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AC- und DC-Signale erfassen – ganz einfach

21. Juni 2021, 15:00 Uhr | Wasim Shaikh und Srikanth Nittala
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Fortsetzung des Artikels von Teil 1

Zeitkontinuierliche Sigma-Delta-ADUs

Der CTSD-ADU ist eine alternative Sigma-Delta-ADU-Schaltung, die ebenfalls von Prinzipien wie der Überabtastung und der Rauschformung profitiert. Das dabei verwendete, alternative Abtastungsverfahren bringt entscheidende Vorteile mit sich.

Bild 11. Im Vergleich der Blockschaltbilder des zeitdiskreten Sigma-Delta-ADUs (DTSD, Discrete-Time Sigma-Delta) und des zeitkontinuierlichen Sigma-Delta-ADUs (CTSD, Continuous-Time Sigma-Delta) ist die unterschiedliche Abtastmethode erkennbar.
Bild 11. Im Vergleich der Blockschaltbilder des zeitdiskreten Sigma-Delta-ADUs (DTSD, Discrete-Time Sigma-Delta) und des zeitkontinuierlichen Sigma-Delta-ADUs (CTSD, Continuous-Time Sigma-Delta) ist die unterschiedliche Abtastmethode erkennbar.
© Analog Devices

Bild 11 zeigt einen Vergleich zwischen einer DTSD- und einer CTSD-Schaltung. Bei der DTSD-Schaltung wird das Eingangssignal vor der Schleife abgetastet. Das Schleifenfilter H(z) ist zeitdiskret und wird mithilfe von Schalter-Kondensator-Integratoren implementiert. Der Rückkopplungs-DAU basiert ebenfalls auf der Schalter-Kondensator-Technik. Die am ADU-Eingang erfolgende Abtastung ruft ein Aliasing-Problem durch fS hervor, sodass vorm ADU-Eingang ein zusätzliches Anti-Aliasing-Filter benötigt wird, bevor die Abtastung des Eingangssignals erfolgen kann.

Die zeitkontinuierliche Sigma-Delta-ADU-Schaltung (CTSD) verfügt über keinen tastenden Eingang, sondern die Abtastung erfolgt am Quantisierer in der Schleife. Das Schleifenfilter ist dank der Verwendung zeitkontinuierlicher Integratoren nunmehr ebenso zeitkontinuierlich wie der Rückkopplungs-DAU. Entsprechend der Formung und Filterung bei der Quantisierung erfährt auch das aus der Abtastung resultierende Aliasing eine Formung und Filterung. Das Ergebnis ist ein ADU nahezu ohne Abtasteffekte, der damit eine Klasse für sich darstellt.

Zu beachten ist, dass beim CTSD-ADU die Abtastfrequenz festgelegt ist, wogegen die Abtastfrequenz des Modulators bei der DTSD-Schaltung skaliert werden kann. Weiterhin sind CTSD-ADUs bekanntermaßen weniger jittertolerant als entsprechende Schalter-Kondensator-ADUs. Jitterarme Takte für ADUs lassen sich gut mit handelsüblichen Quarz- oder CMOS-Oszillatoren lokal erzeugen. Dies macht ein Übertragen jitterarmer Taktsignale über Isolationsbarrieren hinweg überflüssig und verbessert die elektromagnetische Verträglichkeit.

Die zwei herausragenden Vorteile der CTSD-Schaltung sind die prinzipbedingte Aliasing-Unterdrückung und die resistiven Eingänge für Signale und die Referenz.

Inhärente Anti-Aliasing-Funktion

Das Verlagern des Quantisierers in die Regelschleife bewirkt eine inhärente Aliasing-Unterdrückung. Wie in Bild 11 zu sehen, durchläuft das Eingangssignal das Schleifenfilter, bevor es abgetastet wird. Der im Quantisierer entstehende Foldback- bzw. Aliasing-Fehler trifft ebenfalls auf dieses Filter.

Bild 12. Im Frequenzgang eines CTSD-Modulators ist seine inhärente Filterfunktion erkennbar, er kommt ohne zusätzliches Anti-Aliasing-Filter aus.
Bild 12. Im Frequenzgang eines CTSD-Modulators ist seine inhärente Filterfunktion erkennbar, er kommt ohne zusätzliches Anti-Aliasing-Filter aus.
© Analog Devices

Das Signal und der Aliasing-Fehler werden der gleichen Rauschübertragungsfunktion ausgesetzt wie die Sigma-Delta-Schleife, und beide erfahren eine ähnliche Rauschformung wie das Quantisierungsrauschen in Sigma-Delta-Schaltungen. Der Frequenzgang der CTSD-Schleife (Bild 12) unterdrückt damit nativ alle Eingangssignale in der Umgebung ganzzahliger Vielfacher der Abtastfrequenz und fungiert damit als inhärentes Anti-Aliasing-Filter.

Resistiver Eingang

Resistive Signal- und Referenzeingänge machen die Ansteuerung einfacher als bei Abtast- und Halte-Schaltungen, denn bei konstant resistiven Eingängen kommt es zu keinen Rückwirkungen (Kickback-Effekten), weshalb der Eingangsverstärker komplett entfallen kann.

Bild 13. Die Eingangsstufe eines CTSD-ADUs verhält sich resistiv und erfordert deshalb keinen zusätzlichen Verstärker als Puffer.
Bild 13. Die Eingangsstufe eines CTSD-ADUs verhält sich resistiv und erfordert deshalb keinen zusätzlichen Verstärker als Puffer.
© Analog Devices

Wie Bild 13 zeigt, ist der Eingang verzerrungsfrei. Wegen des konstanten Eingangswiderstands kann auf ein Abstimmen der Schaltung in Bezug auf Verstärkungsfehler vollständig verzichtet werden.

Analoge Eingänge dürfen bipolar sein, auch wenn der ADU eine unipolare Stromversorgung hat. Hierdurch kann die Notwendigkeit einer Pegelumsetzung zwischen einer bipolaren Eingangsstufe und dem ADU entfallen. Die DC-Leistungsfähigkeit des ADU ist dann möglicherweise nicht identisch, weil der Eingangswiderstand nunmehr neben dem Eingangsstrom auch einen vom Gleichtaktanteil des Eingangs abhängigen Strom sieht.

Die Referenzlast ist ebenfalls resistiv, was die schaltbedingten Kickback-Phänomene eindämmt, sodass kein separater Puffer am Referenzeingang nötig ist. Der Widerstand für ein Tiefpassfilter kann zudem im IC implementiert werden, sodass sich sein Verhalten parallel mit der integrierten resistiven Last verändert, da beide aus demselben Material bestehen. Das Resultat ist eine reduzierte Temperaturdrift des Verstärkungsfehlers.

Die CTSD-Schaltung ist zwar nicht neu, aber die Entwickler in der Industrie und im Messtechnikbereich verlangen nach zunehmender DC- und AC-Genauigkeit bei immer höheren Bandbreiten. Abgesehen davon bevorzugen Kunden eine Plattform-Entwicklung die für die Mehrzahl ihrer Geräte geeignet ist, um die Entwicklung und damit die Zeit bis zur Markteinführung zu verkürzen.

Die CTSD-Schaltung war aufgrund der vielen Vorteile, die sie gegenüber anderen ADU-Bauarten bietet, die erste Wahl für eine breite Palette von Anwendungen, die von Hochleistungs-Audiosystemen bis zu HF-Eingangsstufen von Mobiltelefonen reicht. Zu den Pluspunkten gehören die bessere Integrationseignung und die niedrige Stromaufnahme, und als der vielleicht wichtigste Vorteil die Tatsache, dass mit der Verwendung der CTSD-Technik einige signifikante Probleme auf der Systemebene aus dem Weg geräumt werden. Wegen einer Reihe technischer Unzulänglichkeiten war der Einsatz der CTSD-Schaltung bisher eher auf Frequenzen und Bandbreiten im Audiobereich sowie kleinere Dynamikbereiche beschränkt, weshalb leistungsstarke Nyquist-Raten-Umsetzer wie etwa SAR-ADUs und DTSD-Umsetzer mit Überabtastung die größte Verbreitung in Anwendungen mit hoher Genauigkeit und Leistungsfähigkeit und mittlerer Bandbreite hatten.

Neuere, von Analog Devices erzielte technische Fortschritte ermöglichen jetzt die Beseitigung zahlreicher Restriktionen. So wird mit dem AD7134 [1] der erste hochpräzise, auf der CTSD-Technik basierende ADU mit einer Bandbreite von DC bis 400 kHz angeboten. Dieser CTSD-ADU bietet deutlich höhere Leistungs-Spezifikationen und DC-Genauigkeit und ermöglicht so eine ganze Reihe wichtiger Schaltungsprobleme in Hochleistungs-Anwendungen auf dem Gebiet der Messtechnik zu lösen. Der AD7134 enthält überdies eine ASRC-Stufe (Asynchronous Sample Rate Converter) und kann die Daten daher mit variabler, von der festgelegten Abtastrate des CTSD-Modulators abgeleiteter Datenrate ausgeben. Die Ausgangs-Datenrate wird dadurch unabhängig von der Abtastfrequenz des Modulators, was die einfache Anpassung von CTSD-ADUs an den gewünschten Datendurchsatz gestattet. Die Möglichkeit zur feinstufigen Änderung der Ausgangsdatenrate erlaubt eine kohärente Abtastung.

Vorteile des AD7134 für Signalverarbeitungsstufen

  • Aliasing-Freiheit
    Die inhärente Aliasing-Unterdrückung ermöglicht den Verzicht auf ein separates Anti-Aliasing-Filter, was den Bedarf an Bauelementen reduziert und kleinere Baugruppenabmessungen ermöglicht. Wichtiger noch ist, dass alle Probleme vermieden werden, die sich mit einem Anti-Aliasing-Filter einstellen – z.B. Droop, Offset-, Verstärkungs- und Phasenfehler sowie Rauschen.

  • Latenzarme Signalstufen
    Ein Anti-Aliasing-Filter erhöht abhängig vom gewünschten Unterdrückungsgrad ganz entscheidend die Signallaufzeit der gesamten Schaltung. Mit dem Verzicht auf dieses Filter fällt die entsprechende Verzögerung komplett weg, sodass präzise Analog-Digital-Umsetzungen auch in digitalen Regelschleifen mit hohem Rauschaufkommen möglich sind.
  • Ausgezeichnete Phasenanpassung
    Durch den Wegfall des Anti-Aliasing-Filters lässt sich die Phasenanpassung in mehrkanaligen Schaltungen entscheidend verbessern. Damit ist diese Technik die richtige Wahl für Anwendungen, die nach einer geringen Kanalstreuung verlangen, z.B. Vibrationsüberwachung, Leistungsmessung, Datenerfassungsmodule und Sonar.
  • Störfestigkeit
    Wegen ihrer inhärenten Filterwirkung sind CTSD-ADUs immun gegen jegliche Art von Störbeeinflussungen – sei es auf der Schaltungsebene oder innerhalb des IC. Bei DTSD-ADUs und SAR-ADUs muss dagegen darauf geachtet werden, dass die Störungen reduziert werden, während der ADU abtastet. Zusätzlich sorgt die inhärente Filterwirkung für Immunität gegen Störgrößen auf der Versorgungsspannung.
  • Resistive Eingänge
    Dank der konstant resistiven Analog- und Referenzeingänge kann auf Eingangsverstärker vollständig verzichtet werden. Nun müssen hier keinerlei Bedenken wegen Offset-, Verstärkungs- und Phasenfehlern oder Rauschen mehr gehegt werden.
  • Einfache Schaltung
    Die Anstrengungen, die zum Erzielen von Präzision unternommen werden müssen, sind nur minimal, da sich die Zahl der zu entwerfenden Elemente deutlich reduziert. Das Ergebnis ist ein geringerer Zeitaufwand für den Schaltungsentwurf, eine kürzere Markteinführungszeit, eine einfachere Bauelementeverwaltung und mehr Zuverlässigkeit.
  • Platzbedarf
    Der Entfall des Anti-Aliasing-Filters, der Verstärker an den Signal- und Referenzeingängen, lässt die benötigte Leiterplattenfläche deutlich geringer werden. Nun kann ein Messverstärker zum direkten Ansteuern des ADU dienen. Im Fall des AD7134 als ADU mit ausschließlich differenziellem Eingang kann ein Verstärker mit differenziellem Eingang wie der LTC6373 [2] als Eingangsstufe verwendet werden.
Bild 14. Vergleich zwischen einer zeitdiskreten (links) und einer zeitkontinuierlichen Analog-Digital-Umsetzung (rechts) für eine Stufe zur digitalen Verarbeitung analoger Signale.
Bild 14. Vergleich zwischen einer zeitdiskreten (links) und einer zeitkontinuierlichen Analog-Digital-Umsetzung (rechts) für eine Stufe zur digitalen Verarbeitung analoger Signale.
© Analog Devices
Bild 15. Größenvergleich auf der Leiterplatte, zwischen zeitdiskreter (unten) und zeitkontinuierlicher (oben) ADU-Schaltungen zur Signalverarbeitung – siehe Bild 14.
Bild 15. Größenvergleich auf der Leiterplatte, zwischen zeitdiskreter (unten) und zeitkontinuierlicher (oben) ADU-Schaltungen zur Signalverarbeitung – siehe Bild 14.
© Analog Devices

In Bild 14 ist ein Vergleich zwischen einer zeitdiskreten ADU-Schaltung und einer zeitkontinuierlichen ADU-Schaltung zu sehen. Im Vergleich ergibt sich eine Flächenersparnis von 70 %, sodass die zeitkontinuierliche Schaltung die ideale Wahl für mehrkanalige Anwendungen mit hoher Dichte ist. Die zugehörige Leiterplatte ist in Bild 15 zu sehen.

Der AD7134 ermöglicht eine signifikante Reduzierung der Leiterplattenabmessungen, vereinfacht den Schaltungsentwurf, erhöht die Robustheit der Gesamtschaltung und reduziert die insgesamt zu veranschlagende Entwicklungszeit. Dies alles ist der einfachen Schaltung zu verdanken, ohne dass dafür Abstriche an irgendwelchen Leistungsparametern, die von präzisen Messtechnikanwendungen gefordert werden, gemacht werden müssen.

Die Autoren danken Abhilasha Kawle, Avinash Gutta und Roberto Maurino für ihre Unterstützung beim Schreiben dieses Artikels.

 

 

Literatur

[1] AD7134 24-Bit, 4-Channel Simultaneous Sampling 1.5 MSPS Precision Alias Free ADC. Analog Devices, Website, www.analog.com/en/products/AD7134.html.

[2] LTC6373 36V Fully-Differential Programmable-Gain Instrumentation Amplifier with 25 pA Input Bias Current. Analog Devices, Website, www.analog.com/en/products/LTC6373.html.

[3] Kester, W.: What the Nyquist Criterion Means to Your Sampled Data System Design. Analog Devices, Tutorial MT-002, 2009, www.analog.com/media/en/training-seminars/tutorials/mt-002.pdf.

[4] Pavan, S.: Alias Rejection of Continuous-Time Δ∑ Modulators with Switched Capacitor Feedback DACs. IEEE Transactions on Circuits and Systems I: Regular Papers, 2011, Nr. 2. DOI: 10.1109/TCSI.2010.2071930.

[5] Schreier, R. und Temes, G. C.: Understanding Delta-Sigma Data Converters. John Wiley and Sons, 2005, ISBN: 9780471465850.

 

 

Die Autoren

Wasim Shaikh, Analog Devices
Wasim Shaikh, Analog Devices
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Wasim Shaikh,

der 2003 seinen Bachelor-Abschluss an der Universität Pune erwarb, kam im Jahr 2015 als Applikationsingenieur zu Analog Devices, in die Abteilung Precision Converters in Bangalore, Indien.

wasim.shaikh@analog.com

Srikanth Nittala, Analog Devices
Srikanth Nittala, Analog Devices
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Srikanth Nittala

ist bei Analog Devices als Lead Technologist in der Abteilung Precision Converters im indischen Bangalore tätig. Er erwarb im Jahr 2003 seinen Master-Abschluss am Indian Institute of Technology in Bombay.

srikanth.nittala@analog.com


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