Der Innovationszyklus funktioniert nicht einfach in Richtung einer Anwendungsherausforderung, welche eine technische Lösung vorantreibt. Er funktioniert auch in umgekehrter Richtung, wenn ein technologischer Durchbruch eine Anwendung ermöglicht, die zuvor nicht praktikabel oder denkbar war.
Während beispielsweise der Abgleich (Trimmung) in analogen Präzisionsschaltungen seit Jahrzehnten gängige Praxis ist, hat sich die Selbstkalibrierung trotz intensiver Forschung erst in den letzten 15 Jahren bei der Entwicklung industrieller Wandler durchgesetzt.
Selbstkalibrierungstechniken ermöglichten bei der Entwicklung von Analogschaltungen, leichte Kompromisse zwischen Anpassung, Fläche, Rauschen und Linearität, Leistungsaufnahme und Geschwindigkeit, einzugehen. Deshalb entstanden Mitte der 2000er Jahre viele Innovationen bei Wandlerarchitekturen, welche die Leistungsdaten, insbesondere bei CMOS-Prozessen, in verschiedene Richtungen vorantrieben.
So wurden beispielsweise die Abtastraten von A/D-Wandlern mit 8 bis 10 bit von einigen hundert MSPS bis hinein in den GSPS-Bereich erhöht, was auf eine erhebliche Verkleinerung der Schaltkreise sowie auf einfaches Zwei-Wege-Interleaving (Ping Pong) zurückzuführen ist. Dabei korrigiert die Kalibrierung die Anpassungsbeschränkungen und ermöglicht so kleinere Baugrößen sowie höhere Geschwindigkeiten.
Aufgrund weiterer Verbesserungen bei der Core-Selbstkalibrierung sowie Zeitinterleaving höherer Ordnung (acht oder mehr Sub-A/D-Wandler), unterstützt durch die Kalibrierung von Kanalfehlanpassungen, konnten auch Nyquist-A/D-Wandler mit 12 bis 14 bit die GSPS-Geschwindigkeitsgrenze durchbrechen.
In zeitkontinuierlichen Delta-Sigma-A/D-Wandlern wurden verschiedene Selbstkalibrierungstechniken eingesetzt, um die parametrische Streuung in den Schleifenfiltern und in den Rückkopplungsverzögerungen zu beherrschen und die Rückkopplungs-D/A-Wandler zu linearisieren. Daher können solche Architekturen Hunderte von MHz des Signalbandes bei zentrierter Frequenz bis in den niedrigen GHz-Bereich digitalisieren.
Die Beispiele im vorigen Abschnitt zeigen, dass sich die Möglichkeit der HF-Digitalisierung und -Synthese positiv auf zellulare drahtlose Kommunikationssysteme auswirkt. Dadurch wurde es möglich, einen Großteil der Modulations-/Demodulationsfunktionen aus dem analogen/HF-Bereich in den digitalen Bereich zu verlagern. Dies bringt erhebliche Vorteile in Bezug auf Integration, Flexibilität/Programmierbarkeit mit sich und verkürzt die Entwicklungszeit.
In ähnlicher Weise ermöglichen neue Verfahren zur Selbstkalibrierung die Entwicklung von wesentlich kleineren Bauteilen und gesenkter Leistungsaufnahme. Somit lassen sich beispielsweise wesentlich kompaktere medizinische Geräte mit hoher Integrationsdichte entwickeln. Die Tatsache, dass Wandler gerade in medizinischen Anwendungen bisher als problematisch für die Entwicklung von erschwinglichen portablen Gesundheitsüberwachungssystemen wie beispielsweise Ultraschallsysteme galten, ist somit Vergangenheit.
Während es bei der Entwicklung analoger Systeme traditionell darum ging, die bestmöglichen Leistungsdaten zu erzielen und die Aufgabe, Unzulänglichkeiten bei der Herstellung mit Abgleich und Kalibrierung auszugleichen, ändern die Fortschritte bei der Selbstkalibrierung diese Strategie rapide.
Für die Zukunft ist eine Vertiefung des analog/digitalen Co-Designs zu erwarten. Um beispielsweise Grenzen bei Leistungsfähigkeit und Geschwindigkeit weiter zu überwinden, kann die Wandlerarchitektur bevorzugt werden, die zwar durch eine hohe, aber vorhersehbare und korrigierbare Nichtlinearität gekennzeichnet ist, aber eine wesentlich höhere Geschwindigkeit, eine niedrigere Leistungsaufnahme oder eine kleinere Fläche ermöglicht. Die Aufgabe der Linearisierung wird dabei der Selbstkalibrierung sowie Softwarealgorithmen überlassen.