Algorithmen berechnen soziales Verhalten

Der Mensch ist doch berechenbar, zumindest im Rudel

15. November 2016, 10:15 Uhr | Iris Stroh
Menschen bewegen sich nicht gleichförmig über einen Platz. Es bilden sich Muster heraus, die sich mathematisch analysieren lassen.
© Andreas Battenberg / TUM

Menschliches Verhalten berechnen und beeinflussen zu können, wird Realität. Wissenschaftler der Technischen Universität München (TUM) entwickeln Werkzeuge, mit denen sich Szenarien berechnen lassen, um die Sicherheit bei Großveranstaltungen zu erhöhen oder Evakuierungen effizienter zu gestalten.

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Forschung mit dem Ziel, das Verhalten von Gruppen vorherzusagen und darauf Einfluss zu nehmen, hat eine lange Tradition. Doch nicht zuletzt wegen der vielfältigen Wechselwirkungen zwischen dem physischen, dem emotionalen, dem kognitiven und dem sozialen Bereich erscheint es praktisch unmöglich, das Verhalten eines Individuums präzise zu prognostizieren.

Anders sieht die Sache aus, wenn Menschen im Straßenverkehr, in sozialen Netzwerken oder auf Großveranstaltungen nicht als Individuen erscheinen, sondern als Teile einer Menschenmenge auftreten. »Als Masse verhalten sich Menschen durchaus ähnlich wie Teilchen von Flüssigkeiten oder Gasen«, erläutert Professor Massimo Fornasier, Inhaber des Lehrstuhls für Angewandte Numerische Analysis der TU München.

In der Physik muss man nicht die genauen Eigenschaften jedes einzelnen Teilchens kennen, um die Bewegungsrichtung großer Mengen von Gasmolekülen mit hoher Wahrscheinlichkeit berechnen zu können. Es genügt, ihre durchschnittlichen Eigenschaften zu kennen.

»Genau so können wir bei der Betrachtung strömender Menschenmassen, Schwärmen von Tieren oder interagierender Roboter vorgehen: Analog zu den Anziehungskräften zwischen Molekülen eines Gases können wir generalisierte Verhaltensmuster als wechselseitige Kräfte zwischen einzelnen Agenten beschreiben und sie so in mathematischen Gleichungen abbilden«, beschreibt Fornasier seine Vorgehensweise.

Berechnung kollektiver Verhaltensmuster

Professor Fornasier und sein Team bewiesen unlängst mathematische Gesetzmäßigkeiten, die zeigen, wie überraschend einfach es ist, auf der Grundlage beobachteter Daten über die Dynamik präzise mathematische Modelle für bestimmte relativ einfache Gruppeninteraktionen automatisch zu produzieren.

Mithilfe von Computersimulationen können die Mathematiker damit mögliche kollektive Verhaltensmuster einer großen Anzahl sich wechselseitig beeinflussender Individuen in einer aktuellen Situation beschreiben. »Im nächsten Schritt können wir damit auch Vorhersagen über künftiges Verhalten treffen«, sagt Fornasier. »Und wenn wir das Verhalten einer Gruppe interagierender Agenten vorausberechnen können, ist es nur noch ein kleiner Schritt sie auch steuern zu können.«


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