Diese Aussage wundert mich ein bisschen. Früher haben Unternehmen unendlich viele verschiedene Prozesse in ihrer Fabrik genutzt, jeder ein bisschen anders, weil er für ein bestimmtes Produkt optimiert war. Das hätte vielen Unternehmen fast den Kopf gekostet. Die Foundries machen es genau anders. Sie bieten vielleicht noch drei verschiedene Prozessvarianten an, einen für höchste Geschwindigkeit, einen für größte Energieeffizienz und ein Kompromiss-Prozess, der beide Seiten ausbalanciert. Wie passt das zu Ihrer Aussage?
Ich beziehe mehr auf die Erfahrungen, die Entegris mit Speicherhersteller wie Toshiba, Samsung oder Hynix macht. Und hier werden die Unterschiede zwischen den Unternehmen auch durch die Tool-Hersteller getrieben.
Warum ist das so?
Weil die Tool-Hersteller immer mehr dazu übergehen, quasi so genannte „Komplettlösungen“ anzubieten. Und hier helfen wir. Das heißt, dass die Wolfram-Moleküle, die wir mit Applied Materials entwickeln, komplett anders sind als die, die wir mit LAM Research entwickeln. Es ist wirklich die Frage, wie lange die Unternehmen auf einer vorwettbewerblichen Ebene zusammenarbeiten können und wann die Differenzierung anfängt.
Sie haben vorhin das ökonomische Problem von Moore‘s Law angesprochen. Das ist natürlich auch dadurch getrieben, dass die Anforderung an die Reinheit der Chemikalien nach oben geht. Für uns als Zulieferer heißt das, dass wir in Reinraumprozesstechniken und eine in engere Prozesssteuerung investieren müssen. Wir müssen auch unsere eigenen Lieferanten bitten, höhere Standards einzuhalten. Und die kommen natürlich auf uns zurück, weil auch sie den erhöhten Aufwand bezahlt bekommen wollen.
Das klingt nach Druck von oben und unten.
Ja. Die Halbleiterindustrie durchläuft gerade einen Prozess der Konsolidierung, die Tool-Hersteller haben das schon hinter sich, und wir kaufen unsere Rohmaterialien von richtig großen Chemiekonzernen, die auch nicht besonders glücklich über unsere steigenden Anforderungen sind. Hier sind wir wirklich etwas eingeklemmt. Aber wir versuchen, dieser Problematik zu entkommen, indem wir sehr innovativ sind.
Reicht das aus?
Es ist sicherlich auch wichtig, eine gewisse Größe zu erreichen. Ich bin der Überzeugung, dass es zwar nicht einfach ist, die Anforderungen der Halbleiterindustrie zu erfüllen, aber wenn wir sie erfüllen können, dann sind wir auch in einer komfortableren Situation. Denn für Neueinsteiger wird es immer schwieriger, in dieses Geschäft einzusteigen. Aus meiner Sicht, als CEO des Unternehmens, heißt das, dass ich die Veränderung im Markt nicht verteufele, sondern eher begrüße. Wir müssen nur herausfinden, wie wir damit umgehen können und wie es funktioniert, und das bezieht sich nicht nur auf einen technologischen Standpunkt, sondern auch auf die finanzielle Sicht. Ich bin überzeugt, dass Entegris das hinbekommt.
Wieso?
Als wir ATMI gekauft haben, hat sich der Umsatz des Unternehmens von 700 Mio. Dollar auf 1,2 Mrd. Dollar erhöht, in Kombination mit vielen Synergieeffekten. Gleichzeitig haben wir den Nettoprofit erhöht, so dass auch unsere Aktionäre glücklich waren. Wirklich entscheidend war aber, dass wir im Zuge der Übernahme auch beschlossen haben, unsere R&D-Ausgaben zu erhöhen: Traditionell hatten wir 5 bis Prozent unseres Umsatzes in R&E gesteckt. Jetzt investieren zwischen 9 und 10 Prozent.
Und trotzdem konnten wir den Nettoprofit erhöhen. Das heißt unsere Aktionäre sind glücklich, und unsere Kunden sind ebenfalls zufrieden, weil wir jetzt ein viel größeres Commitment zu den verschiedenen Technologie-Roadmaps machen können. Und wir können auch viel mehr Geld in den Ausbau von Kapazitäten investieren. Damit sind unsere Kunden viel zuversichtlicher, dass wir ihre Probleme lösen und auch liefern können.
Als Zulieferer kann man sich verweigern, aber ich glaube, dann wird man scheitern. Ich denke, es ist viel besser, die Herausforderungen anzunehmen und sein Bestes zu versuchen. Aber eines ist klar: Wir müssen eine gewisse Größe haben und gleichzeitig aufpassen, dass wir dabei nicht unsere Innovationsfreude verlieren.
Wieso arbeitet Entegris mit Imec zusammen? Wenn das Unternehmen für jeden Kunden eine maßgeschneiderte Lösung entwickeln muss, passt das eigentlich nicht zum Imec-Ansatz.
Wir haben drei Divisions: eine speziell für Chemikalien, die zweite für Filterung/Reinigung und die dritte für den Materialtransport, wie FOUPs (Front Opening Unified Pods). Hinsichtlich der Chemikalien ist es wirklich schwierig, mit einem Forschungszentrum wie dem Imec zu kooperieren, aber geht es um Filterung etc., dann ist eine Zusammenarbeit durchaus möglich, denn hier sind die Anforderungen zum Beispiel in der Reinheit sehr ähnlich. Das Gleiche gilt für den Transport.
Kann man daraus folgern, dass der Materialtransport bei den steigenden R&D-Kosten eine eher untergeordnete Rolle spielt?
Ja, aber neben den Chemikalien spielt auch die Filterung eine entscheidende Rolle, weil auch hier die Anforderungen deutlich zugenommen haben. Die Halbleiterhersteller fordern mittlerweile extrem niedrige Verunreinigungen, die im ppt-Bereich liegen, also parts per trillion. Das heißt dass der Großteil unserer F&E-Investitionen in die Bereiche Deposition-Materialien und Filterung geht. Und das wird sich auch nicht groß ändern. Erinnern Sie sich an einen Vortrag auf dem ITF 2017 zum Thema „Quantencomputer“. Der Redner hat damals davon gesprochen, dass die QBits eine eigene Persönlichkeit haben, weil sie auf alles reagieren, was um sie herum reagiert. Deshalb werden künftig die Anforderungen an Reinheit noch viel höher werden.
Zurück zu heute: Was hat sich aus Ihrer Sicht geändert?
Ein Beispiel: Speicher waren früher eine sehr dankbare Technologie, die viel verziehen hat. Aber spätestens seit dem Übergang auf 3D-Technologien hat sich das geändert, denn mit der viel größeren Anzahl an Lagen ist eine deutlich erhöhte Ebenheit gefordert, damit die Ausbeute nicht sinkt. Seitdem ist das Interesse seitens der Hersteller an neuen Materialien deutlich gestiegen. Und das wirkt sich nicht nur positiv auf uns aus.