Dadurch wird sich aber auch das Geschäftsmodell dieser Unternehmen ändern müssen. Ein klassisches Thermostat beispielsweise kaufe ich, und dann tut es 20 Jahre seinen Dienst – fertig!
Da haben Sie völlig Recht! Und Firmen haben mit einem solchen servicebasierten Geschäftsmodell so ihre liebe Müh und Not. Nehmen wir als Beispiel einen Geschirrspüler. Ich verkaufe diesen an Sie. Sie schließen ihn an, und wir haben hoffentlich nie wieder etwas miteinander zu tun, weil der Geschirrspüler seinen Dienst tut.
Aber das wird sich ändern. Angenommen der Geschirrspüler meldet dem Hersteller, dass der Wasserfilter gewechselt werden müsste, kann ich Ihnen eine entsprechende Nachricht senden zusammen mit dem Hinweis, dass es ganz in der Nähe einen zertifizierten Reparaturservice gibt. Oder angenommen Sie haben einen Kühlschrank zu Hause und dieser meldet, dass er in Kürze ausfallen wird, dann könnte sich der zertifizierte Reparaturservice noch vor dem Ausfall bei Ihnen melden und ihnen anbieten, sich darum zu kümmern.
Dann können diese Unternehmen viel von der Automobilbranche lernen, oder?
Richtig. Gerade die Behörden in den Vereinigten Staaten sind sehr daran interessiert, dass sicherheitskritische Funktionen – von denen es im Auto ja so manche gibt – einwandfrei funktionieren. Sonst hat der Autohersteller ein massives Problem, wie die verschiedenen Rückrufaktionen der letzten Zeit gezeigt haben. Auch so manche Anwendung zuhause gilt als sicherheitskritisch, da deren Fehlfunktion Leib und Leben gefährden könnten. Die Behörden werden dann auf die Hersteller Druck ausüben, dieses Sicherheitsproblem zu beseitigen. Und auf einmal wird die Möglichkeit des Softwareupdates zu einem Feature, das den Unternehmen eine Menge Kosten einsparen kann. Auch die Verbraucher werden immer mehr Wert auf ein solches Feature legen. Sie werden es nicht mehr tolerieren, dass man das Gerät abschalten, es ausbauen und in der Werkstatt updaten muss. Ein solches Produkt wäre in Zukunft unverkäuflich.
Aber mit der Vernetzung kommen auch ganz neue Gefahren. Welche Risiken bestehen für vernetzte Geräte und wie lassen sich diese managen?
Die Risiken sind sehr vielfältig, und sie unterscheiden sich von Anwendungsfall zu Anwendungsfall. Auch umfassen sie alle Bereiche, über die wir in den letzten Minuten schon gesprochen haben. Es gibt Risiken bei den Kosten, bei der Benutzerfreundlichkeit, bei der Interoperabilität und bei der Zukunftsfähigkeit. Sicherheit im Sinne von Security betrifft alle diese Aspekte. Sicherheit kostet etwas. Sicherheit kann die Bedienung verkomplizieren. Sicherheit kann die Interoperabilität und die Zukunftsfähigkeit einschränken. Aber Sicherheit kann auch meine Risiken als Hersteller dieser vernetzten Komponente vermindern.
Dazu ein Beispiel: Schutz vor Manipulation oder »Tamper Proofing« ist ein wichtiger Aspekt beim Thema Sicherheit. Nehmen wir an, bei Ihnen wurde eingebrochen. Bei einem Leuchtmittel würden Sie auf dieses Feature keinen Wert legen. Einem Lampenhersteller dafür etwas extra zu zahlen wäre total sinnlos. Geht es aber um ein Smart-Meter ist Schutz vor Manipulation sehr wichtig. Es hängt also vom Kontext und dem Anwendungsfall ab, welche Sicherheitsmaßnahmen bei einem Gerät sinnvoll sind und welche nicht. Welche Risiken sind für den Hersteller hinnehmbar und welche für seine Kunden? Sicherheit ist eine sehr komplexe Aufgabe.
Gerade die Möglichkeit von Softwareupdates gibt den Herstellern die Möglichkeit, Sicherheitslücken zu schließen. Als die smarten Thermostate des zu Google gehörenden Unternehmens Nest Labs Anfang 2016 ein Problem nach dem Aufspielen einer neuen Softwareversion hatten, wurde das Problem mit einem weiteren Update schnell behoben. Aber nicht bei allen, denn etwa fünf Prozent dieser Geräte war in Haushalten ohne Internetanschluss installiert. Das hört sich im ersten Moment total verrückt an. Aber dann muss es eben die Möglichkeit geben, ein Update per Smartphone über eine lokale Vernetzung, beispielsweise per Wi-Fi oder Bluetooth, auf das Gerät zu spielen. Daran müssen die Produktentwickler vorher denken. Ich kann diese fünf Prozent meiner Kunden nicht im Regen stehen lassen oder sie dazu bewegen, ihr Gerät einzuschicken, um es im Werk zu updaten. Das wäre alles viel kostenintensiver als einfach ein Softwareupdate per Internet oder Smartphone aufzuspielen.
Dies gäbe nur unzufriedene Kunden und eine schlechte Presse.
Klar! Die Unternehmen können eine Menge tun, um die Sicherheit in ihren vernetzten Geräten zu gewährleisten. Aber sie müssen sich über die Komplexität der Anwendung und der Nutzungsszenarien im Klaren sein. Nehmen wir noch einmal das Beispiel von den vernetzten Geräten in einem Haushalt ohne Internetanschluss. Wie kann so etwas passieren? Beispielsweise weil ich so ein Gerät im Haus meiner betagten Eltern installiert habe, denen das Internet herzlich egal ist. Also muss ich mich selbst darum kümmern. Und es erhält seine Updates nur dann, wenn ich meine Eltern besuche. Das kann ein Problem sein. Das ist ein sehr interessantes Szenario, aber es beeinflusst letztendlich eben die Kundenzufriedenheit und damit die Wahrnehmung potenzieller Neukunden.
Wie sehen Ihre Voraussagen für 2017 in Bezug auf das Internet der Dinge aus?
Wir erreichen momentan einen interessanten Wendepunkt in Bezug auf den IoT-Markt. Wir sehen eine Menge negative Berichterstattung über Probleme mit der Sicherheit und über Risiken, während gleichzeitig der Markt als solches wächst. Dies liegt teilweise daran, dass wir uns an diesem Wendepunkt befinden. Die Vernetzung beginnt sich zu standardisieren und die konkurrierenden Application Layer beginnen zu konvergieren; dieser Prozess ist aber bei weitem noch nicht abgeschlossen. Dies wird die vernetzten Geräte über die nächste Zeit wesentlich beeinflussen, und auch die Hersteller werden sich darauf einstellen müssen. Dieser Konvergierungsprozess wird den Markt einengen, denn letztlich werden sich nur einige wenige der vielen heute konkurrierenden Technologien und Protokolle am Markt durchsetzen. Ist das erst einmal geschehen, wird das Leben für die Hersteller und deren Zulieferer einfacher.
»ChromeCast« und »Apple TV« sind ein gutes Beispiel für Konvergenz. In unseren Konferenzräumen können wir mit diesen beiden Systemen alle unsere Präsentationen mit einem Beamer an die Wand projizieren – AppleTV für die Mac-Benutzer, ChromeCast für alle anderen. Das ist schon übersichtlicher, denn es konkurrieren immerhin nur noch zwei Systeme miteinander. Das ist der Level an Interoperabilität, den sich der Markt wünscht. Es ist garantiert, dass AppleTV mit allen Macs funktioniert und ChromeCast bei den anderen. Das macht das Leben auch für Technologieanbieter wie Silicon Labs wesentlich einfacher. Wir müssen uns nur noch auf zwei konkurrierende Systeme einstellen, nicht auf fünf oder mehr.
Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Ralf Higgelke.
Skip Ashton – Ein Leben für die Funkkommunikation |
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Neben seiner Arbeit bei Silicon Labs ist Skip Ashton auch in mehreren Industrievereinigungen der Funkkommunikation tätig. Er ist Aufsichtsratsmitglied bei der ZigBee Alliance und Vorsitzender des Technical Committee dort. Gleichzeitig sitzt Skip Ashton auch im Aufsichtsrat der Thread Group und ist dort Vice President of Technology. Außerdem ist er im Aufsichtsrat der Connected Lighting Alliance und der Fairhair Alliance. Zuvor war er Mitglied des Smart Grid Architecture Committee am NIST (National Institute of Standards and Technology), das einen Smart-Grid-Standard erstellen sollte. Skip Ashton war stark eingebunden in Entwicklungen wie den ZigBee-PRO-Stack, das ZigBee-Home-Automation-Profil, die ZigBee-Smart-Energy-Profile und den Thread-Stack. |