quantitativ einfach besser vertreten können?

Ploss: Das ist eine interessante Frage. Der Arbeitskreis Silicon Germany ist eine sehr aktive Gruppe, in der auch Infineon mitarbeitet – z.B. beim Verfassen von Programmen zur grenzübergreifenden Forschung und Entwicklung. Ich bin ein großer Verfechter einer engagierten Industrieführerschaft und deshalb investiere ich dort gerne Zeit.

Elektronik: Ich hatte ja schon vorher erwähnt, dass die französische Forschungsministerin zu Neelie Kroes gereist ist. Dann sehen wir Initiativen wie NANO 2017, wo zur Eröffnung der französische Ministerpräsident aufgeschlagen ist. Last but not least gibt es auch noch eine Statistik hinsichtlich CATRENE, dass nämlich von 2008 bis 2012 doppelt so viele französische wie deutsche Projekte gefördert wurden. Was sind die Gründe dafür, dass offensichtlich das Thema in Frankreich doch nochmal eine andere Wahrnehmung auch in der Spitzenpolitik hat als in Deutschland?

Ploss: Frankreich hat aus meiner Sicht ein anderes industriepolitisches Denken. Während wir in Deutschland sehr stark programmatisch vorgehen, entscheidet Frankreich welche Industrien es abzusichern gilt, und dann wird das umgesetzt. Dass Deutschland das 1:1 übernimmt, würde ich nicht empfehlen. Ich habe immer gesagt, dass steuerliche Forschungsförderung sinnvoll ist, weil die Unternehmen, die viel forschen und dabei gefördert werden, dort Kompetenz aufbauen und auch standorttreu sind. Die Forschungsförderung hat, wie Sie in Österreich sehen können, dazu geführt, dass das eine oder andere Thema schneller aufgebaut werden konnte.

Elektronik: Frau Kroes hat ja angekündigt, bis 2020 den Anteil der Chipfertigung in Europa auf 20 % anheben zu wollen, was gegenüber dem Status Quo eine Verdoppelung wäre. Für wie realistisch halten Sie dieses Ziel? Daß Sie es persönlich gar nicht so erstrebenswert halten, sondern einen anderen Fokus auf F&E haben, ist eine Geschichte. Aber jetzt mal als Branchenexperte: Glauben Sie, dass da irgendeine realistische Möglichkeit besteht?

Ploss: Das Ziel als solches muss man jetzt nicht utopisch nennen. Die Zeitvorgaben sind aus meiner Sicht nicht umsetzbar. Denn wenn wir heute anfangen, Kapazitäten aufzubauen, braucht es eineinhalb bis zwei Jahre, mal abgesehen davon, dass Europa erst einmal fünf Jahre diskutiert, wo man die Fertigungen dann hinstellt. Die andere Frage ist, welche Produkte man fertigt. Wollten wir die heimische Industrie unterstützen, hätten wir gar nicht genug Wafer, um die Fabriken zu füllen. Man müsste also ins Foundry-Geschäft einsteigen und sich in eine Schlacht mit TSMC & Co. begeben. Das würde in dem genannten Zeitraum zu Überkapazitäten führen, wir hätten zehn Prozent mehr am High-End, das ist extrem viel. Heute sind nur rund 30 Prozent der gesamten Fertigung High-End-Chips. Wir müssen aufpassen, dass wir Märkte nicht beschädigen.

Elektronik: Wie gut sind Sie persönlich eigentlich in der Politik vernetzt? Wir wissen ja, wenn Herr Ackermann bei Frau Merkel angerufen hat, wurde er durchgestellt. Wo werden Sie denn überall durchgestellt?

Ploss: Das habe ich ehrlich gesagt noch nicht ausprobiert (lacht). Mir ist das persönliche Gespräch lieber, wie mit dem Innenminister und den verantwortlichen Staatssekretären zum Thema Security oder mit dem bayerischen Ministerpräsidenten Seehofer zu konzeptionellen Diskussionen.

Elektronik: Gibt es mal eine Chance, dass Seehofer die Embedded World eröffnet?

Ploss: Wenn Deutschland es schafft, um das Internet der Dinge und um Information-Security ein Thema aufzubauen, ja! Der Ministerpräsident plant, sich auch bei uns im Unternehmen zu informieren. Dass der Besuch nicht schon früher stattgefunden hat, liegt vielleicht auch an unserer illustren Vergangenheit, da müssen wir auch mal selbst in den Spiegel schauen.

Elektronik: Herr Dr. Ploss, vielen Dank für Ihre Zeit!


  1. "Die bittere Wahrheit ist: Wir treiben zu viel Forschung und Entwicklung"
  2. "Die bittere Wahrheit ist: Wir treiben dazu zu viel Forschung und Entwicklung"
  3. "Beim Thema 450 mm laufen wir hinter TSMC und Intel her"
  4. "Der bayerische Ministerpräsident plant, sich auch bei uns im Unternehmen zu informieren"

Lesen Sie mehr zum Thema


Jetzt kostenfreie Newsletter bestellen!

Weitere Artikel zu Infineon Technologies AG