Die Forderung nach energieeffizienten Systemen in Industrie, für die Mobilität und nicht zuletzt für die Stromerzeugung, -übertragung und -verteilung dürften auch hierzulande die Nachfrage weiter hoch halten. Wie wird Infineon davon profitieren?
Deutschland ist ein wichtiger Markt für uns: Wir erwirtschaften hier 27 Prozent unseres Umsatzes. Mit energieeffizienter Elektronik ließen sich- bei konsequentem Einsatz - beispielweise bis zu 30 Prozent des Energiebedarfs in der deutschen Industrie senken. Ähnliches gilt für das Kraftfahrzeug: Zusätzliche Elektronik kann den Verbrauch heutiger Autos halbieren und macht sie außerdem noch komfortabler und sicherer.
In der Energieübertragung stoßen wir in neue Bereiche vor. Beispielsweise ersetzen wir in den HGÜs, die jetzt gebaut werden sollen, die teuren Thyristoren durch IGBTs. Die Leistungshalbleiter spielen aber auch in der konventionellen AC-Übertragung eine wichtige Rolle: Stichwort Flexible AC-Transmission, beispielsweise für die Blindleistungskompensation. Bei der Energieübertragung gehen heute bis zu zehn Prozent der Energie verloren. Mit Produkten von Infineon ließen sich diese Verluste um etwa ein Fünftel senken.
Für die Steuerung der Smart Grids bieten wir Mikrocontroller, analoge ICs und nicht zuletzt unsere Sicherheits-ICs.
Ein ganz wichtiges Thema sind für uns Stromversorgungen und Netzteile. Infineon deckt einen großen Bereich ab, von Schaltreglern kleiner Bauform bis zu großen unabhängigen Stromversorgungen und Umrichtern für Motoren. Im Bereich der DC/DC-Wandler setzt Infineon auf digitale Techniken. Und nicht zu vergessen sind in diesem Zusammenhang die Ansteuerungen für LEDs.
Als einen Zukunftstreiber sehen viele Elektroautos an. 2020 sollen in Deutschland bereits 1 Million E-Autos unterwegs sein. Ist das aus Ihrer Sicht eine realistische Perspektive?
Auf die genaue Zahl kommt es gar nicht an. Es ist wichtig, dass Politik und Wirtschaft Elektrofahrzeuge als einen Leitmarkt identifiziert haben. E-Fahrzeuge werden sich zuerst in Megastädten und Ballungszentren durchsetzen. Ich rechne damit, dass es 2015 weltweit ein bis zwei Millionen reine Elektroautos gibt und fünf Millionen Hybridfahrzeuge. Bis 2020 werden die Elektrofahrzeuge zu einem großen Markt herangewachsen sein und sich für Infineon zu einem wichtigen Geschäft entwickelt haben. Denn es gibt zur Elektromobilität einfach keine Alternative. In diesem Markt will Infineon der führende Chipanbieter sein.
Der Schwerpunkt wird aber auf hybridifizierten Fahrzeugen liegen?
Hybridisierung ist über die nächsten fünf bis zehn Jahre einer der wichtigsten Wachstumstreiber bei automobilen Halbleitern. Die Effizienz von Hybridfahrzeugen mit Verbrennungsmotor ist noch lange nicht ausgeschöpft. In solche Fahrzeuge wandern kaum weniger Leistungshalbleiter als in reine Elektroautos. Und hier werden die Stückzahlen in den kommenden Jahren schnell steigen.
Würden Sie sich ein Elektroauto kaufen?
Auf jeden Fall!
Der Markt für intelligente Zähler sieht ebenfalls sehr vielversprechend aus. Wäre es für diesen Markt erforderlich, nicht nur einige Komponenten, sondern komplette Subsysteme anbieten zu können? Dazu würden neben der Sensorik, den analogen ICs auch Controller mit geringer Leistungsaufnahme sowie Funk- und Powerline-Schnittstellen gehören. Sehen Sie hier Nachholbedarf?
Nein, wir bieten bereits komplette Subsysteme an. Unser Smart- Meter-Produktportfolio umfasst Sensor-Technologie und die dazugehörigen analogen Frontends und Controller für Strom-, Gas- und Wasserzähler. Darüber hinaus Smart Grid-Sicherheits- und Kommunikationslösungen, zum Beispiel über Powerline. Smart -Metering- und Smart- Home-Anwendungen sind für uns mit Blick auf den Megatrend Energieeffizienz ein wichtiges Geschäftsfeld mit hohem Wachstumspotenzial.
Wäre eine Übernahme nicht verlockend, über die Infineon energieeffiziente Controller und Funksysteme für intelligente Zähler erhalten würde?
Wir wollen hier organisch wachsen. Wir haben sehr gute Metering- Controller im Portfolio. Viel wichtiger ist jedoch der Systemansatz: Infineon bietet komplette Subsysteme an. Mit diesen können unsere Kunden effiziente Smart- Meter und entsprechende Anwendungen für Privathaushalte entwickeln. Wir sind aufgeschlossen für Technologie-Partnerschaften in diesem Bereich,; Infineon muss nicht jede Komponente selbst entwickeln.
Will Infineon auch insgesamt weiter organisch wachsen oder sind doch auch Zukäufe vorgesehen?
Wir setzen auf organisches Wachstum. Dafür investieren wir im laufenden Geschäftsjahr rund 900 Mio. Euro, vor allem in den Kapazitätsausbau, in neue Technologien wie die 300-mm-Dünnwafertechnologie für IGBT-Leistungshalbleiter sowie in Forschung und Entwicklung. Natürlich beobachtet Infineon den Markt, um mögliche Opportunitäten wahrzunehmen. Konkret haben wir aber nichts in der Pipeline.