Zurück zu den Komponenten für Smart-Meter. Wo liegen aus Ihrer Sicht die Differenzierungsfaktoren, auf die es wirklich ankommt?
Eines der wichtigsten Differenzierungsmerkmale ist zunehmend das Thema Sicherheit. Das gilt nicht nur für die intelligenten Zähler und Gateways, sondern auch für das gesamte Smart Grid. Hier liegt deshalb ein Schwerpunkt unserer Forschung und Entwicklung. Weitere Differenzierungsmerkmale sind eine einfache Integration und eine hohe Zuverlässigkeit der Komponenten. Smart- Meter müssen teilweise 20 Jahre und länger funktionieren bei ganz unterschiedlichen Temperaturbedingungen. Dank unserer langjährigen Erfahrung und hohen System-, Material- und Sicherheits-Expertise, sind wir hier sehr gut positioniert.
Größere Wertschöpfung sehe ich auch in den Bereichen Sensorik und Aktuatorik.
Das BSI wird demnächst darüber entscheiden, ob in den Geräten, über die abrechnungsrelevante Daten kommuniziert werden, die Sicherheitsalgorithmen in Software implementiert werden können oder ob dazu spezielle Sicherheits-Chips erforderlich sind. Weil Sie solche Chips im Programm haben, werden Sie für die zweite Variante plädieren?
Ich bin überzeugt davon, dass Hardware mehr Sicherheit für Smart-Meter bringt, als dies nur über Software möglich wäre. Und es ist enorm wichtig, dass die Smart-Meter bei den Anwendern Akzeptanz finden: Nur wenn die Sicherheit groß und damit der Datenschutz gut ist, werden die Anwender der Technik vertrauen. Und dieses Vertrauen ist erforderlich, um neue Geschäftsmodelle aufbauen zu können.
Infineon ist seit mehr als 14 Jahren die Nummer 1 auf dem Markt für Chipkarten-ICs. Halten Sie diesen Markt auch weiterhin für attraktiv?
Ja. Infineon hat sich bei Chipkarten- und Sicherheits-ICs in mehr als 25 Jahren großes Wissen bei der Produkt- und Technologie-Entwicklung aufgebaut. Wir sind hier der innovativste Chiphersteller; das beweist unsere Sicherheitstechnologie „Integrity Guard“, die u. a. im deutschen Personalausweis verwendet wird. Sicherheit ist künftig auch im Automobil-, Industrie- und Consumer-Markt ein ganz wesentlicher Aspekt. Im Auto verbessern unsere Sicherheits-Chips z. B. den Tuning-Schutz, beim Bezahlen mit dem Handy oder beim Zugang und Schutz der Daten in der Cloud sorgen sie für hohe Sicherheit; sie werden in Smart-Metern eingesetzt, im künftigen „intelligenten Stromnetz“ und in der Infrastruktur für die Elektromobilität. Dort unterstützen unsere Chips die Authentifizierung, den sicheren Datenaustausch für Bezahlvorgänge oder beim Laden, wenn Stromreserven parkender Elektrofahrzeuge wieder in das Netz zurückgeführt werden, um Nachfragespitzen anderer Abnehmer auszugleichen. In unserer zunehmend vernetzten Welt geht ohne Sicherheit nichts und Infineon bietet die Chiplösungen dafür.
Infineon ist der erste Hersteller, der Leistungshalbleiter auf sehr dünnen 300-mm-Wafern fertigt. Wo lagen die Hürden und wie hoch schätzen sie den Abstand gegenüber Wettbewerbern ein?
Wir haben uns hier einen Technologie-Vorsprung von mindestens zwei Jahren erarbeitet. Eine große Herausforderung bestand darin, die mit 40 µm sehr dünnen Wafer zu handhaben und sie ohne Schaden durch die verschiedenen Prozesse zu schleusen. Wichtig ist auch, das hochdotierte Material zu beherrschen.
Mit Transistoren auf Basis von SiC könnten viele Geräte einen höheren Wirkungsgrad erreichen. Wann wird es der Preis erlauben, in breitere Anwendungsgebiete vor zu stoßen?
Auf diesem Gebiet haben wir viele Jahre Erfahrung und fertigen SiC-basierte Dioden und Transistoren, die sehr robust sind und auch Potenzial für den Einsatz in Automobilen haben. Ich sehe Infineon hier weltweit an der Spitze.
Mit steigenden Stückzahlen werden die Preise fallen, aber in den kommenden Jahren sicherlich noch über denen der heutigen IGBTs liegen. Wer allerdings einen hohen Wirkungsgrad benötigt, für den ist es schon jetzt wirtschaftlicher, die SiC-Transistoren einzusetzen. Bei Wechselrichtern beispielsweise fällt die Steigerung des Wirkungsgrades um 0,5 Prozent deutlich ins Gewicht, denn der Wert des Siliziums ist gemessen am Wert der gesamten Anlage relativ gering. Da rechtfertigt der um 0,5 Prozent bessere Wirkungsgrad die höheren IC-Kosten.
Zeichnet sich mit GaN eine weitere Alternative ab?
Im Bereich hoher Spannungen ist GaN keine Alternative zu SiC. Im Bereich kleinerer Spannungen jedoch sehr attraktiv und deshalb arbeitet Infineon bereits intensiv daran.
Sie hatten die Sensorik und Aktuatorik als Sektoren erwähnt, die eine hohe Wertschöpfung erlauben. Werden sie diesen Bereich weiter ausbauen?
Hier sind wir bereits sehr aktiv mit Magnetsensoren auf Basis von Hall- und MR-Technologien sowie Druck- und Bewegungssensoren auf Basis der MEMS-Technik. Diese Produkte sind weniger für Consumermärkte gedacht, sondern für Automobil- und Industrieanwendungen. Gut laufen auch unsere neuen 77 GHz Radar-Sensoren auf SiGe-Basis.
Steht zu befürchten, dass Europa im Halbleiterbereich den Anschluss verliert, weil die führenden Hersteller zur Fertigung auf 450-mm-Wafern übergehen, zu denen die Hersteller in Europa keinen direkten Zugang haben? Wäre es sinnvoll, eine subventionierte europäische 450-mm-Fab zu bauen?
Den Vorteil Europas sehe ich darin, dass wir sehr genau über die System- und Applikationsanforderungen Bescheid wissen, dass wir die Fertigungsprozesse und Technologien beherrschen, die erforderlich sind, um die Systeme zu entwickeln und herzustellen. Und Europa bietet die entsprechenden Leitmärkte. Ich gehe davon aus, dass die Europäer weiterhin Zugang zum Fertigungs-Know-how in 450-mm-Fabs haben, etwa dadurch, dass das IMEC daran forscht. Den Bau einer subventionierten 450-mm-Fab halte ich für falsch; wir müssen aus uns heraus wettbewerbsfähig sein. Dazu brauchen wir einen Rahmen, etwa über Förderungen zum Ausbau der Infrastruktur. Eine eigene Foundry über Staatsgeld zu betreiben, hat keinen Sinn.