Aus Rhines Sicht gibt es typischerweise drei Gründe, die zu M&As führen:
Früher, als die meisten Halbleiterhersteller ihre ICs noch selbst gefertigt haben, waren die Economies of scale in der Halbleiterindustrie der treibende Faktor für Übernahmen. Doch dieses Argument gilt heute nicht mehr, denn ein Großteil der Fertigung ist zu den Foundries gewandert. Laut Marktanalyse entfielen 1996 gut 10 Prozent des Halbleiterumsatzes auf Foundries, 50 Prozent auf IDMs und der Rest auf Speicherhersteller. »Heute kommen 30 Prozent des Umsatzes von Foundries, 30 Prozent von IDMs und der Rest von Speicher-Herstellern« so Rhines.
Aber dann gibt es ja noch die Synergieeffekte, die bei jedem M&A beschworen werden. Aber auch die will Rhines nur sehr bedingt gelten lassen. An die mit einer Übernahme verbundene, größer werdende Einkaufsmacht glaubt er nicht, zumindest bei den Big-Deals aus diesem Jahr. »Unternehmen, die bereits vor dem Merger eine hohe Anzahl von Wafern bei den Foundries abgenommen haben, erhalten bereits einen Discount von rund 10 Prozent auf die Wafer. Dieser Discount wird durch den Zusammenschluss von großen Unternehmen nicht mehr deutlich steigen«, glaubt Rhines. Und wie sieht das im EDA-Bereich aus? Müssen sich »die Mentors dieser Welt« auf schrumpfende Umsätze einstellen, wenn immer mehr, vor allem große Kunden vom Markt verschwinden? Rhines verneint auch hier und verweist auf die Historie: »Die Halbleiterindustrie investiert seit rund 20 Jahren rund 2 Prozent ihres Umsatzes in EDA-Tools, weil sie diese Tools brauchen. Daran werden auch die jetzigen Merger und Akquisitionen nichts ändern.«
Haben die M&As dann Einsparungen auf der R&D-Seite zur Folge? Rhines glaubt eigentlich auch das nicht und verweist auch in diesem Fall auf die Geschichte: die Investitionen, die die Halbleiterindustrie in F&E gesteckt hat, sind fast immer gewachsen sind – von 2001 und 2009 einmal abgesehen. »Ohne diese Investitionen wären die Hersteller nicht lange überlebensfähig, dazu ist der Halbleitermarkt einfach zu konkurrenzbetont«, so die Begründung von Rhines.
Wenn man sich die letzten Übernahmen ansieht, dann erwarten aber alle Firmen deutliche Einsparungen bei den Betriebskosten. NXP beispielsweise spricht von 500 Mio. Dollar, die durch die Übernahme von Freescale langfristig eingespart werden können, Avago hat in diesem Zusammenhang 750 Mio. Dollar genannt. Rhines: »Im Durchschnitt erwarten die Firmen Einsparungen in Höhe von 25 Prozent, allerdings splitten die Unternehmen nicht auf, wo gespart werden soll.«
Welche Möglichkeiten bestehen also, die Kosten zu senken? Durch den Merger von zwei Unternehmen sind automatisch einige Positionen doppelt besetzt, das fängt auf der Führungsebene an – CEO, CFO etc. – und endet in Bereichen wie der Personalabteilung, Marcom, Vertrieb, Investor Relations etc. Rhines: »Mit dem Wegfall der Führungsebene lässt sich viel Geld sparen, allerdings ist dann auch keiner mehr da, der zur Verantwortung gezogen werden kann, wenn das übernommene Unternehmen noch verklagt werden sollte.«
Dann besteht noch die Möglichkeit, bei den durch die Übernahme erweiterten Entwicklungs-Ressourcen zu sparen. Doch hiervor warnt Rhines: »Das Geld in die Entwicklungsingenieure ist gut angelegt. Wenn ein Unternehmen hier spart, wird sich das langfristig negativ auf den Umsatz auswirken.«
In den letzten 30+ Jahren hat die Halbleiterindustrie trotz Zyklizität im Durchschnitt zwischen 13 und 14 Prozent ihres Umsatzes in F&E gesteckt. Diesen Umsatzanteil hält Rhines auch für notwendig, denn nur damit wäre es für die Unternehmen möglich, langfristig den Umsatz zu steigern. »Daran werden die M&As auch nichts ändern, höchstens kurzfristig«, so Rhines weiter.
Rhines hält das Ecnomies-of-Scale-Argument sowieso für nicht haltbar, denn würde das Argument stimmen, müssten große Unternehmen automatisch profitabler als kleinere Unternehmen sein. Rhines hat sich die Zahlen hinsichtlich des operativen Gewinns im Verhältnis zur Unternehmensgröße verschiedener Unternehmen über mehrere Jahre hin angesehen und eindeutig festgestellt: »Es gibt überhaupt keinerlei Korrelation zwischen Größe des Unternehmens und Profitabilität.« Also warum dann jetzt diese gehäuften Big-Deals? Billiges Geld ist die für Rhines der treibende Faktor, die Zinsen sind niedrig wie nie und Steuervorteile bieten M&As allemal.