Interview mit Ina Schindler

Ziel der vollständigen Systemintegration

14. März 2022, 15:00 Uhr | Tobias Schlichtmeier
Ina Schindler, MicroSys Electronics: »Wir bieten unseren Kunden alle Vorteile der System-on-Modules-Technologien. Wir lassen uns aber nicht in das enge Korsett von Standard-Formfaktoren pressen.«
© MicroSys Electronics

MicroSys Electronics hat sich auf eigens entwickelte System-on-Modules spezialisiert. Design Wins und starke Partnerschaften lassen die Krise nahezu vergessen; dennoch spürt auch dieses Unternehmen die Auswirkungen. Wie MicroSys weiter wachsen möchte, erklärt Co-Geschäftsführerin Ina Schindler.

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Ina Sophie Schindler ist seit 2013 bei Microsys Electronics und seit 2019 Co-Geschäftsführerin. Die Allrounderin hat sich über die Jahre ein breites Wissen aus verschiedenen Industriezweigen angeeignet. Sie nutzt es, um das 1975 gegründete Unternehmen in eine erfolgreiche Zukunft zu führen: mit Design-Wins in Branchen wie Automotive, Schienenverkehr und Avionik sowie neuen Distributions- und Technologiepartnerschaften.

Markt &Technik: Frau Schindler, wie gelingt es Ihnen, den technologischen Wandel voranzutreiben und weiter zu wachsen – trotz Lieferengpässen und Preisanstiegen?

Ina Schindler: Essenziell hierfür ist unsere enge Zusammenarbeit mit NXP Semiconductors. Als Early-Access-Partner erhalten wir die CPUs bereits vor dem offiziellen Market Launch. So können wir frühzeitig in das Entwickeln unserer System-on-Modules (SoMs) einsteigen. Beispielsweise adaptieren wir NXPs Vehicle-Network-Prozessoren wie den S32G auf unseren industriellen Plattformen. Im Moment können wir alle Branchen gut bedienen. Wir adressieren zum Beispiel das autonome Fahren, den Schienenverkehr oder die Medizintechnik.

Zudem profitieren wir von unseren langjährigen Distributions-Partnerschaften mit EBV Elektronik und Arrow Electronics. Unsere Hersteller informieren uns außerdem frühzeitig über Allokationen und andere Schwierigkeiten bei der Lieferkette. Weiterhin sind unsere Mitarbeiter in der Hard- und Software-Abteilung sehr schnell beim Anpassen von Designs. Wichtig für weiteres Wachstum ist auch unsere Kooperation mit dem israelischen KI-Chip-Hersteller Hailo.

Sie sind seit 2013 bei Microsys Electronics und seit 2019 Co-Geschäftsführerin. Was konnten Sie seit Ihrem Einstieg in die Geschäftsleitung bewegen?

Mein Co-Geschäftsführer Markus Loeffl und ich wollen einerseits technologisch vorankommen und neue Märkte erschließen. Zum Beispiel im Bereich Smart Mobility, speziell Nutzfahrzeuge wie Land- und Baumaschinen. In erster Linie adressieren wir Märkte mit hohen Safety- und Security-Anforderungen.

Andererseits entwickeln wir die internen Strukturen weiter – Stichwort: Incremental Change. Beispielsweise haben wir ein neues ERP-System eingeführt. Zudem gehen wir weg von klassischen Abteilungen hin zu prozessorientierten Strukturen. Die Basis bildet unser solider Kundenstamm, den wir weiter ausbauen möchten. Hierfür benötigen wir zusätzliches Personal, sei es im Bereich der Hard- und Software-Entwicklung oder im Bereich Sales und Produktmarketing.

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Applikationsfertige S32G2-Automotive-Gateway-Plattform für Nutzfahrzeuge, mobile Maschinen und viele weitere Anwendungen mit funktionaler Sicherheit.
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Microsys versteht sich nicht als reiner Modullieferant, sondern als Systemintegrator. Wie gelingt Ihnen diese Marktdifferenzierung?

Wir differenzieren uns zu Marktbegleitern, indem wir fertige Module, aber auch kundenspezifische Entwicklungen anbieten. So entwickeln und fertigen wir Module nach eigenen Standards und nicht nach Branchenstandards wie COM Express. Als Basis dient uns ein Modul und Carrierboard, das wir zu einem modularen Single Board Computer (SBC) vereinen und das Kunden als Entwicklungsplattform nutzen. Unser Ziel ist zudem die vollständige Systemintegration, die mit dem Ansatz Modul und kundenspezifisches Carrierboard besonders schnell und effizient ist und zudem eine hohe Designsicherheit bietet.

Aus welchem Grund setzen Sie lieber auf proprietäre Formfaktoren?

Wir denken, wir können die Komplexität der Kommunikations- und Vehicle-Networking-Prozessoren am besten ausspielen, wenn wir uns nicht in Standard-Formfaktoren pressen lassen, sondern ihren Funktionsumfang auch vollumfänglich auf unseren Modulen unterstützen. Aus dem Grund haben wir uns gegen Standard-Formfaktoren entschieden. Neue Prozessortechnologien prüfen wir zunächst, wie wir sie bestmöglich adaptieren können. Falls möglich oder gewünscht, bieten wir sie ebenfalls auf Basis der Standard-Formfaktoren an – zum Beispiel COM Express. In der Regel haben die NXP-Kommunikations- und Vehicle-Networking-Prozessoren jedoch ein differenzierteres Feature Set, weshalb es schade wäre, wenn man diesen Nutzen durch die Standard-Formfaktoren verlieren würde.

Welche Vorteile entstehen Entwicklern mit Ihrem Ansatz?

Mit unseren Development Kits können Entwickler frühzeitig evaluieren und ebenfalls ihre Software adaptieren. Der Entwickler entscheidet, ob er einen kundenspezifischen Carrier einsetzt oder auf unseren Standard-Carrier aufbaut. Wir beraten und begleiten unsere Kunden außerdem hinsichtlich der vielfältigen Schnittstellenmöglichkeiten, Kühllösungen und dem Gehäuse. Umfassende Unterstützung bei branchenspezifischen Zertifizierungen runden unser Angebot ab. Selbstverständlich sind unsere Lösungen auch für extreme Umgebungen wie starke Vibration, Hitze oder Kälte ausgelegt.

Zudem lassen sich unsere Module auf Basis der Layerscape- und S32G-Vehicle-Network-CPUs von NXP flexibel skalieren. Aus dem Grund können wir innerhalb der jeweiligen Prozessor-Familien immer den gleichen Carrier nutzen und je nach Entwicklungsstufe ein unterschiedliches Modul verwenden. Von Chassis-Lösungen bis hin zu Hutschienen-Modellen decken wir eine hohe Bandbreite an Systemdesigns und Märkten ab. Im Grunde bedienen wir alle Märkte, die einen Functional-Safety-Standard haben, der sich aus der IEC 61508 ableiten lässt. Wir erfüllen auf Wunsch ebenso die Anforderungen an Systeme für kritische Infrastrukturen. Wenn es also nicht nur um funktionale Sicherheit, sondern auch um hohe Cybersecurity geht, wie sie beispielsweise im Bahnbereich zu finden ist.


  1. Ziel der vollständigen Systemintegration
  2. Modularität entspricht Nachhaltigkeitszielen

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